1945 – 2020. Antisemitismus und kein Ende? Ein Online-Abend mit Katharina König-Preuss und Volker Weiß

Moderation Carl Melchers, Mitherausgeber der Wochenzeitung „Jungle World“

Samstag, 28. November 2020, 19.30 Uhr

Die Beiträge sind mittlerweile HIER nachzuhören

Eine gemeinsame Veranstaltung der Wochenzeitung Jungle World, des Komma Kultur Esslingen, des Jungen Forum der DIG Stuttgart und des und des Fördervereins Emanzipation und Frieden im Rahmen von Youth Against Antisemitism

Lange Zeit glaubte man in Deutschland, Antisemitismus sei im wesentlichen ein Phänomen von gestern und heutzutage unter Deutschen nur noch eine Randerscheinung. Höchstens unter Zugewanderten wollte man ihn hie und da noch wahrnehmen. Diese Illusion ist wie eine Seifenblase zerplatzt. 75 Jahre nach dem Sieg der Alliierten über Nazideutschland versteckt sich der Antisemitismus immer weniger in Hinterzimmern und traut sich wieder offen auf die Straßen. Mittlerweile warnt selbst der Verfassungsschutz vor „steil ansteigendem Antisemitismus“. Warum das so ist, versteht er allerdings genauso wenig wie eine Gesellschaft, die zwar irgendwie „gegen Antisemitismus“ ist, aber ihn bis heute kaum begriffen hat. Deutsche Selbstgewissheit entlarvt sich als das, was sie schon immer war: als Schuldabwehr und Selbstbetrug.

Gemeinsam mit ausgewiesenen Expert*nnen wollen wir die Entwicklungen beleuchten und uns auf die Suche nach Gegenstrategien begeben.

Unsere Gäste:

Katharina König-Preuss ist seit 2009 Mitglied des Thüringer Landtags für DIE LINKE, war Mitglied in beiden NSU-Untersuchungsausschüssen, ist Sprecherin für Antifaschismus und Antirassismus und Vorsitzende des „Freundeskreis Israel im Thüringer Landtag“:

„Etablierte und wachsende Neonazi-Strukturen, völkische Siedlungen, Vertreter der QAnon-Bewegung, hunderte Reichsbürger, die Höcke-AfD als zweitstärkste Fraktion im Thüringer Landtag, dutzende antisemitische und rechte online-Chats mit Thüringen-Bezug, 16 Prozent der Thüringer vertreten antisemitische Einstellungen, ‚Juden Jena‘ bezeichnete der Thüringer Innenminister als ‚eine allgemeinpolitische Äußerung‘, ein Staatsanwalt setzt das volksverhetzende sogenannte ‚U-Bahn-Lied‘ mit ‚Waterloo‘ von Abba gleich – im Jahr 2020 noch von ‚Wehret den Anfängen‘ zu sprechen, ist kalter Zynismus. Ein Überblick zu Thüringer Zuständen.“

Dr. Volker Weiß, Historiker und Kolumnist der Jungle World. Autor von Die autoritäre Revolte und der Untergang des Abendlands (2017) sowie dem Nachwort in Theodor W. Adorno, Aspekte des neuen Rechtsradikalismus (2019):

„Derzeit ist eine Rückkehr des klassischen Antisemitismus zu beobachten. Während sich in den Jahrzehnten nach dem Zweiten Weltkrieg zunächst eine ’sekundäre‘ Form des Antisemitismus entwickelte, die das Ressentiment meist codiert zu vermitteln suchte, werden mittlerweile die alten Mythen wiederbelebt. Von der Neuen Rechten bis zu den Q-Anon-Gläubigen finden sich inzwischen wieder Motive beschworen, die Juden mit dem Gottes- und Kindermord in Verbindung bringen und unter dem Label des ‚Kulturmarxismus‘ sogar die NS-Parole vom Kulturbolschewismus modernisiert haben.“

Carl Melchers ist Journalist, Politologe und Mitherausgeber der Wochenzeitung Jungle World. Wissenschaftlich forschte er zur juristische Aufarbeitung rechter Gewalt in Deutschland. Seine journalistischen Schwerpunkte sind US-Politik, extreme Rechte, Rassismus, Antisemitismus und radikale Linke.