den FreundInnen der „Direkten Demokratie“ gewidmet

von Jonathan C. Brehmer

 
Weithin überm ganzen Lande
War des Volkes Wut entbrannt.
Was es wollte und verlangte
Die Regierung hatt‘ verkannt.

Also gab‘s ein großes Drängen:
„Soll der kleine Bürger denn
Fortgestoßen von den Rängen
Elendig nun untergeh‘n?
Nein, wir wollen selbst entscheiden,
was in unserm Land passiert!“
Und so wurde – Jubelfreuden –
Das Volksgericht schnell inszeniert.

Erst der Kanzler, wohl erhaben,
trat vors Massentribunal.
„Seht ihn an, was wir ihm gaben,
drehte er uns nach der Wahl!
Kaum im Amte war begraben
Guter Vorsatz und Moral!
Los wir woll’n ihn hängen sehn!“ –
Und schon war’s um ihn gescheh’n.

Der Geschäftsmann, reich und fleißig,
kam vor die Enterbten nun.
„Ach ein Banker, fett und geizig,
ohne was fürs Geld zu tun!
Lebt von Zinsen wie die Heuschreck,
andre schaffen, er kann ruh’n!
Los wir woll’n ihn hängen sehn!“ –
Und schon war’s um ihn gescheh’n.

Dann der Arme, schlecht gekleidet,
ging vor ehrlich‘ Bürger Rat.
„Soso, einer der viel leidet,
Sozialschmarotzer! Lebt vom Staat!
Ohne Arbeit, die er meidet,
weil er Steuergelder hat!
Los wir woll’n ihn hängen sehn!“ –
Und schon war’s um ihn gescheh’n.

Zuletzt der Türke musste traben
Zum Landesbürger Kabinett.
„Deutsches Blut kann er nicht haben,
doch wie’s im Korane steht,
unsre Heimat untergraben
will der Moslem im Gebet!
Los wir woll’n ihn hängen sehn!“ –
Und schon war’s um ihn gescheh’n.

Und gleich nach vollbrachter Tat
Sprach ein guter Bürger dann:
„Ausgemerzt hat dieser Rat,
was dem Reinen widerstand.
Schlagt dem Körper alle Glieder,
die erkrankt sind, endlich ab!
Dass geheilet von dem Fieber
Ehre wieder Anseh’n hat.

Ist gesundet unser Staat
Von des Teufels Brut und Saat,
kann es anders nicht gescheh’n,
als dass wir zusammen geh’n.
Ehrlichkeit und Fleiß und Treue
Schaffen Hand in Hand das Neue.
Denn, was früher uns entzweit,
hat gelöst der Volksentscheid!“

Und so war des Volkes Wille
Mit Gewalt nun durchgesetzt.
Ringsherum legte sich Stille
Eiskalt wie das Totenbett.

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