Rache statt Verbrüderungskitsch

Eine kritische Analyse der deutschen Erinnerungskultur

Rezension zu Max Czollek: „Versöhnungstheater“

von Lara Wenzel

(zuerst erschienen in TdZ am 27.4.2023)

Mit dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine vor einem Jahr brach in Deutschland eine „Zeitenwende“ an, wie Bundeskanzler Olaf Scholz verkündete. „[N]ach knapp achtzig Jahren der Zurückhaltung hat Deutschland heute eine neue Rolle im internationalen Koordinatensystem.“, betonte auch SPD-Bundesvorsitzender Lars Klingbeil. Jenseits der Frage, ob Waffenlieferungen in die Ukraine notwendig sind, bedient sich ihre Begründung einer „Schlussstrich-Rhetorik“. Nachdem Deutschland die letzten Jahrzehnte die Füße stillhielt und die Überlebenden des zweiten Weltkriegs und der Shoa schwanden, denkt man sich nun, man könnte ja wieder… Mit der Zeitenwende-Rede von Scholz sei eine neue Stufe der deutschen Erinnerungskultur erreicht, meint Max Czollek. Das „Versöhnungstheater“ bestimmt nun das Gedenken an die Verbrechen des Nationalsozialismus und die Rolle, die die weiße, christliche Mehrheitsgesellschaft Juden und Jüdinnen darin zu weist. Debora Antmann prägte für dieses oft aufgerufene „Wir“ das Adjektiv wc-deutsch, [weiß-christlich-deutsch].

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Das Schutzbedürfnis der Machtkritik

Radio Dreyeckland: Staatsanwaltschaft blamiert sich vor Gericht

von Minh Schredle

(zuerst erschienen in Kontext: Wochenzeitung Ausgabe 634 am 24. Mai 2023)

Weil er in einem Artikel die Archivseite einer verbotenen Vereinigung verlinkte, hat die Staatsanwaltschaft Karlsruhe einen Redakteur von „Radio Dreyeckland“ angeklagt. Das Landgericht Karlsruhe nutzte die Gelegenheit für Nachhilfe in den Fächern Grundrechte und Denklogik.

Der freie Sender „Radio Dreyeckland“ (RDL) kann seit der Gründung 1977 auf ein paar seltsame Auseinandersetzungen mit der Staatsmacht zurückblicken, auch in der jungen Vergangenheit. Als ein freier Mitarbeiter, der zu diesem Zeitpunkt in der Nähe der französischen Stadt Dijon lebte, 2019 über den G7-Gipfel in Biarritz berichten wollte, hat ihn die Polizei eingesperrt und nach Kehl abgeschoben – weil sie ihn auf Basis eines falschen Hinweises der deutschen Kolleg:innen für einen „Gefährder“ hielten (später bekam der Betroffene wegen dieser rechtswidrigen Behandlung eine Entschädigung zugesprochen). Nur wenige Monate später, im September 2020, war der RDL-Redakteur und Fotojournalist Julian Rzepa auf einer „Querdenken“-Kundgebung, um Bilder zu machen. Dabei schlug eine Demonstrantin gegen seine Kamera und beschädigte das Objektiv. Rzepa zeigte das an, doch das Freiburger Amtsgericht stellte das Verfahren aus „Mangel an öffentlichem Interesse“ ein und der Journalist blieb auf den Anwaltskosten und einem kaputten Objektiv sitzen.

Der neuste Fall in dieser unrühmlichen Serie ist allerdings noch einmal eine ganz andere Hausnummer. Weiterlesen

„Die BDS-Bewegung fügt den palästinensischen Arbeitern den größten Schaden zu“

Unter der BDS-Kampagne, als deren prominentester Aktivist Roger Waters gilt, leiden nicht nur Jüdinnen*Juden, sondern auch viele Palästinenser*innen.

Von Thomas Tews

(zuerst erschienen am bei haGalil.com)

Durch die aktuelle Antisemitismusdebatte rund um Roger Waters, den ehemaligen Pink-Floyd-Bassisten und lautstarken Unterstützer der zu Boykott, Desinvestition und Sanktionen gegen den einzigen jüdischen Staat aufrufenden BDS-Kampagne, steht letztere wieder stärker im Fokus des öffentlichen Diskurses. Die jüdische Mehrheitsmeinung zu ihr fällt sehr eindeutig aus: Eine 2018 von der »Agentur der Europäischen Union für Grundrechte« durchgeführte Studie ergab, dass 82 Prozent der in der EU lebenden Jüdinnen*Juden die Unterstützung von Boykotten gegen Israel oder Israelis als antisemitisch empfinden – in Deutschland waren es sogar 84 Prozent. Wie begründet diese Meinung ist, zeigt eine im vergangenen November von der »Amcha Initiative«, die sich der Dokumentation und Bekämpfung von Antisemitismus an US-Hochschulen widmet, veröffentlichte Studie. Sie gelangt zu dem Ergebnis, dass an Hochschulen mit fünf oder mehr einen akademischen Israelboykott unterstützenden Lehrkräften die Wahrscheinlichkeit für Angriffe auf jüdische Identität fast viermal so hoch ist als an anderen Hochschulen. Da zudem der in Katar geborene BDS-Gründer Omar Barghouti offen zugibt, »definitiv, ganz definitiv gegen einen jüdischen Staat in irgendeinem Teil Palästinas« zu sein, kann an der antijüdischen Ausrichtung von BDS kaum ein ernsthafter Zweifel bestehen. Interessanter gestaltet sich die Frage, ob die 2005 ins Leben gerufene BDS-Kampagne tatsächlich so propalästinensisch, also im Interesse der Palästinenser*innen, agiert, wie sie vorgibt.

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Emanzipatorisches Subjekt – Klasse & Kritische Theorie

Podiumsdiskussion mit Julian Bierwirth und Lena Reichardt

auf der Zweiten Marxistischen Arbeitswoche

Montag, 29. Mai 2023, 19.30 – 20.45 Uhr, in Frankfurt/Main

In den letzten Jahren hat sich in den kritischen Gesellschaftstheorien eine zunehmende Rückbesinnung auf die Klasse bemerkbar gemacht. Im Mittelpunkt der Diskussion steht die Frage nach dem Subjekt gesellschaftlicher Veränderung und der Subjektivierung durch »Klasse«. Der Klassenbegriff ist einer von mehreren zentralen Begriffen kritischer Gesellschaftstheorie, welcher mit den Krisendynamiken der letzten Jahrzehnte auch in die öffentliche Diskussion zurückgekehrt ist. Es stellt sich also die Frage, wie sich eine kritische Gesellschaftstheorie angesichts der weltweit ausgetragenen Kämpfe gegen kapitalistische Ausbeutung heute positioniert und welches explanatorische Potential der Klasse dabei zukommt. In der Veranstaltung soll deswegen die Bedeutung der Klasse für eine kritische Gesellschaftstheorie diskutiert, und danach gefragt werden, inwiefern eine theoretische, wie praktische Rehabilitation der Klasse als emanzipatorisches Subjekt in heutigen Zeiten möglich erscheint.

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Moishe Postone und die Weiterführung der Kritischen Theorie

Workshop von Nikolaus Gietinger

auf der Zweiten Marxistischen Arbeitswoche

Sonntag, 28.Mai 2023, 11.00 bis 12.30 Uhr, Frankfurt/Main

Im Schatten des Aktivismus der 70er Jahre entstand in Frankfurt eine theoretische Tradition, die Marx‘ Werttheorie in den Fokus rückte. Einer dieser Theoretiker war Moishe Postone. Seine Lesart von Marx fokussierte sich auf die »abstrakte Herrschaft« der Arbeit im Kapitalismus und kritisierte den orthodoxen Marxismus dafür, den zentralen Widerspruch des Kapitalismus vor allem zwischen den Klassen zu sehen. Mit seiner originellen Lesart von Marx kritisierte Postone sowohl den traditionellen Marxismus als auch poststrukturalistische Theorieansätze. Zentral war, und damit blieb er der Frankfurter Schule treu, das Festhalten am Widerspruch der kapitalistischen Totalität, welcher über den Klassenwiderspruch hinausgeht. Laut Postone führe der Fokus auf den Klassenkampf zu einer Affirmation der Arbeit. Sein emanzipatorischer Anspruch zielt jedoch auf die Abschaffung der Arbeit.

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Audio: Die ökologische Krise: Wie radikal ist realistisch?

Vortrag von Bernd Ulrich

Stellvertretender Chefredakteur der Wochenzeitung Die Zeit

gehalten am 23. März 2023 in Stuttgart            

In den achtziger Jahren stand die damalige ökologische Avantgarde in den westlichen Gesellschaften vor einem gravierenden demokratischen Problem: Wie kann man die Menschen davon überzeugen, jetzt ihr Verhalten zu ändern wegen Problemen, die erst in dreißig Jahren auftreten? Letztlich haben die Ökologen von damals dieses Problem nicht lösen können. Zwar haben sie viel Umdenken bewirkt, doch ging zugleich die Schere zwischen ökologisch Gebotenem und ökologischem Tun immer weiter auseinander. Nun aber sind diese dreißig Jahre vorbei, der Klimawandel hat eingesetzt, die Meere befinden sich in einem äußerst kritischen Zustand, das Artensterben galoppiert. Der Menschheit wird hier und heute der ökologische Kragen eng, sie hat zu lange zu wenig getan und muss sich jetzt sputen, wenn die Erde, wie wir sie kennen, noch leidlich gerettet werden soll.

Die Normalität, die diese Krise vorantreibt, ist weitgehend ungebrochen. Doch alle Versuche, sich diesem „Extremismus der Normalität“ durch eine „realistische Radikalität“ entgegenzustellen, können – bislang – einigermaßen erfolgreich als radikal im Sinne von extremistisch, randständig oder gar undemokratisch gebrandmarkt werden. Warum ist das so und wird das so bleiben? Der Journalist Bernd Ulrich plädiert in dieser Diskussion für ein „neues Rendezvous mit der Wirklichkeit“ und eine „besonnene Radikalität aus der Sache heraus.“

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Autobahn und Recht und Freiheit

Conrad Kunze hat eine Kulturgeschichte des deutschen Automobilismus verfasst

von Lara Wenzel

(zuerst erschienen in Neues Deutschland)

Auf der menschenleeren Autobahn dahinheizen, ohne Tempolimit, ohne Hindernis, das ist die libertäre Freiheitsfantasie, die viele Pkw-Fans verteidigen. Mit gedrosselter Geschwindigkeit durch die deutsche Landschaft fahren? Das wäre wie Sex mit Kondom. Da spürt man ja gar nichts. Eine Beschränkung der Geschwindigkeit auf 130 km/h könnte 1,9 Millionen Tonnen CO2 jährlich einsparen, errechnete das Bundesumweltamt, und Unfälle reduzieren. Doch das greift die individuelle Freiheit der fossilen Maskulinisten und ihre faschistisch geprägte Männlichkeit an, erläutert Conrad Kunze in seinem Buch »Deutschland als Autobahn. Eine Kulturgeschichte von Männlichkeit, Moderne und Nationalismus«.

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Sticker: Antifa heisst Solidarität mit Israel!

Warum das so ist, steht HIER

Unsere Sticker sind unter der Creative Commons Attribution-NonCommercial 4.0 International Public License frei verfügbar, um sie z.B. selbst in den Druck zu geben. Siehe hier.

Sticker bestellen: Senden Sie dafür bitte eine Mail an bestellungen[at]emanzipationundfrieden.de

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Mehr Bock auf weniger Arbeit

Die IG Metall geht mit der Forderung nach der Viertagewoche in die Offensive

von Lothar Galow-Bergemann

(leicht gekürzt erschienen am 27. April 2023 in Jungle World #17/2023)

Kämpfe um radikale Arbeitszeitverkürzung müssen endlich mit solchen um Klimaschutz und um Vergesellschaftung zentraler Ressourcen verbunden werden.

Kurz vor Ostern überraschte die Gewerkschaft IG Metall mit der Forderung nach Arbeitszeitverkürzung. Eine Viertagewoche mit 32 Wochenstunden bei vollem Lohnausgleich – mit dieser Forderung will die Gewerkschaft in die Ende 2023 anstehende Tarifrunde in der nordwestdeutschen Stahlindustrie gehen. Ihr Vorsitzender Jörg Hofman erwartet gar eine gesamtgesellschaftliche Wirkung: Die Stahlindustrie sei schon oft Vorreiter für fortschrittliche Regelungen gewesen. Insofern habe diese Forderung eine „grundsätzliche Ausstrahlung über die Stahlbranche hinaus“.

Mit Recht verweist die IG Metall auf die intensiver werdende Debatte über Arbeitszeitverkürzungen. Laut einer Forsa-Umfrage aus dem vergangenen Jahr wünschen sich 70 Prozent der Beschäftigten in Deutschland eine Viertagewoche.

Die Ankündigung der Gewerkschaft kommt zur richtigen Zeit, sie setzt einen Kontrapunkt zu den belehrenden und anmaßenden Tönen von Politikern und Arbeitgebern. Erst im Februar ermahnte Andrea Nahles, ehemalige SPD-Vorsitzende und heutige Vorstandsvorsitzende der Bundesagentur für Arbeit, junge Menschen mit erhobenem Zeigefinger: „Arbeiten ist kein Ponyhof.“ Und Steffen Kampeter, Hauptgeschäftsführer der Bundesvereinigung der Arbeitgeberverbände, forderte längere Arbeitszeiten und „mehr Bock auf Arbeit“. Arrogante Ansprüche, die meilenweit entfernt sind von dem, was immer mehr Menschen bewegt, die aus guten Gründen eben keinen Bock haben.

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„Alles wird besser“ Wirklich?

Eine Auseinandersetzung mit liberalen Fortschrittserzählungen anhand des einflußreichen Buches „Factfullness“ von Hans Rosling

Von Julian Bierwirth

(zuerst erschienen bei Disposable Times unter dem Titel Faktencheck: Hans Rosling)

„Don’t worry about a thing,
Cause every little thing gonna be all right.
Singin‘: Don’t worry about a thing,
Cause every little thing gonna be all right!“
(Bob Marley)

Faktencheck mit Hans Rosling

Hans Roslings Factfulness ist ein Buch mit einer Botschaft: die Bedingungen in der kapitalistischen Spätmoderne werden besser und besser. Zwar haben viele Menschen noch abstruse Ideen über schier unüberwindbare gesellschaftliche Hierarchien im Kopf und glauben, globalen Trends gegenüberzustehen, die zielsicher dafür sorgen, dass die Dinge immer schlimmer werden. Tatsächlich spielen beide Vorstellungen ja durchaus eine große Rolle, nicht zuletzt aus der Perspektive von kapitalismuskritischen Krisentheoretiker*innen. Gefragt, ob die Dinge in der Welt a) immer besser, b) immer schlechter oder c) gleichbleibend gut oder schlecht seien, antworten sie zielsicher mit b) – immer schlechter.

Das, so versichert und Hans Rosling, sei aber ein Trugschluss. Sicher gebe es Dinge, die sich verschlechterten. Aber in the long run, im Großen und Ganzen, entwickele sich die Sache doch in die richtige Richtung. Mit einem Satz: dass Versprechen des Liberalismus wirkt! Weiterlesen

»Meister Röckle«: Der Teufel, beim Namen genannt

Das Theater Magdeburg bringt ein Märchen nach Karl Marx auf die Bühne

von Lara Wenzel

(zuerst erschienen in Neues Deutschland)

Geschichtenerzählen und -spielen stand in der Familie Marx hoch im Kurs. Die gesammelten Werke Shakespeares waren ihre Hausbibel, aus der sie lange Passagen rezitierten, und zwei Töchter träumten von einem Leben auf der Bühne. Inspiration bot auch ihr Vater, ein fantastischer Märchenerfinder. In den Stunden, die Karl nicht in der Bibliothek des britischen Museums verbrachte, erzählte er Jenny und Laura Marx von Hans Röckle. Der Spielzeugmacher paktierte mit dem Teufel, um die wunderbarsten Dinge zu schaffen. Erst zaubert er Hula-Hoop-Reifen, dann Maschinen zur Arbeitserleichterung. In der Neuerzählung verwandelt sich die Kindergeschichte »Meister Röckle« in ein Schauermärchen, das die Jahrhunderte von der industriellen Revolution zum Green New Deal durchschreitet. Von den Theatermacher*innen les dramaturx verfasst, wurde sie am vergangenen Samstag für ein Publikum ab 15 Jahren auf die Bühne des Theaters Magdeburg gebracht.

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»Dies bleibt sein unsterbliches Verdienst«

Wie ein Breslauer Jude vor 175 Jahren in der 48er-Revolution für die Demokratie kämpfte und vor 160 Jahren die spätere SPD gründete.

Von Thomas Tews

(zuerst erschienen am April 2023 – 29 Nisan 5783 bei haGalil.com)

Ferdinand Lassalle kam am 13. April 1825 als Spross einer jüdischen Breslauer Bürgerfamilie zur Welt. Sein Großvater Feitel Braun war ein Anhänger des jüdischen Philosophen der Aufklärung Moses Mendelssohn und sein Vater Chaijm Wolfsohn aus Loslau, später Heymann Lasal, sollte ursprünglich Rabbiner werden, entschied sich aber für eine Tätigkeit als Seidenhändler und heiratete Rosalie Herzfeld, Lassalles Mutter. Im Alter von 14 Jahren zog Lassalle von Breslau nach Leipzig, um eine dortige Handelsschule zu besuchen. Dort notierte er nach einem jüdischen Begräbnis am 2. Februar 1840 in seinem Tagebuch: »Ich könnte … mein Leben wagen, um die Juden aus ihrer jetzigen drückenden Lage zu befreien.« Als Lasalle im Mai 1840 erfuhr, dass der Gouverneur von Damaskus, Scherif Pascha, aufgrund falscher, von katholischen Mönchen in Umlauf gebrachter Ritualmordbeschuldigungen – mit Unterstützung des Konsuls der »Schutzmacht« Frankreich – zahlreiche jüdische Menschen, unter ihnen 60 Kinder, eingesperrt hatte, um sie durch Aushungerung und Folterung zu falschen Aussagen oder Geständnissen zu zwingen, schrieb er erschüttert in sein Tagebuch: »Abends brachte mir der Bruder von Madame Direktor den Bericht über die Juden von Damaskus. O, es ist schrecklich zu lesen, schrecklich zu hören, ohne dass die Haare starren und sich alle Gefühle des Herzens in Wut verwandeln.« Der erst 15-jährige Lassalle wünschte, dass die Ereignisse in Damaskus zu einem Fanal der Revolution würden: »Gab es je eine Revolution, die gerechter wäre, als die, wenn die Juden in jeder Stadt aufständen …?«

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Wie ich die Ostermärsche ernst nehmen könnte

Kurze Kritik und Vorschlag für ein Plakat

von Lothar Galow-Bergemann

Weltweit wächst ein alt-neuer Autoritarismus. Die Putins, Trumps, Erdogans, Orbans, Le Pens, Höckes und Co stützen sich auf Massen von Menschen, die rassistisch, sexistisch, nationalistisch, antisemitisch, homophob und transphob – kurz inhuman – auf die Krise reagieren.

Die globale autoritäre Welle erwächst aus der globalen kapitalistischen Krise. Sie macht sich in allen Ländern und Kontinenten breit. Die platte Rede vom guten Westen und dem bösen Rest der Welt verbietet sich. Aber dass man keine Angst haben muss, von einer Geheimpolizei in Folterkeller verschleppt oder von der Regierung vergiftet zu werden, ist von riesengroßem Wert für demokratische und emanzipatorische Bewegungen. Ohne demokratische Rechte und Freiheiten keine sozial-ökologische Transformation, kein Ausstieg aus dem Kapital-ismus.

Autoritäre hassen diese Freiheiten. Frech bezeichnen sie ihre Gegner als Faschisten und sich selbst als Antifaschisten. Man kennt es von der AfD. Auch das Putinregime spielt auf diesem Klavier. Dabei nimmt es zunehmend selbst faschistoide Züge an. Weiterlesen

Ökologische und soziale Frage zusammendenken! Und wie sieht die Zukunft der Arbeit aus? 

Podiumsdiskussion mit Lothar Galow-Bergemann (Gruppe Krisis), Johanna Schellhagen (labournetTV), Maximilian Wedekind (Aktivist der Letzten Generation) und N.N. (Sand im Getriebe) Moderation: Peter Nowak (Journalist), Anne Seeck (Teilhabe e.V.)

Donnerstag, 11. Mai 2023, 19.00 bis 21.00 Uhr, Berlin

Mehringhof, Versammlungsraum, Gneisenaustr.2a (U-Bhf. Mehringdamm)

Eine Veranstaltung von Teilhabe e.V.

  • Die Veranstaltung ist mittlerweile HIER nachzuhören
  • Die Antworten von Lothar Galow-Bergemann sind HIER nachzulesen

Die Erde steht vor dem Kollaps: Dürren, Waldbrände, Überflutungen bedrohen immer mehr Menschen. Der Klimawandel geht uns deshalb alle an. Aber die Energiekrise kann zu einem klimapolitischen Rollback führen. So wird der Kohleabbau fortgesetzt, wie die Räumung von Lützerath zeigt. Auch setzen Nachbarländer Deutschlands weiterhin auf Atomkraftwerke. Aber auch hierzulande wird offen eine mögliche Renaissance der Atomkraft beschworen. Während viele Arme am meisten vom Klimawandel betroffen sind und global schon klimaneutral leben, richten die Reichen die größten Klimaschäden an. Offensichtlich darf die Ressourcenverschwendung so nicht weitergehen. Und doch herrschen bei vielen Menschen Blockaden und Ängste in Bezug auf einen ökologischen Wandel vor. Es bilden sich politische Lager, zumal ökologische Themen immer mit der sozialen Frage verwoben sind.

In der Podiumsdiskussion diskutieren wir in folgenden Blöcken:

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Lieber que(e)rbeet als vom Winde verweht

Zu den aktuellen Debatten um »Identität« hat die jüdischstämmige Schweizer Queeraktivistin Anna Rosenwasser mit ihrem gerade erschienenen »Rosa Buch« einen klugen Beitrag in Form eines starken Plädoyers für die Freiheit, »sich voneinander unterscheiden zu dürfen«, vorgelegt.

Von Thomas Tews

(zuerst erschienen am 29. März 2023 – 7 Nisan 5783 bei haGalil.com)

Die (Noch-)Linksparteipolitikerin Sahra Wagenknecht nennt in ihrem Buch »Die Selbstgerechten« als Beleg für ihre Charakterisierung der »Lifestyle-Linken« – ihrem Feindbild, an dem sie sich abarbeitet – als »Bilderstürmer« die Forderung, den Film »Vom Winde verweht«, der ob seiner stereotypen Darstellung Schwarzer Frauen – etwa als »fürsorglich tapsige Slaven-Nanny«, wie es der Publizist und Medienpädagoge Herbert Heinzelmann ausdrückte – in die Kritik geraten ist, nicht mehr zu zeigen. Laut Wagenknecht laufe die »Identitätspolitik« der »Lifestyle-Linken« letztlich »darauf hinaus, das Augenmerk auf immer kleinere und immer skurrilere Minderheiten zu richten, die ihre Identität jeweils in irgendeiner Marotte finden, durch die sie sich von der Mehrheitsgesellschaft unterscheiden und aus der sie den Anspruch ableiten, ein Opfer zu sein«. Als Beispiel für individuelle Merkmale, die geeignet seien, »um zur anerkannten Opfergruppe zu werden«, nennt Wagenknecht die »sexuelle Orientierung«. An anderer Stelle schreibt sie, dass sich die »Lifestyle-Linken« für »sexuelle Minderheiten« einsetzten.

Diesen Lifestylevorwurf weist die sich selbst als »LGBTQ-Aktivistin« bzw. »aktivistische Bisexuelle« bezeichnende Schweizer Journalistin und Politikwissenschaftlerin Anna Rosenwasser in ihrer am 22. Februar 2023 im Züricher Rotpunktverlag erschienenen Anthologie »Rosa Buch. Queere Texte von Herzen«, die zwischen November 2018 und März 2022 entstandene kolumnenartige Texte von ihr versammelt, entschieden zurück: Weiterlesen

Kapitalismus, Arbeit und Antisemitismus

Vortrag und Diskussion mit Lothar Galow-Bergemann

Dienstag, 18. April 2023, 18.30 Uhr, Halle (Saale)

Hochschullernwerkstatt Erziehungswissenschaften der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, Haus 31, Franckeplatz 1, 06110 Halle (Saale)

Ein Vortrag im Rahmen der Veranstaltungsreihe „Cash Rules Everything Around Me“ der GEW-Hochschulgruppe an der MLU

Lebenslänglich arbeiten-müssen-um-Geld-zu-verdienen-damit-wir-leben-können ist das höchste Gesetz der bürgerlichen Gesellschaft. Wer das für „natürlich“ hält, kann sich nicht vorstellen, dass daraus gesellschaftliche Krisen erwachsen. Näherliegender erscheint das Wirken dunkler Mächte. Krise und Verschwörungsglaube sind Geschwister. Das Gefühl, „die Gierigen“ bedrohten „uns ehrlich Arbeitende“, entlädt sich schlimmstenfalls im antisemitischen Vernichtungswahn. Die Nazis setzten „die Gierigen“ mit „den Juden“ gleich. Doch auch wer das nicht tut, kann sich in einer gefährlichen Nähe zum Antisemitismus befinden, ohne sich darüber im Klaren zu sein.

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Das Elend der Arbeit

Wie das Prinzip Gelderwerb Menschen erniedrigt, Natur zerstört und Autoritarismus befeuert

Vortrag und Diskussion mit Lothar Galow-Bergemann

Montag, 8. Mai 2023, 19.00 Uhr Karlsruhe

Cafe Noir, Schauenburgstr. 5, 76135 Karlsruhe

Eine Veranstaltung von Beat The System | Solidarität statt Konkurrenz im Rahmen der Veranstaltungsreihe Für das Ende der Lohnabeit

Dass wir Arbeiten-müssen-um-Geld-zu-verdienen-damit-wir-leben-können ist das ungeschriebene, aber höchste Gesetz unserer Gesellschaft. Arbeit sei so etwas wie Natur, lautet der allgemeine Konsens. Doch wir arbeiten viel zu viel Unnützes und wir tun viel zu wenig Sinnvolles.

Arbeit und nützliches/sinnvolles/lustvolles Tätigsein sind zwei Paar Stiefel. Unser Lebensunterhalt hängt von einer Megamaschine ab, die wir bedienen müssen und deren Zweck es ist, aus Geld immer mehr Geld zu machen. Unendliches Wachstum, maximaler Profit und steigende Aktienkurse bedeuten ihr alles, das Leben künftiger Generationen nichts. Wo wir hinschauen ist Krise: Die Erde erwärmt sich unaufhörlich, die Ozeane werden vermüllt. Hunger und Armut wachsen, selbst in den reicheren Weltregionen. Pandemien häufen sich. Kriege und Kriegsgefahr werden immer bedrohlicher. Noch nie waren so viele Menschen auf der Flucht.

Es liegt auf der Hand, dass es so nicht mehr weitergehen kann. Doch viele klammern sich an das, was keine Perspektive mehr hat. In ihren Köpfen spuken Verschwörungsphantasien: „Man will mir meine Arbeit und mein Auto nehmen“, „Mir wird verboten, zu sagen, was ich denke“. Hass und Hetze gegen Klimaaktivist*innen und „Woke“ wirken bis in die „Mitte der Gesellschaft“. Ein neu-alter Autoritarismus breitet sich aus. In ihm gärt rohe Gewalt.

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Audio: Was ist Kapital-ismus und warum müssen wir da raus?

Eine kurze Kritik der Megamaschine, mit der wir auf die Wand zurasen (9min)

Von Lothar Galow-Bergemann

Ausschnitt aus einem Statement, gehalten auf einer Diskussionsveranstaltung der Volkshochschule Bielefeld

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Extrem sind immer die anderen

Über Haftstrafen nach Klimaprotesten und den Ungehorsam der Bundesregierung

von Minh Schredle

(zuerst erschienen in Kontext: Wochenzeitung Ausgabe 624 am 15. März 2023)

Das Amtsgericht Heilbronn verhängt Haftstrafen fürs Festkleben auf einer Straße, keine Bewährung. Die anhaltende Hetze gegen die Letzte Generation dürfte ein Klima begünstigen, das härteste Strafen als geboten erscheinen lässt.

Wer sich der Umwelt zuliebe an Blockade-Aktionen beteiligt, sollte aufpassen, nicht vor dem Amtsgericht Heilbronn zu landen. Dort verhängte Richterin Julia Schmitt am 6. März erstmals Haftstrafen wegen einer Aktion der Letzten Generation. Genau einen Monat zuvor hatten fünf Aktivist:innen eine Straße in Heilbronn für zwei Stunden blockiert, zwei der Beschuldigten klebten sich dabei fest – und sollen nun für zwei beziehungsweise drei Monate hinter Gitter. Ohne Bewährung. Ihr Kollege Michael Reißer, am Gericht zuständig für die Pressearbeit, kommentiert dazu in der „Bild“-Zeitung: „Die jüngeren Angeklagten hatten schon mehrfach Straßen blockiert. Zudem wollten sie es wieder tun. Deshalb hielt die Richterin eine Haftstrafe für angemessen.“

Harte Strafen gegen Umwelt-Aktivist:innen verhängt das Amtsgericht Heilbronn nicht zum ersten Mal. Ein Skandal war der Umgang mit der rheumakranken Rollstuhlfahrerin Cécile Lecomte. Weiterlesen