Was ist Antiimperialismus?

Anmerkungen zum Niedergang der Linken

(english translation)

Im Jahre 1910 erschien „Das Finanzkapital, Eine Studie zur jüngsten Entwicklung des Kapitalismus“ von Rudolf Hilferding. Der Verfasser war Mitglied der SPD und wurde 1923 und 1928/29 Reichsfinanzminister. Wladimir I. Lenin, der spätere Führer der russischen Oktoberrevolution, verfasste 1916 „Der Imperialismus als höchstes Stadium des Kapitalismus“. Der Text prägte den so genannten Marxismus-Leninismus, war eine wesentliche Grundlage sowjetischer Außenpolitik und dient mancher Antiimperialistin [1] bis heute als Basis ihrer politischen Anschauungen. Obwohl Lenin 1916 bereits scharf gegen Hilferdings Partei polemisierte, stützte er sich in seinem Buch doch inhaltlich auf ihn und stimmte über weite Strecken mit ihm überein. Damals begann die Verbreitung des antiimperialistischen Weltbilds in der ganzen Gesellschaft, von „links außen“ über „die Mitte“ bis „rechts außen“. Und wiewohl „linke“ Antiimps, staatstragende Bürger*nnen und Nazis  ihre jeweiligen politischen Standpunkte um Lichtjahre voneinander entfernt wähnen, teilen sie doch grundlegende antiimperialistische Gemeinsamkeiten.

Die Kapitalverwertung als vermeintliches Ränkespiel

Zwar ist es seit Beginn der Krise 2008 modern, etwas gegen den Kapitalismus zu haben, aber was da als Antikapitalismus firmiert, ist nicht mehr als das blanke Ressentiment gegen Kapitalisten. Das Wesen des Kapitals und seiner Verwertung bleibt völlig unverstanden. Man hält böse Strippenzieher und „Gierige“ für „die Schuldigen“, die die Krise mittels Manipulation verursachen. Sich selbst rechnet man dem Kollektiv der „Ehrlich Arbeitenden und Betrogenen“ zu. Die Arbeit hält man für eine gute, quasi natürliche Sache und für etwas völlig anderes als das Kapital, obwohl sie doch dessen Substanz ist. Im „Finanzkapital“ sieht man eine gänzlich andere, besonders bösartige Form von Kapital, die es „eigentlich“ gar nicht geben dürfte, obwohl doch Kapitalismus ohne Fiktives Kapital heute weniger denn je denkbar ist. Spekulant_innen hält man für die Ausgeburt der Hölle, obwohl doch die Warenproduktion vereinzelter Produzenten für den Markt – sprich: der Kapitalismus – bereits der Sache nach spekulativ ist. „Böses Finanzkapital stranguliert Gute Arbeit“ – diese zwar absurde, aber dem Marktwirtschaftsinsassen leider sehr leicht eingängige Vorstellung liegt dem Weltbild des regressiven Antikapitalismus zugrunde. (ausführlicher siehe die Flugschrift: Was ist regressiver Antikapitalismus?) Dieses verschwörungstheoretische Denken, das nie begriffen hat, was Geld und Kapital wirklich ist, ist weniger weit vom antisemitischen Ressentiment entfernt, als seine Anhängerinnen glauben. Es gipfelt regelmäßig in der nur vermeintlich kritischen Frage: „Geld regiert die Welt und wer regiert das Geld?“ Jeder Antiimperialismus basiert auf dieser Pseudokritik. Seine zentrale Frage ist von gleich miserabler Qualität und lautet: „Wie beherrschen die Herrscher des Geldes die Welt?“

Lenins Imperialismustheorie

Bereits in Lenins theoretischem Denken sind Verkürzungen und fatale Fehleinschätzungen angelegt, die die linke Katastrophengeschichte des 20. Jahrhunderts wesentlich mitverursacht haben. Zwar spürt Lenin durchaus etwas von der Krise der Warenproduktion: „Der Kapitalismus ist so weit entwickelt, dass die Warenproduktion, obwohl sie nach wie vor ‚herrscht‘ und als Grundlage der gesamten Wirtschaft gilt, in Wirklichkeit bereits untergraben ist …“ schreibt er. Doch statt nun etwa an der Marx’schen Einsicht anzuknüpfen, dass die warenproduzierende Gesellschaft grundsätzlich krisenhaft ist, weil sie zwar von abstrakter Arbeit lebt, diese aber selbst immer überflüssiger machen muss, endet Lenin wie folgt: „… und die Hauptprofite den ‚Genies‘ der Finanzmachenschaften zufallen. Diesen Machenschaften und Schwindeleien liegt die Vergesellschaftung der Produktion zugrunde, aber der gewaltige Fortschritt der Menschheit, die sich bis zu dieser Vergesellschaftung emporgearbeitet hat, kommt den – Spekulanten zugute.“ (LW 22, 211)
Lenins Interesse gilt nicht den Widersprüchen der Warenproduktion, sondern den Manövern der Spekulanten. Folgerichtig konstruiert er ein irgendwie „anderes“ Kapital: das „Finanzkapital“. Auch Hilferding hatte bereits geschrieben: „Das Finanzkapital … vollendet die Diktatur der Kapitalmagnaten. Zugleich macht es … die Herrschaft des Kapitals innerhalb des Landes immer unvereinbarer mit den Interessen der durch das Finanzkapital ausgebeuteten, aber auch zum Kampf aufgerufenen Volksmassen.“ (a.a.O., 517f) Lenin macht aus zwei Arten von Kapitalisten (industrielle und Geldkapitalisten) zwei Arten von Kapital: „… die Trennung des Geldkapitals vom industriellen oder produktiven Kapital … ist dem Kapitalismus überhaupt eigen. Der Imperialismus oder die Herrschaft des Finanzkapitals ist jene höchste Stufe des Kapitalismus, wo diese Trennung gewaltige Ausdehnung erreicht.“ (a.a.O. 242) Was bereits für das regressiv-antikapitalistische Weltbild charakteristisch ist, prägt auch das auf ihm basierende antiimperialistische: Die Trennung zwischen einem vermeintlichen „Produktiv-“ und einem vermeintlichen „Finanz“kapital.
In engem Zusammenhang mit Lenins Definition des Imperialismus als der „Herrschaft des Finanzkapitals“ steht sein positiver Bezug auf die „nationale Frage“. Er spricht von der „imperialistische[n] Unterdrückung und Ausbeutung der meisten Nationen und Länder der Welt für den kapitalistischen Parasitismus einiger reicher Staaten“ (a.a.O., 246) und davon, dass „…die nationale Frage sowohl an sich wie auch in ihrem Verhältnis zum Imperialismus von höchster Wichtigkeit …“ sei. (a.a.O., 272) Es dauerte nicht mehr lange, bis die Kommunistische Internationale ihr Herz für „die vom Imperialismus unterdrückten Völker“ entdeckte, deren Führer sie zu Helden des „antiimperialistischen Befreiungskampfs“ erkor.
Jeder Antiimperialismus bezieht sich positiv auf das Zwangskollektiv „Volk“. Möglich ist ihm das, weil er sich zwei Unterschiede einbildet, die es nicht wirklich gibt: Den zwischen einem „normalen“ und einem „besonders schlechten“ Kapital und den zwischen vielen „guten“ und einigen „schlechten“ Nationen. „Schlechte“ Nationen sind diejenigen, in denen die vermeintlichen „Beherrschenden“ des „besonders schlechten Kapitals“ zuhause sind. Diese „Herrschenden“ sind „die Imperialisten“ und an allem Übel der Welt schuld.

Der regressive Antikapitalismus der internationalen Politik

Das antiimperialistische Weltbild siedelt nicht nur an den so genannten „extremen Rändern“ der Gesellschaft. Auch die „Mitte“ denkt antiimperialistisch. Folgende Zitate zur imaginierten „Bedrohung durch (ausländisches) Finanzkapital“ stammen aus sehr verschiedenen politischen Lagern und verdeutlichen gerade deswegen, wie stark diese Denkmuster verwurzelt sind, wenn auch in unterschiedlicher Intensität und Ausprägung:

  • „Das Übergewicht des Finanzkapitals über alle Formen des Kapitals … bedeutet die Aussonderung weniger Staaten, die finanzielle ‚Macht‘ besitzen.“
  • „Der Kampf gegen das internationale Finanz- und Leihkapital ist zum wichtigsten Programmpunkt des Kampfes der deutschen Nation um ihre wirtschaftliche Unabhängigkeit und Freiheit geworden.”
  • „Die Deutsche Bank ist keine deutsche Bank mehr… Es ist nicht gut, dass deutsche Weltfirmen hinsichtlich der Finanzierung von großen Vorhaben und Investitionen von ausländischen Finanzinstituten abhängen.“

Das erste Zitat stammt von Wladimir I. Lenin (a.a.O., 242), das zweite von Adolf Hitler (Mein Kampf, 233) und das dritte von der deutschen Heiligenfigur Helmut Schmidt (Die Zeit 15.7.2011).
Überzeugungen, Verhaltensweisen und eine Politik, die auf diesem Denken basieren, dominieren große Teile der Gesellschaft. Grüne Bürgerinnen, friedensbewegte Christ*innen, „Heuschrecken“ bekämpfende Gewerkschafterinnen, „deutsche Interessen“ befördernde Politiker_innen aller Parteien und die vermeintlich „extremen Ränder der Gesellschaft“ finden deswegen auch  immer wieder zusammen, wenn es um imaginierte äußere Bedrohung geht. Das beste Beispiel dafür ist die periodisch immer wieder zum Leben erwachende so genannte „Friedensbewegung“.

Wir Guten fassen uns alle an der Hand …

Besonders gerne verstehen sich Antiimperialistinnen als Friedensfreundinnen. Auffällig ist, dass sie für „den Frieden“ – oder jedenfalls für ihre Vorstellung davon – regelmäßig nur dann kämpfen, wenn es gegen die USA, Israel oder den Westen geht. Können sie denen beim besten Willen nichts anhängen, lassen sie Kriege und Militäraktionen auf der ganzen Welt verdächtig kalt. Wie ressentimentgeladen dieses Weltbild ist, lässt sich anhand der Losung „Kein Blut für Öl“ zeigen. Als die USA 2003 den Irakkrieg begannen, demonstrierten hunderttausende unter diesem Motto. Es erwies sich als fähig, staatstragende Bürger*innen zusammen mit linken Antiimps, Islamisten und Nazis in Scharen auf die Straßen zu treiben. Vom positiven Bezug auf „das Blut“ wollen wir hier einmal schweigen. Reden wir über die andere Flüssigkeit. Dass das Saddam-Hussein-Regime Öl an den Westen verkaufte und unter Umgehung von Embargobestimmungen liebend gerne noch viel mehr geliefert hätte, es folglich keinen Krieg brauchte, damit die USA an irakisches Öl kamen, blendeten alle miteinander aus. Auch, dass die Hälfte des weltweit geförderten Öls zur Aufrechterhaltung des Verkehrs dient, ein „Krieg für Öl“ folglich auch dafür geführt worden wäre, dass deutsche Friedensfreundinnen jederzeit volltanken können, musste natürlich abgewehrt werden. Ein Aufruf zum Tankstellenboykott, zehntausendfach auf Friedensdemos verteilt, blieb erwartungsgemäß ohne Resonanz. Er passte nicht ins Bild von „uns Guten“ und „den Bösen“. Auch stellt sich nach dem Irakkrieg – gegen den man aus anderen Gründen durchaus etwas haben konnte – keine der vermeintlichen Friedensfreund_innen die Frage, wo denn nun eigentlich die US-Tankerflotten geblieben sind, die „dem irakischen Volk“ sein Öl raubten. Keine fragt, warum ausgerechnet chinesische Konzerne den großen Deal machten, als die neue irakische Regierung Lizenzen für die Erdölindustrie vergab. (Siehe z.B. China plant milliardenschweren Öl-Deal im Irak, Spiegel online, 30.12.2012) Obwohl Kapitalismus also anders funktioniert, als sich Antiimperialisten das vorstellen, kramte eine angebliche Friedensbewegung im Jahre 2011 erneut die Parole „Kein Krieg für Öl“ hervor. Dass jedoch auch das libysche Gaddafi-Regime einen Großteil seines Reichtums aus dem Ölverkauf an den Westen bezog, dieser folglich auch diesmal deswegen keinen Krieg nötig hatte, durfte einfach nicht wahr sein.

… und stehen an der Seite der menschenfeindlichsten Regimes

Die Parteinahme von Antiimperialistinnen für Schlächter wie Saddam Hussein im Irak, Gaddafi in Libyen und Assad in Syrien sind keine Betriebsunfälle , sondern nur konsequent. In Wort und Tat unterstützen vermeintliche Friedensfreund_innen die schlimmsten Terrorregime der Welt. Ihre ideologische Nähe zu diesen manifestieren sie immer wieder mit Aktionen und Aufrufen wie z.B. „Kriegsvorbereitungen stoppen! Embargos beenden! Solidarität mit den Völkern Irans und Syriens!“ . Darin wird den Regimes in Syrien und Iran anerkennend attestiert, sie verfolgten „eine eigenständige Politik“ und wollten sich „dem Diktat“ von USA und Nato nicht unterordnen, weswegen diese einen Krieg gegen die beiden Länder vorbereiteten und sie zusammen mit Israel „in einem Ausnahmezustand, der sie zermürben soll“ hielten. Das ist bis in die Wortwahl hinein die gleiche „Argumentation“, derer sich das iranische und das syrische Regime bedienen. Kein Wort über den Terror dieser Regimes nach innen wie außen, über ihre brutale Unterdrückung auch der eigenen aufbegehrenden Bevölkerung. Stattdessen der Appell: „Die Erhaltung des Friedens verlangt es, dass das Prinzip der Nichteinmischung in die inneren Angelegenheiten anderer Staaten konsequent eingehalten wird.“ Ein Satz, der von den Antiimperialisten Breschnew und Honecker abgeschrieben sein könnte, die seinerzeit ihr Reich genauso gegen Kritik verteidigten. Und der den Friedensfreundinnen, als Putin ganz offen mit seinen Truppen in Syrien intervenierte, urplötzlich ganz entfallen war. Denn ob Putin die Krim annektiert, hybride Kriegführung praktiziert, seine Truppen in Syrien einfliegt und das Land bombardiert – auf die so genannte „Friedensbewegung“ ist Verlass: sie verhält sich mucksmäuschenstill. Diese Bewegung, die sich in der Proklamation höchster moralischer Ansprüche von niemandem überbieten lässt, ist in Wirklichkeit schon lange moralisch völlig auf den Hund gekommen. Als sich im Sommer 2009 Millionen Menschen im Iran unter Einsatz ihres Lebens gegen das islamistische Terrorregime erhoben, herrschte bestenfalls Funkstille unter hiesigen „Friedensfreundinnen“. Viele unterstützen das reaktionäre iranische Regime sogar offen. Sie teilen ganz und gar nicht die Hoffnung großer Teile der iranischen Bevölkerung auf einen regime change. Selbstredend stehen sie dem iranischen Regime, das sein Streben nach Atomwaffen nie aufgegeben hat, auch in dieser Frage bei, anstatt die antifaschistische Forderung „Keine Atomwaffen für Holocaustleugner!“ zu unterstützen. Mehr dazu in der Flugschrift Iran-Unterlassene Hilfeleistung – Ressentiment und Eiertänze. Das Trauerspiel der friedensbewegten Linken.
Ein dermaßen ressentimentgeladenes Weltbild ist natürlich nicht in der Lage, den offenen Antisemitismus des iranischen Regimes und anderer dschihadistischer Mordbanden wie IS, Al Quaida & Co zur Kenntnis zu nehmen. Im Gegenteil: So wie die Dschihadisten auch glauben antiimperialistische Friedensfreund*innen, dass „eine unbedeutende Minderheit einen wichtigen Teil der finanziellen Zentren sowie der politischen Entscheidungszentren einiger europäischer Länder und der USA in einer tückischen, komplexen und verstohlenen Art und Weise beherrscht“. Diese Sichtweise entspricht vollkommen ihrem regressiv-antikapitalistischen Weltbild (siehe Was ist regressiver Antikapitalismus?). Dass es sich hierbei um ein wörtliches Zitat des ehemaligen iranischen Präsidenten Ahmadinedschad ( UN-Vollversammlung, 24.09.2008) handelt und er damit „die Zionisten“, sprich die Juden meinte – der Antiimperialistin wird das ein Schulterzucken entlocken. Bestenfalls wird sie zu Protokoll geben, sie habe doch „gar nichts gegen Juden“ und damit nicht nur ihr völliges Unverständnis, sondern auch ihre erschreckende Nähe zum antisemitischen Weltbild dokumentieren (siehe Was ist Antisemitismus?).

Feindbilder: USA, Westen, Israel

Mit dieser Blindheit korrespondiert auch eine sehr verengte Wahrnehmung der USA in der Weltpolitik. Zielsicher ersetzt der Hinweis auf amerikanische Menschenrechtsverletzungen und Unterstützung brutaler Diktaturen jede Analyse und dient als Bestätigung für die inbrünstig gehegte Vorstellung, das Zentrum des Bösen habe seinen Sitz in Washington. Dass die USA aber auch eine bürgerliche Demokratie sind, die – wenn auch nur halbherzig, selektiv und doppelzüngig – gewisse Dämme gegen den antisemitischen Wahn setzte und setzt, diese Einsicht ist antiamerikanischem Ressentiment unzugänglich. Mehr dazu in der Flugschrift: Was ist Antiamerikanismus? Dabei müssen sich gerade Antiimperialist_innen sagen lassen, dass die USA und der Westen wenigstens hin und wieder mal einen Diktator fallen lassen, während sie selbst auch noch den blutrünstigsten Schlächter bis ans Ende aller Tage verteidigen – Hauptsache, er ist ein Gegner des Westens.
Antiwestliches Ressentiment ist prägender Bestandteil des antiimperialistischen Weltbildes. Ja, traditionelle Antiimperialist*innen wandeln sich in ihrer demonstrativen Putinophilie sogar immer mehr zu Proimperialist*innen. Zu Anhänger*innen des russischen Imperialismus nämlich.                                                                                      Und so wie Islamisten ernsthaft glauben, wer in den USA Filme produziere, dürfe diese nur mit staatlicher Erlaubnis auf youtube stellen oder wie braundeutsche Dumpfbacken „Lügenpresse“ skandieren, phantasieren sich Antiimperialistinnen eine Art „Politbüro“ des Kapitalismus zusammen, das „die Medien im Sinne des Kapitals manipuliert“. Wie Nazis und Dschihadisten auch projizieren sie ihr eigenes reaktionäres Verständnis von Politik und Gesellschaft auf den verhassten Westen. Antiimperialismus affirmiert Zwangskollektive wie Klasse, Staat, Volk und Nation, huldigt in Theorie wie Praxis dem Kollektivismus und schätzt das Individuum und seine Freiheit gering. Oft steigert er sich zu regelrechtem Hass auf „Abweichlerinnen“ und Intellektuelle. In keiner Weise versteht er den Antisemitismus, jenes voll entfaltete regressiv-antikapitalistische Ressentiment, das im Vernichtungswahn gegen die vermeintlich Schuldigen kulminiert. Ja mehr noch: er ist manchmal überhaupt nicht, in jedem Fall aber nicht weit vom offenen Antisemitismus entfernt. Deswegen drehen Antiimperialist*innen auch vollends durch, wenn es um den jüdischen Staat geht. In irrer Vertauschung von Ursache und Wirkung wähnen sie nicht das iranische Regime, sondern Israel als Gefahr für den Weltfrieden. Mehr dazu in der Flugschrift Was ist Antizionismus?

Antiimperialismus ist nur eingebildeter Antikapitalismus

Kapitalismus ist menschenfeindlich. Der sich selbst verwertende Wert unterwirft Mensch und Natur seinem zerstörerischen Streben nach Maximalprofit und unendlichem Wachstum. Das Kapital untergräbt mit der Arbeit seine eigene Substanz und ist folglich gleichbedeutend mit Krise. Das ist in Brasilien, China, der Türkei, Nigeria, Indonesien, Angola oder Russland ganz genauso wie in den USA und in Westeuropa. Antiimperialistinnen haben das nicht verstanden. Komplementär zu ihrer Pseudokritik bieten sie Pseudoalternativen an. Während Marx und Engels einmal von einer „Assoziation, worin die freie Entwicklung eines jeden die Bedingung für die freie Entwicklung aller ist“ (MEW 4, 482) träumten, proklamierte der antiimperialistische Außenminister Boliviens David Choquehuanca im Juli 2012 eine „Zona libre de Coca-Cola“. Das sei das Ende des Kapitalismus und der Beginn einer „Kultur des gemeinschaftlichen Lebens“ (Spiegel Online, 27.07.2012). Die Regierung hatte Coca-Cola verboten und dafür ein nationales Colagetränk auf den Markt gebracht. Balsam für die Seele jeder Stuttgarter Antiimperialistin, die in tiefster Abscheu einen großen Bogen um das Globalisierungsmonster McDonalds macht, um sich anschließend in der Dönerbude mit den kämpfenden Völkern der Welt verbunden zu fühlen. Kritisches Denken verträgt sich nicht mit antiimperialistischem Ressentiment.

[1] Wir verwenden bewusst mehrere geschlechtliche Formen. Gemeint sind immer alle Geschlechter. Siehe dazu auch Gendern?

 

Siehe zum Thema auch die Flugschriften:

Das Leid der Palästinenser und das Elend ihrer vermeintlichen Freunde

Iran: Unterlassene Hilfeleistung Teil 1 Mangelnde Einsichten und was sonst noch an der Solidarität hindert

Iran: Unterlassene Hilfeleistung Teil 2 Ressentiment und Eiertänze, Das Trauerspiel der friedensbewegten Linken

Was ist regressiver Antikapitalismus? Anmerkungen zum Unterschied zwischen Kapitalisten – und Kapitalismuskritik

Was ist Antisemitismus? Anmerkungen zur Wahnwelt des vernichtungsorientierten Antikapitalismus

Was ist Antizionismus? Anmerkungen zum Hass auf den Juden unter den Staaten

Was ist Antiamerikanismus? Anmerkungen zur grassierenden Selbstgerechtigkeit

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Eine Flugschrift von Emanzipation und Frieden. Antikapitalismus 2.0
2. überarbeitete Auflage Dezember 2015

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Lesen Sie die Flugschrift hier im Layout: Was ist Antiimperialismus?

 

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