»Dies bleibt sein unsterbliches Verdienst«

Wie ein Breslauer Jude vor 175 Jahren in der 48er-Revolution für die Demokratie kämpfte und vor 160 Jahren die spätere SPD gründete.

Von Thomas Tews

(zuerst erschienen am April 2023 – 29 Nisan 5783 bei haGalil.com)

Ferdinand Lassalle kam am 13. April 1825 als Spross einer jüdischen Breslauer Bürgerfamilie zur Welt. Sein Großvater Feitel Braun war ein Anhänger des jüdischen Philosophen der Aufklärung Moses Mendelssohn und sein Vater Chaijm Wolfsohn aus Loslau, später Heymann Lasal, sollte ursprünglich Rabbiner werden, entschied sich aber für eine Tätigkeit als Seidenhändler und heiratete Rosalie Herzfeld, Lassalles Mutter. Im Alter von 14 Jahren zog Lassalle von Breslau nach Leipzig, um eine dortige Handelsschule zu besuchen. Dort notierte er nach einem jüdischen Begräbnis am 2. Februar 1840 in seinem Tagebuch: »Ich könnte … mein Leben wagen, um die Juden aus ihrer jetzigen drückenden Lage zu befreien.« Als Lasalle im Mai 1840 erfuhr, dass der Gouverneur von Damaskus, Scherif Pascha, aufgrund falscher, von katholischen Mönchen in Umlauf gebrachter Ritualmordbeschuldigungen – mit Unterstützung des Konsuls der »Schutzmacht« Frankreich – zahlreiche jüdische Menschen, unter ihnen 60 Kinder, eingesperrt hatte, um sie durch Aushungerung und Folterung zu falschen Aussagen oder Geständnissen zu zwingen, schrieb er erschüttert in sein Tagebuch: »Abends brachte mir der Bruder von Madame Direktor den Bericht über die Juden von Damaskus. O, es ist schrecklich zu lesen, schrecklich zu hören, ohne dass die Haare starren und sich alle Gefühle des Herzens in Wut verwandeln.« Der erst 15-jährige Lassalle wünschte, dass die Ereignisse in Damaskus zu einem Fanal der Revolution würden: »Gab es je eine Revolution, die gerechter wäre, als die, wenn die Juden in jeder Stadt aufständen …?«

Weiterlesen

Ökologische und soziale Frage zusammendenken! Und wie sieht die Zukunft der Arbeit aus? 

Podiumsdiskussion mit Lothar Galow-Bergemann (Gruppe Krisis), Johanna Schellhagen (labournetTV), Maximilian Wedekind (Aktivist der Letzten Generation) und N.N. (Sand im Getriebe) Moderation: Peter Nowak (Journalist), Anne Seeck (Teilhabe e.V.)

Donnerstag, 11. Mai 2023, 19.00 bis 21.00 Uhr, Berlin

Mehringhof, Versammlungsraum, Gneisenaustr.2a (U-Bhf. Mehringdamm)

Eine Veranstaltung von Teilhabe e.V.

  • Die Veranstaltung ist mittlerweile HIER nachzuhören
  • Die Antworten von Lothar Galow-Bergemann sind HIER nachzulesen

Die Erde steht vor dem Kollaps: Dürren, Waldbrände, Überflutungen bedrohen immer mehr Menschen. Der Klimawandel geht uns deshalb alle an. Aber die Energiekrise kann zu einem klimapolitischen Rollback führen. So wird der Kohleabbau fortgesetzt, wie die Räumung von Lützerath zeigt. Auch setzen Nachbarländer Deutschlands weiterhin auf Atomkraftwerke. Aber auch hierzulande wird offen eine mögliche Renaissance der Atomkraft beschworen. Während viele Arme am meisten vom Klimawandel betroffen sind und global schon klimaneutral leben, richten die Reichen die größten Klimaschäden an. Offensichtlich darf die Ressourcenverschwendung so nicht weitergehen. Und doch herrschen bei vielen Menschen Blockaden und Ängste in Bezug auf einen ökologischen Wandel vor. Es bilden sich politische Lager, zumal ökologische Themen immer mit der sozialen Frage verwoben sind.

In der Podiumsdiskussion diskutieren wir in folgenden Blöcken:

Weiterlesen

Kapitalismus, Arbeit und Antisemitismus

Vortrag und Diskussion mit Lothar Galow-Bergemann

Dienstag, 18. April 2023, 18.30 Uhr, Halle (Saale)

Hochschullernwerkstatt Erziehungswissenschaften der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, Haus 31, Franckeplatz 1, 06110 Halle (Saale)

Ein Vortrag im Rahmen der Veranstaltungsreihe „Cash Rules Everything Around Me“ der GEW-Hochschulgruppe an der MLU

Lebenslänglich arbeiten-müssen-um-Geld-zu-verdienen-damit-wir-leben-können ist das höchste Gesetz der bürgerlichen Gesellschaft. Wer das für „natürlich“ hält, kann sich nicht vorstellen, dass daraus gesellschaftliche Krisen erwachsen. Näherliegender erscheint das Wirken dunkler Mächte. Krise und Verschwörungsglaube sind Geschwister. Das Gefühl, „die Gierigen“ bedrohten „uns ehrlich Arbeitende“, entlädt sich schlimmstenfalls im antisemitischen Vernichtungswahn. Die Nazis setzten „die Gierigen“ mit „den Juden“ gleich. Doch auch wer das nicht tut, kann sich in einer gefährlichen Nähe zum Antisemitismus befinden, ohne sich darüber im Klaren zu sein.

Weiterlesen

Das Elend der Arbeit

Wie das Prinzip Gelderwerb Menschen erniedrigt, Natur zerstört und Autoritarismus befeuert

Vortrag und Diskussion mit Lothar Galow-Bergemann

Montag, 8. Mai 2023, 19.00 Uhr Karlsruhe

Cafe Noir, Schauenburgstr. 5, 76135 Karlsruhe

Eine Veranstaltung von Beat The System | Solidarität statt Konkurrenz im Rahmen der Veranstaltungsreihe Für das Ende der Lohnabeit

Dass wir Arbeiten-müssen-um-Geld-zu-verdienen-damit-wir-leben-können ist das ungeschriebene, aber höchste Gesetz unserer Gesellschaft. Arbeit sei so etwas wie Natur, lautet der allgemeine Konsens. Doch wir arbeiten viel zu viel Unnützes und wir tun viel zu wenig Sinnvolles.

Arbeit und nützliches/sinnvolles/lustvolles Tätigsein sind zwei Paar Stiefel. Unser Lebensunterhalt hängt von einer Megamaschine ab, die wir bedienen müssen und deren Zweck es ist, aus Geld immer mehr Geld zu machen. Unendliches Wachstum, maximaler Profit und steigende Aktienkurse bedeuten ihr alles, das Leben künftiger Generationen nichts. Wo wir hinschauen ist Krise: Die Erde erwärmt sich unaufhörlich, die Ozeane werden vermüllt. Hunger und Armut wachsen, selbst in den reicheren Weltregionen. Pandemien häufen sich. Kriege und Kriegsgefahr werden immer bedrohlicher. Noch nie waren so viele Menschen auf der Flucht.

Es liegt auf der Hand, dass es so nicht mehr weitergehen kann. Doch viele klammern sich an das, was keine Perspektive mehr hat. In ihren Köpfen spuken Verschwörungsphantasien: „Man will mir meine Arbeit und mein Auto nehmen“, „Mir wird verboten, zu sagen, was ich denke“. Hass und Hetze gegen Klimaaktivist*innen und „Woke“ wirken bis in die „Mitte der Gesellschaft“. Ein neu-alter Autoritarismus breitet sich aus. In ihm gärt rohe Gewalt.

Weiterlesen

Extrem sind immer die anderen

Über Haftstrafen nach Klimaprotesten und den Ungehorsam der Bundesregierung

von Minh Schredle

(zuerst erschienen in Kontext: Wochenzeitung Ausgabe 624 am 15. März 2023)

Das Amtsgericht Heilbronn verhängt Haftstrafen fürs Festkleben auf einer Straße, keine Bewährung. Die anhaltende Hetze gegen die Letzte Generation dürfte ein Klima begünstigen, das härteste Strafen als geboten erscheinen lässt.

Wer sich der Umwelt zuliebe an Blockade-Aktionen beteiligt, sollte aufpassen, nicht vor dem Amtsgericht Heilbronn zu landen. Dort verhängte Richterin Julia Schmitt am 6. März erstmals Haftstrafen wegen einer Aktion der Letzten Generation. Genau einen Monat zuvor hatten fünf Aktivist:innen eine Straße in Heilbronn für zwei Stunden blockiert, zwei der Beschuldigten klebten sich dabei fest – und sollen nun für zwei beziehungsweise drei Monate hinter Gitter. Ohne Bewährung. Ihr Kollege Michael Reißer, am Gericht zuständig für die Pressearbeit, kommentiert dazu in der „Bild“-Zeitung: „Die jüngeren Angeklagten hatten schon mehrfach Straßen blockiert. Zudem wollten sie es wieder tun. Deshalb hielt die Richterin eine Haftstrafe für angemessen.“

Harte Strafen gegen Umwelt-Aktivist:innen verhängt das Amtsgericht Heilbronn nicht zum ersten Mal. Ein Skandal war der Umgang mit der rheumakranken Rollstuhlfahrerin Cécile Lecomte. Weiterlesen

Wer vom Kapitalismus nicht reden will, sollte von Nachhaltigkeit schweigen

Vortrag und Diskussion mit Lothar Galow-Bergemann

Samstag, 25. März 2023, 15.00 Uhr Wien

Büro für Selbstorganisierung: Dornerplatz 4, 1170 Wien

Eine Veranstaltung im Rahmen der Power to the People Konferenz – Gegenkonferenz zur European Gas Conference

Immer weniger Menschen glauben an den Kapitalismus und immer mehr wissen, dass es „nicht so weitergehen“ kann. Aber der Ausstieg ist schwer. Solange unser Lebensunterhalt vom Verkauf unserer Arbeitskraft abhängt, sitzen wir in der Falle: Geht es nämlich nicht „so weiter“, ist unser Einkommen gefährdet, von dem wir leben. Wollen wir die Wirtschaftsweise überwinden, die uns in diese Sackgasse geführt hat, müssen wir verstehen, was Kapital-Ismus ist und aus gescheiterten Versuchen lernen.

Weiterlesen

Jenny Marx: Klatschen und Zischen

Die Theaterkritikerin Jenny Marx und die Leidenschaft der Proleten für die dramatische Kunst

von Lara Wenzel

zuerst erschienen in Neues Deutschland

„Was eine solche Frau, mit so scharfem und so kritischem Verstande, mit einem politisch so sicheren Takt, mit solch einer leidenschaftlichen Energie, solch großer Kraft der Hingabe, in der revolutionären Bewegung geleistet hat, das hat sich nicht an die Öffentlichkeit vorgedrängt, ist niemals in den Spalten der Presse erwähnt worden.“

Herzlichste Worte fand Friedrich Engels für die gerade verschiedene Jenny Marx, die am 2. Dezember 1881 einem Krebsleiden erlag. Die 1814 als Johanna Bertha Julie Jenny von Westphalen Geborene gab ihre gesellschaftliche Stellung auf, um sich mit dem vier Jahre jüngeren Karl Marx zu vermählen, mit dem sie seit Kindertagen bekannt war. 45 Jahre unterstützte sie hingebungsvoll ihren Mann, kümmerte sich um Kinder und Haushalt und übertrug seine unleserlichen Manuskripte. Später schreibt sie über die anregende Zeit als Kopistin: „Die Erinnerung an die Tage, an denen ich in Karls kleinem Stübchen saß, seine kritzligen Aufsätze kopierte, gehört zu den glücklichsten meines Lebens.“

Weiterlesen

Die ökologische Krise: Wie radikal ist realistisch?

Vortrag und Diskussion mit Bernd Ulrich, Stellvertretender Chefredakteur der Wochenzeitung Die Zeit

Donnerstag, 23. März 2023, 19.00 Uhr Stuttgart

Haus der Katholischen Kirche, Eugen-Bolz-Saal, Königstraße 7

In den achtziger Jahren stand die damalige ökologische Avantgarde in den westlichen Gesellschaften vor einem gravierenden demokratischen Problem: Wie kann man die Menschen davon überzeugen, jetzt ihr Verhalten zu ändern wegen Problemen, die erst in dreißig Jahren auftreten? Letztlich haben die Ökologen von damals dieses Problem nicht lösen können. Zwar haben sie viel Umdenken bewirkt, doch ging zugleich die Schere zwischen ökologisch Gebotenem und ökologischem Tun immer weiter auseinander. Nun aber sind diese dreißig Jahre vorbei, der Klimawandel hat eingesetzt, die Meere befinden sich in einem äußerst kritischen Zustand, das Artensterben galoppiert. Der Menschheit wird hier und heute der ökologische Kragen eng, sie hat zu lange zu wenig getan und muss sich jetzt sputen, wenn die Erde, wie wir sie kennen, noch leidlich gerettet werden soll.

Die Normalität, die diese Krise vorantreibt, ist weitgehend ungebrochen. Doch alle Versuche, sich diesem „Extremismus der Normalität“ durch eine „realistische Radikalität“ entgegenzustellen, können – bislang – einigermaßen erfolgreich als radikal im Sinne von extremistisch, randständig oder gar undemokratisch gebrandmarkt werden. Warum ist das so und wird das so bleiben? Der Journalist Bernd Ulrich plädiert in dieser Diskussion für ein „neues Rendezvous mit der Wirklichkeit“ und eine „besonnene Radikalität aus der Sache heraus.“

Weiterlesen

Warum wir den Kapitalismus kritisieren müssen, wenn wir die ökologischen Krisen meistern wollen

Vortrag und Diskussion mit Julian Bierwirth

Freitag, 17. Februar 2023, 19.00 Uhr, Stuttgart

Altes Feuerwehrhaus, Möhringer Str. 56, am Erwin-Schöttle-Platz

Eigentum ist eines der zentralen Prinzipien im Kapitalismus. Gerade haben wir in Lützerath gesehen, welche Auswirkungen Eigentum auf die ökologischen Aspekte unserer Welt hat: Das Dorf wurde geräumt, weil das dazugehörige Land im Eigentum der Firma RWE ist. Sie kann nun damit (mehr oder weniger) machen, was sie will. Sie darf das Land zerstören – und dem Rest der Welt damit einen enormen Schaden zufügen.

Tatsächlich bestimmt das Prinzip Eigentum einige der wichtigsten Aspekte moderner Gesellschaften. Es erzeugt ein ganz bestimmtes Verständnis von Menschen und Dingen zur Welt. Es ist eng mit den Funktionsmechanismen der modernen, kapitalistischen Gesellschaft verbunden. Der Wachstumszwang dieser Wirtschafts- und Lebensweise verweist auf das Eigentum als rechtliche Instanz.

Weiterlesen

Extraschrille Alarmglocken

Gemessen am Ausmaß der Mietmisere erscheint es handzahm, den großen Immobilienkonzernen nur ihren Wohnungsbestand wegnehmen zu wollen.

von Minh Schredle

(zuerst erschienen in Jungle World 4/2023 vom 26. Januar 2023)

»So laut wie jetzt haben die Alarmglocken des Wohnungsmangels lange nicht mehr geschrillt«, sagte Lukas Siebenkotten, der Präsident des Deutschen Mieterbunds, kürzlich den Zeitungen der Funke-Mediengruppe und warnte vor einem »ungeahnten Desaster«. Der Begriff »ungeahnt« wirkt deplatziert – denn die weitere Zuspitzung der Misere am Wohnungsmarkt kündigt sich schon lange an.

Nach einer Auswertung des Statistischen Bundesamts, die sich noch auf Daten aus dem Jahr 2021 bezieht, war jede achte Person, die in einer deutschen Mietwohnung lebt, mit ihren Wohnkosten überlastet. Eine Überlastung liegt demzufolge vor, wenn 40 Prozent des verfügbaren Haushaltseinkommens für Miete und Nebenkosten, inklusive Strom, verbraucht werden müssen. Und diese Zahlen beziehen sich auf 2021 – im darauffolgenden Jahr sind die Energiepreise bekanntlich regelrecht explodiert.

Weiterlesen

Entzogene Lebensgrundlagen

Über den Zusammenhang von Umweltzerstörung, strukturellem Elend und massenhaften Fluchtbewegungen

Vortrag und Diskussion mit Minh Schredle

Montag 30. Januar, 19.00 Uhr (Online)

bei krisis-Kritik der Warengesellschaft

Zoom-Meeting: https://us02web.zoom.us/j/87886449547?pwd=RGdSK0ZxSHphYnFTT21LY01wQTY4UT09
Meeting-ID: 878 8644 9547
Kenncode: 265918

Es ist das Zeitalter der großen Rekorde: Jahr für Jahr erreicht der weltweite Ressourcenverbrauch historische Höchststände, ebenso übertrumpfen sich bei der globalen Verschuldung immer neue Spitzenwerte, und nie waren seit der Gründung der Vereinten Nationen mehr Menschen auf der Flucht. Wo Erdregionen unbewohnbar werden, tendieren legitimationsideologische Erklärungsmodelle dazu, den Opfer dieser Entwicklungen die Verantwortung für ihr Leid anzudichten und sie ihrem Schicksal zu überlassen. In Leitmedien wie dem „Spiegel“ plädieren Autor:innen inzwischen in offenherzigem Zynismus dafür, die „klimarobusten“ Wohlstandszentren abzuschotten, denn ohne Triage werde es nicht gehen und darauf gelte es sich nun, ganz pragmatisch, vorzubereiten.

Wo Jahrzehnte lang Ignoranz gegenüber schrillenden Alarmsignalen vorherrschte, hat sich also herumgesprochen, dass seit geraumer Zeit lodernde Krisenherde nun komplett eskalieren – und da verschiedene Katastrophen mitunter als nicht mehr abwendbar empfunden werden, greift in Teilen der Gesellschaft eine Rette-sich-wer-kann-Mentalität um sich. Eine andere populäre Bewältigungsstrategie, die insbesondere im parteipolitischen Spektrum überwältigende Mehrheiten hinter sich vereint, ist die hoffnungslose Hoffnung auf „grünes Wachstum“, die sich sogar bei selektiver Blindheit gegenüber der vorliegenden empirischen Evidenz immer schlechter schönlügen lässt.

Weiterlesen

Lenins Sozialismus

von Nikolaus Gietinger

zuerst erschienen bei Disposable Times

Lenin ist wieder en vogue. Theoretiker wie Andreas Malm graben den Anführer der russischen Revolution von 1917 wieder aus. In ihren Augen kann uns Lenin helfen, den Kapitalismus abzuschaffen und den Klimawandel zu bekämpfen. Es bleibt jedoch fraglich, ob Lenin uns heute noch etwas zu sagen hat. Im Gegenteil, mit seinem Arbeitsfetisch und seinem Lob der preußischen Disziplin stand Lenin fest auf dem Boden der kapitalistischen Produktionsweise und der Naturzerstörung.

Weiterlesen

Entzogene Lebensgrundlagen

Der Zusammenhang von Umweltzerstörung, strukturellem Elend und massenhaften Fluchtbewegungen

Vortrag und Diskussion mit Minh Schredle

Donnerstag, 2. März 2023, 19.30 Uhr Stuttgart

Laboratorium, Wagenburgstr.147

Ein Rekord jagt den nächsten: Der Ressourcenverbrauch erreicht Jahr für Jahr historische Höchstwerte, ebenso überbieten sich bei der globalen Verschuldung permanent Spitzenwerte und nie waren seit der Gründung der Vereinten Nationen mehr Menschen auf der Flucht. Wo Erdregionen unbewohnbar werden, tendieren legitimationsideologische Erklärungsmodelle dazu, die Opfer dieser Entwicklungen für ihr Leid selbst verantwortlich zu machen und ihrem Schicksal zu überlassen.

Inzwischen hat sich allgemein herumgesprochen, dass diverse Krisenherde eskalieren und auch in den Wohlstandszentren der Welt machen sich die Konsequenzen immer deutlicher bemerkbar. Die politischen Diskurse dominiert allerdings noch die Tendenz, die ausufernde Umweltzerstörung und sich häufende Wirtschaftskrisen als von einander getrennte Problembereiche zu behandeln. In diesem Vortrag soll hingegen der Versuch unternommen werden, die gegenwärtig auftretenden ökologischen und ökonomischen Verwüstungen als Folge eines historischen Prozesses zu beleuchten, in dessen Verlauf der blinde Wachstumszwang endloser Kapitalakkumulation an die Schranken seiner Entwicklungsfähigkeit stößt und dabei immer mehr Menschen die Lebensgrundlagen entzieht.

Weiterlesen

Klima, Konferenzen und Knast: Und wer genau ist hier brutal?

Über verzweifelte junge Menschen und deren Verleumder auf der Autobahn Richtung Klimahölle

von Minh Schredle

(zuerst erschienen in Kontext: Wochenzeitung Ausgabe 608 am 23. November 2022)

Die Klimazerstörung geht weiter, haben die Vereinten Nationen beschlossen. Hierzulande werden verzweifelte Protestformen gegen den gewohnten Wahnsinn in Terror-Nähe gerückt und Aktivist:innen landen ohne Gerichtsurteil im Knast. „Entlarvend“ findet das der Regisseur Volker Lösch.

„Der größte Erfolg von Scharm al-Scheich war, dass es keine Rückschritte gab“, kommentiert der Journalist Bernhard Pötter das Resultat der UN-Klimakonferenz in Ägypten mit über 20.000 Beteiligten (darunter übrigens mehr Lobbyist:innen fossiler Konzerne als Abgesandte aus den zehn am stärksten vom Klimawandel betroffenen Ländern). Annalena Baerbock, nicht nur als grüne Außenministerin, sondern auch als deutsche Chefverhandlerin vor Ort, zeigte sich erleichtert, dass wenigstens das Festhalten am 1,5-Grad-Ziel „verteidigt“ werden konnte. Auch wenn es sich weiterhin nur um eine Absichtserklärung handelt.

Extreme Dürrephasen und sich häufende Waldbrände in Europa, Flutkatastrophen, die wie in Pakistan ein Drittel des Landes unter Wasser setzen, oder eine Viertelmillion Kinder, die im vergangenen Jahr wegen Ernteausfällen am Horn von Afrika verhungert sind – all diese durch den Klimawandel beförderten Katastrophen, die sich schon heute bemerkbar machen, scheinen noch nicht ausreichend Motivation zu liefern, auf globaler Ebene Nägel mit Köpfen zu machen. Das mediale Entsetzen über das Scheitern der Konferenz hielt sich dennoch in Grenzen. Sind das alle schon zu sehr gewöhnt?

Jedenfalls war die Aufregung größer, als vor Kurzem Glasscheiben beschmutzt wurden. Weiterlesen

Arbeit, Wachstumszwang und Autoritarismus

Zum inneren Zusammenhang der Multikrise und möglichen Auswegen

Vortrag und Diskussion mit Lothar Galow-Bergemann

Montag, 12. Dezember 2022, 19.30 Uhr, Rostock

Eine Veranstaltung von Antifa United Rostock

Café Median, Niklotstraße 5, 18057 Rostock

Die Erde erwärmt sich unaufhörlich, die Ozeane werden vermüllt. Hunger und Armut wachsen, selbst in den reicheren Weltregionen. Eine Zoonose und Pandemie folgt auf die nächste. Kriege und Kriegsgefahr werden immer bedrohlicher. Noch nie waren so viele Menschen auf der Flucht.

Es mangelt nicht an Konferenzen und Beschlüssen „zur Nachhaltigkeit“. Doch eine Wirtschaftsweise, der unendliches Wachstum, maximaler Profit und steigende Aktienkurse wichtiger sind als das Leben künftiger Generationen, schafft Probleme, die sie selbst nicht lösen, sondern nur weiter vertiefen kann.

Weltweit kämpfen viele Menschen gegen die Folgen an. Die Einsicht, dass Umweltkrise, soziales Elend, rassistische und sexistische Unterdrückung miteinander zusammenhängen, verbreitet sich. Immer weniger Menschen finden sich mit Diskriminierung ab, immer mehr fordern das Recht ein, ohne Angst verschieden sein zu können. Sie verlangen, „dass es nicht mehr so weitergeht“.

Aber viele bestehen auch explizit darauf, „dass es so weitergeht“. Je tiefer die Krise, desto mehr klammern sie sich an das, was keine Perspektive mehr hat. Anstatt darüber nachzudenken, was sie eigentlich denken, behaupten sie lieber, sie dürften „nicht mehr sagen, was sie denken“. Rassistische, sexistische, antisemitische und nationalistische Reaktionen verschärfen die Krise weiter. Verschwörungsphantasien verbreiten sich. Hass und Hetze gegen Klimaaktivist*innen und „Woke“ wirken bis in die „Mitte der Gesellschaft“. Ein neu-alter Autoritarismus wächst heran. In ihm gärt rohe Gewalt.

Weiterlesen

Audio: Revolution für das Leben

Buchvorstellung und Diskussion mit Eva von Redecker

im Gespräch mit Nisha Toussaint-Teachout, Fridays for Future, Florian Zarnetta, Stellv. Landesvorsitzender der Jusos Baden-Württemberg und Franziska Sander, Emanzipation und Frieden

Online am 21. Juli 2022

Krieg, Klimakatastrophe – die Zukunft wirkt nicht gerade einladend. Trotzdem gibt es in den letzten Jahren neue und hoffnungsvolle soziale Kämpfe. Der Vortrag geht auf Klimakativismus, die Black Lives Matter Bewegung und den Feminismus (insbesondere in Lateinamerika) ein. Trotz ihrer unterschiedlichen Schwerpunkte eint diese Bewegungen der utopische Bezug auf die Kategorie “Leben”. Sie protestieren gegen eine bestimmte Form der Herrschaft, nämlich die “Sachherrschaft”, die Teile des Lebens zur Sache degradiert und der Zerstörung preisgibt. Damit eröffnen sie zumindest die Möglichkeit einer bewohnbaren Zukunft.

Weiterlesen

Hilfloses Kleben, ratlose Staaten

Klimaschutz und Protest

Von Minh Schredle

(zuerst erschienen in Kontext: Wochenzeitung Ausgabe 606 am 09. November 2022)

Die 27. Klimakonferenz der Vereinten Nationen soll erreichen, was die 26 vorangegangenen nicht vermochten. Auch die jüngeren Protestaktionen der „Letzten Generation“ zeugen vor allem von zur Schau gestellter Hilfslosigkeit.

Nachdem ein Betonmischer in Berlin eine Radfahrerin überfahren hat, die in der Zwischenzeit ihren Verletzungen erlag, stand für den liberalen Bundestagsabgeordneten Alexander Graf Lambsdorff schnell fest, wer die Schuld an dem tragischen Unfall trägt: „Das erste Todesopfer des ‚Aufstands der Letzten Generation'“, twitterte der stellvertretende Vorsitzende der FDP-Fraktion – der sich bei seiner Urteilsfindung nicht gedulden wollte, bis belastbare Fakten vorliegen.

Am 2. November hatten sich zwei Aktivisten auf einer Schilderbrücke über der A100 festgeklebt. Die Polizei blockierte daraufhin zwei von drei Spuren unter der Brücke, um die Personen zu entfernen. Durch den dabei entstandenen Stau habe sich der Rettungseinsatz verzögert, sagte Feuerwehr-Sprecher Rolf Erbe der Deutschen Presse-Agentur. Nicht nur für Medien wie die „Bild“-Zeitung stand damit fest: „Das ist AUCH EURE SCHULD, ihr Klima-Kleber!“ Auch für einen Sprecher der Berliner Gewerkschaft der Polizei war „spätestens jetzt“ klar, dass man sich „vom Märchen des harmlosen Protests verabschieden“ solle. Und Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) betonte, „wenn Straftaten begangen werden und andere Menschen gefährdet werden, ist jede Grenze legitimen Protests überschritten“, das habe „mit einer demokratischen Auseinandersetzung überhaupt nichts zu tun“.

Zwei Tage später war in der „Süddeutschen Zeitung“ zu lesen, der Klimaprotest habe „keinen Einfluss auf Versorgung des Unfallopfers“ gehabt. Jedenfalls kommt die behandelnde Notärztin hier zu der Einschätzung, dass die Rettung der verunglückten Radfahrerin durch den Stau nicht beeinträchtigt worden sei.

Weiterlesen

Audio: Radikale Arbeitszeitverkürzung, Vergesellschaftung und Selbstorganisation

Wie wir völlig anders wirtschaften könnten

Fabienne Fecht im Gespräch mit Lothar Galow-Bergemann über Gesellschafts- und Wirtschaftsfragen

aufgenommen am 3. Oktober 2022 im Rahmen des ÜBER:MORGEN- Festival der Kultur Region Stuttgart

Wirtschaften wir weiter so, als sei ewiges Wachstum möglich, untergraben wir unsere Lebensgrundlagen und haben zu wenig Zeit für wirklich Wichtiges. Radikale Arbeitszeitverkürzung und ein anderes Verständnis von Eigentum und gesellschaftlicher Teilhabe sind dringend erforderlich.

Fabienne Fecht ist Gewerkschaftssekretärin und promoviert derzeit an der Universität Freiburg in Allgemeiner und Vergleichender Literatur- und Kulturwissenschaft

Lothar Galow-Bergemann schreibt u.a. für Jungle World und Emanzipation und Frieden

Weiterlesen

Wer vom Kapitalismus nicht reden will, sollte von Nachhaltigkeit schweigen

Warum wir mit „unserer Wirtschaft“ nie eine nachhaltige Gesellschaft erreichen werden

Vortrag und Diskussion mit Lothar Galow-Bergemann

Donnerstag, 10. November 2022, 19.00 Uhr, Erlangen

Zentrum Wiesengrund, Wöhrmühle 7, 91058 Erlangen

Eine Veranstaltung von Gruppe Antithese

Alle sind für Klimaschutz, aber die globale Erwärmung nimmt unaufhörlich zu. Alle sind für soziale Gerechtigkeit, aber Kinder- und Altersarmut wachsen. Alle wünschen sich mehr freie Zeit zum Leben, aber müssen immer mehr und länger arbeiten. Niemand will die Krise, aber keiner kriegt sie in den Griff. Wunsch und Wirklichkeit gehen so weit auseinander, weil das herrschende Wirtschaftssystem existentiellen Herausforderungen nicht gewachsen ist. Klima- und Coronakrise demonstrieren eindrücklich: Unendliches Wachstum ist ihm wichtiger als Mensch und Natur, maximaler Profit wichtiger als Gesundheit und Lebensqualität, steigende Aktienkurse wichtiger als das Leben künftiger Generationen.

Immer weniger Menschen glauben an den Kapitalismus und wissen, dass es „nicht so weitergehen“ kann. Aber der Ausstieg ist schwer. Solange unser Lebensunterhalt vom Verkauf unserer Arbeitskraft abhängt, sitzen wir in der Falle: Geht es nämlich nicht „so weiter“, ist unser Einkommen gefährdet, von dem wir leben.

Die Überwindung der Wirtschaftsweise, die uns in diese Sackgasse geführt hat, ist buchstäblich zu einer Frage des Überlebens geworden. Eine grundlegende Neuorientierung ist angesagt. Denn eine ökologisch und sozial nachhaltige Gesellschaft ist machbar.

Weiterlesen