Die falschen Freunde Israels – Für eine Debatte um Israel-Flaggen bei Rechtspopulisten

Auf einer Pegida-Demonstration am 17. Mai 2015 schwenkte der Stuttgarter  AfD-Stadtrat Fiechtner eine Israelfahne. Der Herr steht selbst innerhalb seiner üblen Partei am rechten Rand. Er schlug gleich drei Fliegen mit einer Klappe: Mancher Gesinnungskumpane, der Israel vor seinen Karren spannen will, war zufrieden. Israelsolidarische Pegida-Gegner_innen fühlten sich provoziert. Und israelfeindliche Pegida-Gegner_innen fühlten sich bestätigt. Kein Wunder, dass ein Gegendemonstrant den Akt wie folgt kommentierte: „Israelfahne mittendrin… das passt!

Warum es für diesen Pegida-Gegner passt? Weil er vermutlich glaubt, Israel betreibe die selbe Politik wie die AfD. Genau wie Fiechtner übrigens, der sich wohl dasselbe zusammenreimt. Dabei müsste den beiden, wären sie zu nüchterner Betrachtung fähig, alleine schon die große Anzahl von Moscheen im jüdischen Staat schwer zu denken geben. Doch diese Fiktion hilft beiden: Fiechtner muss sich nicht mit den wirklichen Verhältnissen in Deutschland und besagter Pegida-Gegner muss sich nicht mit den wirklichen Verhältnissen in Israel befassen. Die Antizionist_innen auf der Gegendemo konnten es sich angesichts eines Israel-Flaggen schwenkenden AfD-Stadtrats wieder einmal auf ihrem stereotypen Gedankensofa bequem machen. Der erhobene Mittelfinger vieler Gegendemonstrant_innen erfüllte zwei Motive zugleich: die (antirassistische) Ablehnung der Pegida-Bewegung und die (antisemitische) Ablehnung des zionistischen Staats.

Meistens verweisen Israel-Flaggen schlicht und ergreifend auf die Anwesenheit von Menschen, die Solidarität mit dem vom antisemitischen Vernichtungswahn bedrohten jüdischen Staat zeigen wollen. Das kapieren Antizionist_innen zwar nie. Aber glücklicherweise muss ja niemand lebenslänglich Antizionist_in bleiben. So lange das Ressentiment allerdings herrscht, sucht und findet es immer wieder Bestätigung. Und es ist nun mal leider zu beobachten, dass sich Menschen in ihrem rassistischen und fremdenfeindlichen Wahn, den sie unter dem Label „Islamkritik“ ausleben, Israel als Verbündeten herbei fantasieren. So z.B. besonders geschmacklos auf „Politically Incorrect“, einer Seite, die systematisch gegen Muslim_innen und Geflüchtete hetzt. Des Weiteren berufen sich immer mehr rechte und rechtsextreme Parteien auf sogenannte „christlich-jüdische Wertvorstellungen“, um sich damit von den vermeintlich gänzlich anderen Wertvorstellungen „des Islam“ abzugrenzen und sich von jedem Antisemitismusverdacht reinzuwaschen. Obwohl sich Hetze gegen Juden auch im rechtspopulistischen Lager und bei Pegida finden lässt, hat sie dort momentan weniger Konjunktur als die Hetze gegen Muslim_innen bzw. „den Islam“ und Asylbewerber_innen. In rechten Splitterparteien scheint der jüdische Staat oftmals angesehener als in der Linkspartei, in der nicht selten offene Israelhasser_innen den Ton angeben. Zu bemerken gilt es allerdings, dass sich das rechte Lager nicht etwa mit Israel solidarisiert, um zu demonstrieren, dass Antisemitismus in Deutschland und weltweit bekämpft werden muss, sondern um das Land für seine widerwärtige muslimfeindliche Agitation zu instrumentalisieren. Israel distanziert sich aus vielen guten Gründen von jedem Kulturkampf gegen „den Islam“. Israel-Flaggen von Pegida-Anhänger_innen stehen den ureigensten Interessen des Landes diametral entgegen.

Es bleibt zu hoffen, dass sich israelsolidarische Menschen unter den Pegida-Gegner_innen nicht irritieren ließen. Dass sich rechtspopulistisches und linksreaktionäres Lager gegenseitig in die Hände spielen, ist ja auch in Stuttgart nicht neu. Siehe die Klarstellung zu diversen Falschmeldungen über die Solidaritätsversammlung „Wir unterstützen Israel!“ am 15.07. 2014 in Stuttgart.

Eine emanzipatorische Haltung ist weder vom Pegida-Umfeld noch von dem seiner antizionistischen Gegner_innen zu erwarten. Aufgeklärte Menschen, denen an gesellschaftlicher Emanzipation gelegen ist, sollten wachsam sein und nicht zulassen, dass Israel von reaktionären Bewegungen instrumentalisiert wird, denn diese reproduzieren fortlaufend antisemitische Stereotype und befestigen damit massenhaft verbreitete Ressentiments.

Wir verstehen diesen kleinen und unvollständigen Text als Vorschlag an emanzipatorische, linke israelsolidarische Menschen, das Thema zu diskutieren und freuen uns auf ihre Rückmeldungen. Für eine fundierte Analyse und Kritik, gegen Antisemitismus. Antizionismus und Rassismus!

Zum Weiterlesen:
Was ist Antisemitismus? Anmerkungen zur Wahnwelt des vernichtungsorientierten Antikapitalismus
Was ist Antizionismus? Anmerkungen zum Hass auf den Juden unter den Staaten