„Ich habe nichts gegen Juden, aber …“
Audiomitschnitt eines Vortrags von Lothar Galow-Bergemann
gehalten am 6. November 2013 im Rahmen der Jüdischen Kulturwochen im Stuttgarter Rathaus
Niemand, der sich nicht ins soziale Abseits stellen will, wird sich freiwillig einen Antisemiten schimpfen lassen. Heißt dies aber auch, dass es heutzutage kaum noch Antisemiten und daher auch keinen echten Antisemitismus mehr gibt? Leider nicht. Denn das Phänomen des Antisemitismus treibt weiterhin sein Unwesen, allerdings unter dem Schutz sprachlicher Deckmäntel. Es ist geradezu typisch für den Antisemitismus unserer Tage, dass er seine Tiraden mit der Versicherung beginnt: „Ich habe nichts gegen Juden…“. Es lohnt sich, dem „Aber“ nachzuspüren, das für gewöhnlich unmittelbar auf solche Bekundungen des reinen Gewissens folgt. Insbesondere auf zwei Themenfeldern grassiert der moderne Antisemitismus regelrecht, ohne dass er den meisten seiner Träger bewusst ist. Zum einen ist das eine bestimmte Form der Kritik am Kapitalismus, die statt wirtschaftlicher Verhältnisse bestimmte Menschengruppen unter Verwendung alter antisemitischer Klischees angreift. Zum anderen ist das die deutsche „Israelkritik“, die von antijüdischen Vorurteilen getrieben und geprägt ist, dabei aber perverser Weise betont, lediglich aus einem aus dem Holocaust erwachsenden Pflichtgefühl zu handeln. Über zwei Quellen und Bestandteile des modernen Antisemitismus.