„Das Recht, Rechte zu haben“ (Hannah Arendt)

Anmerkungen zum Verhältnis von Menschenrechten und Widerstandsakten

Vortrag und Diskussion mit Claus Baumann

Donnerstag, 20. April 2023, 19.30 Uhr Stuttgart

Stiftung Geißstraße 7, 70173 Stuttgart

  • Der Vortrag ist mittlerweile HIER nachzuhören


Vom Zeitalter der Aufklärung bis zur Gegenwart sind die Menschenrechte in den öffentlichen Debatten präsent. Sie gelten als eine der größten Errungenschaften der Menschheitsgeschichte. Die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte, die am 10. Dezember 1948 verkündet wurde, feiert dieses Jahr ihr 75. Jubiläum.
Wie in den historischen Vorläufern, dem Virginia Bill of Rights von 1776 oder der Französischen Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte von 1789, werden auch in der Erklärung von 1948 bestimmte Grundsätze für die Gestaltung des Verhältnisses von Individuum, Staat und Gesellschaft formuliert, so beispielsweise das Recht auf Leben, auf Freiheit und Sicherheit der Person, auf körperliche Unversehrtheit, auf Meinungs- und Pressefreiheit, auf Freizügigkeit, auf freie Berufswahl und auf Bildung. In geschichtlicher Hinsicht reagierte die Erklärung von 1948 auf die Gräuel des Zweiten Weltkriegs und auf die präzedenzlose deutsche Barbarei mit ihrem Zivilisationsbruch der Shoah. Diese historische Bezugnahme markiert inhaltlich eine neue Qualität der Allgemeinen Erklärung von 1948 gegenüber ihren historischen Vorläufern, die insbesondere im Verständnis der Menschenwürde zum Ausdruck kommt, die vor den „Akten der Barbarei“ zu schützen sei (siehe Präambel von 1948).
Gemeinsam ist aber all den verschiedenen historischen Fassungen der Menschenrechtserklärung ihre naturrechtliche Begründung mit der Behauptung, Menschen hätten Rechte, schon allein aufgrund der Tatsache, weil sie Menschen seien. Hannah Arendt kritisiert diese Annahme anhand ihrer Überlegung, dass das „Recht, Rechte zu haben“ nicht qua Geburt gegeben, sondern wie alle Rechte an ein menschliches Mit-Gemeinsames gebunden sei.
Der Vortrag von Claus Baumann erläutert diesen Gedanken Arendts. Er erörtert darüber hinaus die Frage, ob sich aus den Arendt’schen Reflexionen auch ein emanzipatorisches Recht auf Widerstand gegenüber staatlichem oder kulturell-tradiertem Unrecht ableiten lässt. Am Beispiel der aktuellen Proteste im Iran wird das Verhältnis von Menschenrechten und Widerstandsakten näher bestimmt. Zur Diskussion überleitend wird zudem die Frage erörtert, warum die Idee der Universalität der Menschenrechte gegen kulturrelativistische Angriffe zu verteidigen ist.

Dr. Claus Baumann ist Gesellschaftstheoretiker und arbeitet im wissenschaftlichen Dienst an der Universität Stuttgart, im Fachbereich Philosophie. Publikationen und Kontakt siehe: www.clausbaumann.de