„Compact“-Verbot … Wieder durch die Hintertür

von Minh Schredle

(zuerst erschienen in Kontext: Wochenzeitung Ausgabe 694 am 17. Juli 2024)

Das rechtsextreme „Compact“-Magazin betrieb einen abstoßenden Schmierenjournalismus, der seine menschenverachtende Hetze absichtlich mit Falschinformationen unterfütterte. Die Art und Weise, wie die Publikation nun verboten wurde, hält unser Autor dennoch für problematisch.

Bei der inhaltlichen Bewertung ist der Bundesinnenministerin voll und ganz zuzustimmen: Das „Compact“-Magazin sei „ein zentrales Sprachrohr der rechtsextremistischen Szene“, erklärte Nancy Faeser (SPD) am vergangenen Dienstag: „Dieses Magazin hetzt auf unsägliche Weise gegen Jüdinnen und Juden, gegen Menschen mit Migrationsgeschichte und gegen unsere parlamentarische Demokratie.“ In boulevardesker Manier vermengen sich bei „Compact“ Wahlwerbung für die AfD, Verschwörungsgeraune, mal mehr mal minder codierter Antisemitismus und rassistische Hetze insbesondere gegen Muslime mit einer Verharmlosung des Nationalsozialismus und absichtlich gestreuten Lügen. Chefredakteur Jürgen Elsässer erläuterte dazu einmal im Gespräch mit dem RBB: „Es werden Erzählungen gemacht, es werden Märchen und Allegorien formuliert, die dann wabern. Es ist nicht die Wahrheit, aber es hält sozusagen die Volksseele, den Volksdiskurs am Laufen.“

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Mühsame Arbeit für eine freiere Gesellschaft

Zu Erich Mühsams 90.Todestag

von Thomas Tews

[zuerst erschienen am 10. Juli 2024 bei haGalil.com]

Der Anarchist, Chronist und Dichter Erich Mühsam kam am 6. März 1878 als Sohn jüdischer Eltern, des Apothekers Siegfried Mühsam sowie dessen Frau Rosalie, geb. Cohn, in Berlin zur Welt. In seinen eigenen Worten führte ihn sein späterer Lebensweg »aus dem bürgerlichen Beruf eines Apothekergehilfen ins Ungewisse dessen, was mir Freiheit schien und was sich auf dem schwankenden Grunde der erwerbsmäßigen Schriftstellerei aufbauen sollte«.

In seinen Bemühungen »um Wandlung von Welt und Gesellschaft« als Bohemien bezeichnet zu werden, störte Mühsam nicht, denn:

»Weder Armut noch Unstetigkeit ist entscheidendes Kriterium für die Boheme, sondern Freiheitsdrang, der den Mut findet, gesellschaftliche Bindungen zu durchbrechen […]. Weiterlesen

Audio: Was „unsere Wirtschaft“ mit der Krise zu tun hat

Eine Einführung in die Kapitalismuskritik

Vortrag von Lothar Galow-Bergemann

gehalten am 16. Mai 2024 in Passau

Immer noch mehr Autos, noch mehr Plastik im Meer, noch höhere Finanzgebirge, noch mehr CO2… Alle sind für Klimaschutz, aber die globale Erwärmung nimmt unaufhörlich zu. Alle sind für soziale Gerechtigkeit, aber Kinder- und Altersarmut wachsen. Alle wünschen sich mehr freie Zeit zum Leben, aber sollen immer mehr und länger arbeiten. Niemand will die Krise, aber keiner kriegt sie in den Griff.

Dass Wunsch und Wirklichkeit so weit auseinander klaffen, hat viel mit dem herrschenden Wirtschaftssystem zu tun. Was ist das eigentlich, dieser Kapitalismus? Wie funktioniert er? Warum muss er ewig wachsen? Oder sollte man nicht doch besser von Marktwirtschaft reden?

Haben uns „die Herrschenden“ und „die Gierigen“ die Krise eingebrockt? Was tun wir eigentlich, wenn wir arbeiten? Wie sollte man den Kapitalismus vernünftigerweise kritisieren? Und wie könnten Alternativen aussehen?

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1.Mai-Demo in Stuttgart – Polizei beim Flunkern ertappt

von Minh Schredle

(zuerst erschienen in Kontext: Wochenzeitung Ausgabe 691 am 26. Juni 2024 unter dem Titel „Langsame Mühlen“)

Nach einem rabiaten Einsatz am 1. Mai 2024 hat Kontext die Stuttgarter Polizei beim Flunkern ertappt. Noch immer sind einige Fragen zu vermeintlichen Beweismitteln offen – doch Polizei, Staatsanwaltschaft und Verfassungsschutz verweigern die Auskunft.

Nachdem beim Einsatz zum „Revolutionären 1. Mai“ in Stuttgart mehr als 90 Demonstrant:innen durch Pfefferspray und Schlagstöcke verletzt worden waren, gab die Polizei eine Pressemitteilung heraus: Demnach sei der Demozug wegen zu langer Seitentransparante gestoppt und „mittels Lautsprecherdurchsagen mehrfach“ auf die Einhaltung der Auflagen hingewiesen worden. Dann hätten die Demonstrant:innen „unvermittelt“ mit „Pfefferspray, mitgeführten Dachlatten mit Schrauben, anderen Schlagwerkzeugen, Schlägen und Tritten“ angegriffen.

Kontext liegen allerdings mehrere Stunden Videomaterial und Augenzeugenberichte vor, die belegen, dass es gar keine Lautsprecherdurchsagen gegeben hat, bevor die Polizei unvermittelt Pfefferspray und Schlagwerkzeuge einsetzte. Aus dem Material ist auch kein ursprünglicher Angriff durch Demonstrant:innen zu erkennen. Es kam dann zu 167 Festnahmen, wobei die Personen von der Polizei eingekesselt wurden und zahlreiche Gegenstände konfisziert worden sind.

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Sticker: Gegen jeden Autoritarismus

Dazu gibt’s auch was ZU HÖREN

Alle unsere Sticker sind unter der Creative Commons Attribution-NonCommercial 4.0 International Public License frei verfügbar, um sie z.B. selbst in den Druck zu geben. Siehe hier.

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Staatsanwaltschaft lässt nicht locker

Prozess gegen Fabian Kienert, RDL

von Minh Schredle

(zuerst erschienen in Kontext: Wochenzeitung Ausgabe 689 am 12. Juni 2024)

Der Journalist Fabian Kienert wurde wegen einer Verlinkung angeklagt und nun freigesprochen. Ein Sieg für die Pressefreiheit ist das nur eingeschränkt, meint unser Autor. Dass der Staatsanwalt agieren konnte, wie er es getan hat, ist ein Skandal.

Denkwürdige Szenen spielen sich ab vor dem Landgericht Karlsruhe: Der Staatsanwalt steht hinter seinem Stuhl und hält sich mit beiden Händen an der Lehne fest, während er sein Plädoyer vorträgt. Mit zitternder Stimme erklärt Manuel Graulich, die linksextremistische Agitationsplattform „linksunten.indymedia“ habe „eine Struktur geschaffen, die es ermöglicht hat, beim G20-Gipfel 2017 in Hamburg halbe Stadtteile in Schutt und Asche zu legen“. Wer hinter dem Betrieb dieser seit sieben Jahren verbotenen Plattform steckt, konnte zwar nie vor Gericht bewiesen werden. Graulich aber ist sich sicher, dass es die Freiburger Antifa gewesen sein muss, als deren „Haus- und Hofberichterstatter“ der linksalternative Sender „Radio Dreyeckland“ (RDL) auftrete. Dem dort angestellten Redakteur Fabian Kienert wirft die Staatsanwaltschaft vor, durch die Verlinkung der Archivseite von „linksunten.indymedia“ in einem seiner Artikel die weitere Betätigung einer verbotenen Vereinigung unterstützt zu haben.

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Fallstricke der Emanzipation

Autoritäres und Regressives in der Linken gestern und heute

Vortrag und Diskussion mit Lothar Galow-Bergemann

Freitag, 26. Juli 2024, 19.00 Uhr, Weimar

Wunderbar, Gerberstrasse 3

Eine Veranstaltung von Aktionsbündnis gegen Antisemitismus Weimar

Alle Verhältnisse umzuwerfen, in denen der Mensch ein erniedrigtes, ein geknechtetes, ein verlassenes, ein verächtliches Wesen ist. Besser lassen sich Anspruch und Programm menschlicher Emanzipation nicht auf den Punkt bringen. Wenn der Begriff Links Sinn hat, dann diesen. Oft sehen linke Theorie und Praxis jedoch ganz anders aus. Was längst überwunden sein sollte, lebt auch in vielen linken und linksradikalen Strukturen und Denkweisen fort: Die Herrschaft von Zwangsgemeinschaften und von Menschen über andere Menschen.

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Islamismus ist keine Nebensächlichkeit, Islamismus tötet!

Am vergangenen Freitag hat ein islamistischer Angreifer an einem Stand von „Pax Europa“ auf dem Mannheimer Marktplatz sechs Menschen verletzt, von denen einer inzwischen gestorben ist.

Es ist offensichtlich, dass „Pax Europa“ seinem vorgeblichen Anspruch, den politischen Islam kritisieren und nicht gegen Muslime hetzen zu wollen, nicht gerecht wird. Was diese Leute vertreten, ist rassistisch und das Vorführen von Einzelpersonen bei ihren Veranstaltungen auf der Straße weit unter der Gürtellinie. Daran kann es keinen Zweifel geben und es ist notwendig dieser Hetze entschieden entgegen zu treten.

Doch bei dem Mordanschlag von Mannheim waren „Pax Europa“ nicht die Täter. Und ihnen gegenüber stand auch kein kritisch-progressiver Gegenprotest. Der Täter – der inzwischen leider zu einem Mörder geworden ist – war ein islamistischer Terrorist, der sich in seiner Ideologie gekränkt sah und mit einem riesigen Messer auf unbewaffnete Zivilist*innen sowie Polizist*innen einstach. Mehrere Menschen wurden schwer verletzt und ein junger Polizist brutal getötet. Dafür kann es keine Relativierung geben, egal wer die Opfer waren!

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Staatsanwalt hat sich verhört

Prozess gegen Fabian Kienert, Radio Dreyeckland

von Minh Schredle

(zuerst erschienen in Kontext: Wochenzeitung Ausgabe 686 am 22. Mai 2024)

Der Journalist Fabian Kienert steht vor Gericht, weil er einen Link setzte. Damit habe er sich zum „Sprachrohr“ einer verbotenen Vereinigung gemacht, klagt Staatsanwalt Manuel Graulich an. Offenbar hat der Jurist ein paar Zeugenaussagen aber ziemlich falsch verstanden.

Mit großem Aufwand prüft das Landgericht Karlsruhe, ob sich der Journalist Fabian Kienert durch seine Berichterstattung strafbar gemacht hat. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm vor, er habe mit einem seiner Artikel als „verlängerter Arm“ und „Sprachrohr“ der seit 2017 verbotenen Vereinigung „linksunten.indymedia“ Propaganda betrieben. Konkrete Formulierungen, die als Appell zur Unterstützung verstanden werden könnten, enthält der inkriminierte Bericht nicht. Weiterlesen

Ein bisschen Spaß muss sein

Fest gegen rechts

von Minh Schredle

(zuerst erschienen in Kontext: Wochenzeitung Ausgabe 685 am 15. Mai 2024)

Politisches Engagement muss Freude machen, meint das Stuttgarter „Netzwerk gegen rechts“. Am Samstag gibt’s daher ein Fest mit analytischem Blick auf gesellschaftliche Desaster und mit Humor.

Der ordnungsliebende Immanuel Kant definiert in seiner „Anthropologie“ einen Dreiklang für den fruchtbaren Gedankenaustausch in Gesellschaft, und zwar in genau dieser Reihenfolge: erstens Erzählen, zweitens Räsonieren und drittens Scherzen. Nachdem alle über die Neuigkeiten des Tages im Bilde sind, folgt der kultivierte Streit um die Beurteilung der Ereignisse. „Weil aber das Vernünfteln immer eine Art von Arbeit und Kraftanstrengung ist“ und das auf Dauer beschwerlich werde, „so fällt die Unterredung natürlicherweise auf das bloße Spiel des Witzes“.

Obwohl dieser Leitfaden – Kant selbst spricht von „Gesetzen der verfeinerten Menschheit“ – schon über 200 Jahre alt ist, kommt die vergnügliche Komponente bei politischen Versammlungen oftmals zu kurz. Sie enden allzu häufig mit der bierernsten Erörterung über gesellschaftliche Missstände und lassen ihr Publikum spaßbefreit zurück. Wie viele Adorno-Lesezirkel verliefen ganz und gar ohne Zwerchfellerschütterung? Und unter uns: Wann haben Sie zuletzt auf einer Demonstration herzhaft gelacht?

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AfD-Infostand in Stuttgart – Antifa verneint Angriff

von Minh Schredle

(zuerst erschienen in Kontext: Wochenzeitung Ausgabe 685 am 15. Mai 2024)

Auf Grundlage einer dpa-Meldung behaupten etliche Medien, die Stuttgarter Antifa habe sich zu einem „Angriff“ auf die AfD bekannt. In dem entsprechenden Statement steht aber das Gegenteil.

Die Arbeit der Deutschen Presseagentur (dpa) genießt einen so guten Ruf, dass viele Redaktionen ihr buchstäblich blind vertrauen. Nicht nur die „Süddeutsche Zeitung“ übernimmt Meldungen „direkt aus dem dpa-Newskanal“. Am 10. Mai titelten unter anderem „Spiegel“, „Welt“, „Zeit Online“, FAZ, „t-online“, „Der Standard“, die „Augsburger Allgemeine“ und weitere Medien auf Grundlage eines dpa-Berichts: „Stuttgarter Antifa bekennt sich zu Angriff auf AfD-Infostand“.

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Kapitalismus und Antisemitismus

Vortrag und Diskussion mit Lothar Galow-Bergemann

Donnerstag, 23. Mai 2024, 19.00 Uhr Göttingen

Literaturhaus, Nicolaistrasse 22, 37073 Göttingen

Ein Vortrag im Rahmen der Veranstaltungsreihe “Let’s talk about…. Antisemitismus”

Kapitalismus beschreibt eine System, das gerade nicht auf personalisierter Herrschaft beruht. Wird er allerdings so verstanden, kann das besonders in Krisenzeiten fatale Konsequenzen haben. Schlimmstenfalls entlädt sich die Wut auf „die Gierigen“ im antisemitischen Vernichtungswahn.

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1.-Mai-Demo in Stuttgart – Fake News von der Polizei

von Minh Schredle

(zuerst erschienen in Kontext: Wochenzeitung Ausgabe 684 am 8. Mai 2024)

Stuttgart ist das neue Berlin, heißt es nach den Krawallen am 1. Mai. Die Polizei macht Angriffe von Demonstrant:innen für die Ausschreitungen verantwortlich – und nimmt es dabei nicht so genau mit der Wahrheit.

Im Vorjahr lag es an zwei Rauchtöpfen. Diesmal waren die Seitentransparente zu lang. Zum zweiten Mal in Folge hat die Polizei die „Revolutionäre 1. Mai“-Demo in Stuttgart wegen Auflagenverstößen gestoppt. Wieder berichtet die Polizei von einem Angriff durch Demonstrant:innen, auf den sie mit Pfefferspray und Schlagstöcken reagiert habe. Erneut gibt es viele Verletzte.

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Klassenkampf: Zaubermittel gegen Faschismus?

Nachhaltige Antworten auf die autoritäre Welle müssen anders aussehen

Vortrag und Diskussion mit Lothar Galow-Bergemann

Donnerstag, 4. Juli 2024, 21.00 Uhr, Berlin

Zeltlagerplatz Heiligensee, Rallenweg 4, 13505 Berlin

Eine Veranstaltung von krisis Kritik der Warengesellschaft im Rahmen des

Sommercamp der Gruppe Krisis
Gegen die autoritäre Wende

Mittwoch, 3. bis Sonntag, 7. Juli 2024 in Berlin Heiligensee

Klassenkampf muss sein. Aber höherer Lohn macht nicht antirassistisch, bezahlbarer Wohnraum nicht feministisch und ein Kindergartenplatz nicht kritisch gegen Verschwörungsdenken. Arbeiter*innen sind nicht von Autoritären und Faschisten „verführt“, sie haben ihren eigenen Kopf. Können sie ihre Arbeitskraft nicht verkaufen, ist ihr Lebensunterhalt gefährdet. Dieser Zwang ist eine Brutstätte des Autoritarismus. Zumal in Krisenzeiten. „Wer setzt sich durch – ich oder du, wir oder sie?“ Die rechte Welle entspringt der menschenfeindlichen kapitalistischen Ellenbogenkonkurrenz. Nur Kämpfe, die die Fesseln des Interesses von Arbeitskraftverkäufer*innen sprengen, können antikapitalistisch, antipatriarchal und antifaschistisch sein. „Klassenidentität“ hilft da nicht weiter.

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„Ein Tiefpunkt der Justiz“

Prozess gegen Fabian Kienert, „Radio Dreyeckland“

von Minh Schredle

(zuerst erschienen in Kontext: Wochenzeitung Ausgabe 682 am 24. April 2024)

Dem Journalisten Fabian Kienert drohen bis zu drei Jahre Haft, weil er in einem Artikel das Archiv einer verbotenen Vereinigung verlinkt hat. Dass es überhaupt zur Anklage kam, ist laut seiner Anwältin eine Schande. Vor dem Landgericht Karlsruhe startete nun der Prozess.

Der Beamte S. von der Freiburger Kriminalpolizei fällt aus allen Wolken, als er für seine Arbeit kritisiert wird. „Normalerweise sind mir Richter dankbar“, sagt er im Zeugenstand. Doch Axel Heim, Richter am Karlsruher Landgericht, wirkt regelrecht fassungslos, als er den Polizisten befragt.

Es ist der erste Verhandlungstag im Prozess gegen Fabian Kienert, Redakteur beim Freiburger Alternativsender „Radio Dreyeckland“ (RDL). Er muss sich verantworten, weil er in einem seiner Artikel die Archivseite der linksradikalen und seit 2017 verbotenen Plattform „linksunten.indymedia“ verlinkt hat. Vor Gericht spielen sich denkwürdige Szenen ab.

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Klassenkampf: Zaubermittel gegen Faschismus?

Nachhaltige Antworten auf die autoritäre Welle müssen anders aussehen

Vortrag und Diskussion mit Lothar Galow-Bergemann

Dienstag, 4. Juni 2024, 19.00 Uhr, Mönchengladbach

Astoria, Waldhausener Str. 14

Eine Veranstaltung von AStA der Hochschule Niederrhein und antifa désaccord Krefeld im Rahmen der Veranstaltungsreihe Antifaschistische Bildung

Klassenkampf muss sein. Aber höherer Lohn macht nicht antirassistisch, bezahlbarer Wohnraum nicht feministisch und ein Kindergartenplatz nicht kritisch gegen Verschwörungsdenken. Arbeiter*innen sind nicht von Autoritären und Faschisten „verführt“, sie haben ihren eigenen Kopf. Können sie ihre Arbeitskraft nicht verkaufen, ist ihr Lebensunterhalt gefährdet. Dieser Zwang ist eine Brutstätte des Autoritarismus. Zumal in Krisenzeiten. „Wer setzt sich durch – ich oder du, wir oder sie?“ Die rechte Welle entspringt der menschenfeindlichen kapitalistischen Ellenbogenkonkurrenz. Nur Kämpfe, die die Fesseln des Interesses von Arbeitskraftverkäufer*innen sprengen, können antikapitalistisch, antipatriarchal und antifaschistisch sein. „Klassenidentität“ hilft da nicht weiter.

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Audio: Fallstricke der Emanzipation

Autoritäres und Regressives in der Linken gestern und heute

Vortrag von Lothar Galow-Bergemann

gehalten am 17. April 2024

Alle Verhältnisse umzuwerfen, in denen der Mensch ein erniedrigtes, ein geknechtetes, ein verlassenes, ein verächtliches Wesen ist. Besser lassen sich Anspruch und Programm menschlicher Emanzipation nicht auf den Punkt bringen. Wenn der Begriff Links Sinn hat, dann diesen. Oft sehen linke Theorie und Praxis jedoch ganz anders aus. Was längst überwunden sein sollte, lebt auch in vielen linken und linksradikalen Strukturen und Denkweisen fort: Die Herrschaft von Zwangsgemeinschaften und von Menschen über andere Menschen.

Das kann sich in Männlichkeitskult und sexistischem Verhalten äußern, in der Vorliebe fürs Agitieren statt fürs Argumentieren oder in der Vorstellung, antifaschistische Akteur*innen seien stets im Recht, was auch immer sie tun. Aber auch im Glauben, man sei zur „Führung der Arbeiterklasse“ berufen. Der Griff in die Mottenkiste staatssozialistischer Parteidiktaturen und Sympathie für autoritäre Führergestalten wie Lenin liegen da oft nahe. Der Glaube, „die Klasse und das Volk“ brauche eigentlich nur die richtigen Führer, korreliert zudem mit zwei ebenso absurden wie folgenreichen Fehleinschätzungen: Nationalsozialismus und Antisemitismus seien die Folge rechter Verführungskünste und bürgerlich-rechtsstaatliche Verhältnisse seien letztlich ebenfalls „faschistisch“.

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Polizeigewalt: Der Schlächter von Hamburg

von Minh Schredle

(zuerst erschienen in Kontext: Wochenzeitung Ausgabe 680 am 10. April 2024)

Er freut sich darauf, im Einsatz linke Zecken zu verprügeln und gilt polizeiintern als Menschenfeind: Kontext liegen Chatprotokolle vor, in denen der Beamte Rainer Jäger (Name geändert) mit Gewalttaten prahlt. Konsequenzen hatte das bislang nicht, aber das könnte sich bald ändern.

Am 28. Juli 2017 bekommt Polizeiobermeister Rainer Jäger, der in Wahrheit anders heißt, eine Nachricht: Wie war es denn in Hamburg?, will jemand wissen. Jäger, damals 28 Jahre alt, war von Baden-Württemberg aus im Einsatz, um den G20-Gipfel 2017 abzusichern. Doch nach Ausschreitungen zwischen Polizei und Demonstrant:innen schreibt er: „Schlimm. Diese ganze Gewalt und Zerstörung.“ Kurz darauf folgt die Aufklärung: „Das war ein Scherz. Es war Mega gut.“ Er habe „ordentlich ausgeteilt“ und „hoffe nur das ich keine Post aus hh bekomme“. Die Post kam – doch Jäger hat sich zu Unrecht Sorgen gemacht.

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Audio: Dein Bauch gehört mir

Zum patriar­chalen Kern des Autori­tarismus

Vortrag von Larissa Schober

gehalten am 7. März 2024 in Stuttgart

Es war ein politisches Erdbeben, als der Oberste Gerichtshof der USA am 24. Juni 2022 Roe vs. Wade aufhob. Das Grundsatz­urteil garantierte bis dato das Recht auf Abtreibung. Die Entscheidung war jedoch nur der vorläufige Höhepunkt einer langen Entwicklung und kam nicht überraschend. Genauso wenig ist es Zufall, dass die autoritären Bewegungen, die weltweit auf dem Vormarsch sind, als erstes die Rechte von Frauen und Queers attackieren. Es geht dabei nicht um religiöse Gefühle oder Identitätspolitik, sondern um den Beginn eines autoritären Umbau der Gesellschaft – denn Geschlechterverhältnisse und autoritärer Charakter sind eng verknüpft. Der Vortrag gibt einen Überblick über die aktuellen Entwicklungen sowohl in den USA als auch in Deutschland und zeigt auf, was Patriarchat und Autoritarismus miteinander zu tun haben.

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