„Compact“-Verbot … Wieder durch die Hintertür

von Minh Schredle

(zuerst erschienen in Kontext: Wochenzeitung Ausgabe 694 am 17. Juli 2024)

Das rechtsextreme „Compact“-Magazin betrieb einen abstoßenden Schmierenjournalismus, der seine menschenverachtende Hetze absichtlich mit Falschinformationen unterfütterte. Die Art und Weise, wie die Publikation nun verboten wurde, hält unser Autor dennoch für problematisch.

Bei der inhaltlichen Bewertung ist der Bundesinnenministerin voll und ganz zuzustimmen: Das „Compact“-Magazin sei „ein zentrales Sprachrohr der rechtsextremistischen Szene“, erklärte Nancy Faeser (SPD) am vergangenen Dienstag: „Dieses Magazin hetzt auf unsägliche Weise gegen Jüdinnen und Juden, gegen Menschen mit Migrationsgeschichte und gegen unsere parlamentarische Demokratie.“ In boulevardesker Manier vermengen sich bei „Compact“ Wahlwerbung für die AfD, Verschwörungsgeraune, mal mehr mal minder codierter Antisemitismus und rassistische Hetze insbesondere gegen Muslime mit einer Verharmlosung des Nationalsozialismus und absichtlich gestreuten Lügen. Chefredakteur Jürgen Elsässer erläuterte dazu einmal im Gespräch mit dem RBB: „Es werden Erzählungen gemacht, es werden Märchen und Allegorien formuliert, die dann wabern. Es ist nicht die Wahrheit, aber es hält sozusagen die Volksseele, den Volksdiskurs am Laufen.“

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Mühsame Arbeit für eine freiere Gesellschaft

Zu Erich Mühsams 90.Todestag

von Thomas Tews

[zuerst erschienen am 10. Juli 2024 bei haGalil.com]

Der Anarchist, Chronist und Dichter Erich Mühsam kam am 6. März 1878 als Sohn jüdischer Eltern, des Apothekers Siegfried Mühsam sowie dessen Frau Rosalie, geb. Cohn, in Berlin zur Welt. In seinen eigenen Worten führte ihn sein späterer Lebensweg »aus dem bürgerlichen Beruf eines Apothekergehilfen ins Ungewisse dessen, was mir Freiheit schien und was sich auf dem schwankenden Grunde der erwerbsmäßigen Schriftstellerei aufbauen sollte«.

In seinen Bemühungen »um Wandlung von Welt und Gesellschaft« als Bohemien bezeichnet zu werden, störte Mühsam nicht, denn:

»Weder Armut noch Unstetigkeit ist entscheidendes Kriterium für die Boheme, sondern Freiheitsdrang, der den Mut findet, gesellschaftliche Bindungen zu durchbrechen […]. Weiterlesen

1.Mai-Demo in Stuttgart – Polizei beim Flunkern ertappt

von Minh Schredle

(zuerst erschienen in Kontext: Wochenzeitung Ausgabe 691 am 26. Juni 2024 unter dem Titel „Langsame Mühlen“)

Nach einem rabiaten Einsatz am 1. Mai 2024 hat Kontext die Stuttgarter Polizei beim Flunkern ertappt. Noch immer sind einige Fragen zu vermeintlichen Beweismitteln offen – doch Polizei, Staatsanwaltschaft und Verfassungsschutz verweigern die Auskunft.

Nachdem beim Einsatz zum „Revolutionären 1. Mai“ in Stuttgart mehr als 90 Demonstrant:innen durch Pfefferspray und Schlagstöcke verletzt worden waren, gab die Polizei eine Pressemitteilung heraus: Demnach sei der Demozug wegen zu langer Seitentransparante gestoppt und „mittels Lautsprecherdurchsagen mehrfach“ auf die Einhaltung der Auflagen hingewiesen worden. Dann hätten die Demonstrant:innen „unvermittelt“ mit „Pfefferspray, mitgeführten Dachlatten mit Schrauben, anderen Schlagwerkzeugen, Schlägen und Tritten“ angegriffen.

Kontext liegen allerdings mehrere Stunden Videomaterial und Augenzeugenberichte vor, die belegen, dass es gar keine Lautsprecherdurchsagen gegeben hat, bevor die Polizei unvermittelt Pfefferspray und Schlagwerkzeuge einsetzte. Aus dem Material ist auch kein ursprünglicher Angriff durch Demonstrant:innen zu erkennen. Es kam dann zu 167 Festnahmen, wobei die Personen von der Polizei eingekesselt wurden und zahlreiche Gegenstände konfisziert worden sind.

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Sticker: Gegen jeden Autoritarismus

Dazu gibt’s auch was ZU HÖREN

Alle unsere Sticker sind unter der Creative Commons Attribution-NonCommercial 4.0 International Public License frei verfügbar, um sie z.B. selbst in den Druck zu geben. Siehe hier.

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Staatsanwaltschaft lässt nicht locker

Prozess gegen Fabian Kienert, RDL

von Minh Schredle

(zuerst erschienen in Kontext: Wochenzeitung Ausgabe 689 am 12. Juni 2024)

Der Journalist Fabian Kienert wurde wegen einer Verlinkung angeklagt und nun freigesprochen. Ein Sieg für die Pressefreiheit ist das nur eingeschränkt, meint unser Autor. Dass der Staatsanwalt agieren konnte, wie er es getan hat, ist ein Skandal.

Denkwürdige Szenen spielen sich ab vor dem Landgericht Karlsruhe: Der Staatsanwalt steht hinter seinem Stuhl und hält sich mit beiden Händen an der Lehne fest, während er sein Plädoyer vorträgt. Mit zitternder Stimme erklärt Manuel Graulich, die linksextremistische Agitationsplattform „linksunten.indymedia“ habe „eine Struktur geschaffen, die es ermöglicht hat, beim G20-Gipfel 2017 in Hamburg halbe Stadtteile in Schutt und Asche zu legen“. Wer hinter dem Betrieb dieser seit sieben Jahren verbotenen Plattform steckt, konnte zwar nie vor Gericht bewiesen werden. Graulich aber ist sich sicher, dass es die Freiburger Antifa gewesen sein muss, als deren „Haus- und Hofberichterstatter“ der linksalternative Sender „Radio Dreyeckland“ (RDL) auftrete. Dem dort angestellten Redakteur Fabian Kienert wirft die Staatsanwaltschaft vor, durch die Verlinkung der Archivseite von „linksunten.indymedia“ in einem seiner Artikel die weitere Betätigung einer verbotenen Vereinigung unterstützt zu haben.

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Fallstricke der Emanzipation

Autoritäres und Regressives in der Linken gestern und heute

Vortrag und Diskussion mit Lothar Galow-Bergemann

Freitag, 26. Juli 2024, 19.00 Uhr, Weimar

Wunderbar, Gerberstrasse 3

Eine Veranstaltung von Aktionsbündnis gegen Antisemitismus Weimar

Alle Verhältnisse umzuwerfen, in denen der Mensch ein erniedrigtes, ein geknechtetes, ein verlassenes, ein verächtliches Wesen ist. Besser lassen sich Anspruch und Programm menschlicher Emanzipation nicht auf den Punkt bringen. Wenn der Begriff Links Sinn hat, dann diesen. Oft sehen linke Theorie und Praxis jedoch ganz anders aus. Was längst überwunden sein sollte, lebt auch in vielen linken und linksradikalen Strukturen und Denkweisen fort: Die Herrschaft von Zwangsgemeinschaften und von Menschen über andere Menschen.

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Islamismus ist keine Nebensächlichkeit, Islamismus tötet!

Am vergangenen Freitag hat ein islamistischer Angreifer an einem Stand von „Pax Europa“ auf dem Mannheimer Marktplatz sechs Menschen verletzt, von denen einer inzwischen gestorben ist.

Es ist offensichtlich, dass „Pax Europa“ seinem vorgeblichen Anspruch, den politischen Islam kritisieren und nicht gegen Muslime hetzen zu wollen, nicht gerecht wird. Was diese Leute vertreten, ist rassistisch und das Vorführen von Einzelpersonen bei ihren Veranstaltungen auf der Straße weit unter der Gürtellinie. Daran kann es keinen Zweifel geben und es ist notwendig dieser Hetze entschieden entgegen zu treten.

Doch bei dem Mordanschlag von Mannheim waren „Pax Europa“ nicht die Täter. Und ihnen gegenüber stand auch kein kritisch-progressiver Gegenprotest. Der Täter – der inzwischen leider zu einem Mörder geworden ist – war ein islamistischer Terrorist, der sich in seiner Ideologie gekränkt sah und mit einem riesigen Messer auf unbewaffnete Zivilist*innen sowie Polizist*innen einstach. Mehrere Menschen wurden schwer verletzt und ein junger Polizist brutal getötet. Dafür kann es keine Relativierung geben, egal wer die Opfer waren!

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CDU und AfD – finde den Unterschied

Kommunalwahl in Stuttgart

von Minh Schredle

(zuerst erschienen in Kontext: Wochenzeitung Ausgabe 687 am 29. Mai 2024)

In den nächsten Jahren verliert Stuttgart voraussichtlich zwei Drittel seiner Unterbringungsplätze für Geflüchtete. Fast alle im Gemeinderat bekennen sich zur gesetzlichen Verpflichtung, zu helfen. Die CDU liegt allerdings auf einer Linie mit der AfD.

Es sind Worte wie aus einer anderen Welt: Der Umgang mit Geflüchteten tauge in Stuttgart nicht als Wahlkampfthema, berichtete die „Stuttgarter Zeitung“ vor einem Jahrzehnt, als Kommunalwahlen anstanden. Das städtische Handeln sei bei diesem Thema „von einem breiten Konsens der Ratsfraktionen getragen, auch als es zuletzt um den Neubau von Unterkünften für die wachsende Zahl von Flüchtlingen ging“, hieß es damals. Und Autor Mathias Bury bilanzierte: „Diese Einmütigkeit ist ein wichtiger Grund für die Erfolge auf diesem Politikfeld.“

Tatsächlich gab es im Rathaus einmal eine parteien- und ideologieübergreifende Zusammenarbeit, wenn es darum ging, schutzsuchenden Menschen eine Zuflucht zu bieten. Doch der breite Konsens ist inzwischen aufgekündigt. Weiterlesen

Autos zu Straßenbahnen! Und dann?

Sozial-ökologischer Umbau der Wirtschaft und deutsche Autoindustrie

Vortrag und Diskussion mit Katharina Keil

mit einem Statement von Tobi Rosswog und einer Vertreter*in des DGB (angefragt)

Donnerstag, 11. Juli 2024, 19.30 Uhr, Stuttgart

Altes Feuerwehrhaus Süd, Möhringer Str. 56, 70199 Stuttgart

Eine Veranstaltung von Ende Gelände Stuttgart und Emanzipation und Frieden

Die Bewältigung der ökologischen Vielfachkrise, zuvorderst der Klimaerhitzung, ist die entscheidende soziale Frage des 21. Jahrhunderts. Dabei ist ein tiefgreifender Umbau der Wirtschaft zwingend notwendig- denn der Ursprung der Klimakrise liegt im fossilen Kapitalismus. Wir verbrennen Kohle, Öl, und Gas im Rahmen industrieller Produktion- seien es nun Tomaten oder Teslas. Allein, was produziert wird ist keine demokratisch ausgehandelte, bedürfnisorientierte Entscheidung, die unter Berücksichtigung planetarer Grenzen getroffen wird. Produziert wird, was sich lohnt, egal ob das Produkt Grundbedürfnisse aller oder Geltungsbedürfnisse der oberen 5% befriedigt.

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Staatsanwalt hat sich verhört

Prozess gegen Fabian Kienert, Radio Dreyeckland

von Minh Schredle

(zuerst erschienen in Kontext: Wochenzeitung Ausgabe 686 am 22. Mai 2024)

Der Journalist Fabian Kienert steht vor Gericht, weil er einen Link setzte. Damit habe er sich zum „Sprachrohr“ einer verbotenen Vereinigung gemacht, klagt Staatsanwalt Manuel Graulich an. Offenbar hat der Jurist ein paar Zeugenaussagen aber ziemlich falsch verstanden.

Mit großem Aufwand prüft das Landgericht Karlsruhe, ob sich der Journalist Fabian Kienert durch seine Berichterstattung strafbar gemacht hat. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm vor, er habe mit einem seiner Artikel als „verlängerter Arm“ und „Sprachrohr“ der seit 2017 verbotenen Vereinigung „linksunten.indymedia“ Propaganda betrieben. Konkrete Formulierungen, die als Appell zur Unterstützung verstanden werden könnten, enthält der inkriminierte Bericht nicht. Weiterlesen

Ein bisschen Spaß muss sein

Fest gegen rechts

von Minh Schredle

(zuerst erschienen in Kontext: Wochenzeitung Ausgabe 685 am 15. Mai 2024)

Politisches Engagement muss Freude machen, meint das Stuttgarter „Netzwerk gegen rechts“. Am Samstag gibt’s daher ein Fest mit analytischem Blick auf gesellschaftliche Desaster und mit Humor.

Der ordnungsliebende Immanuel Kant definiert in seiner „Anthropologie“ einen Dreiklang für den fruchtbaren Gedankenaustausch in Gesellschaft, und zwar in genau dieser Reihenfolge: erstens Erzählen, zweitens Räsonieren und drittens Scherzen. Nachdem alle über die Neuigkeiten des Tages im Bilde sind, folgt der kultivierte Streit um die Beurteilung der Ereignisse. „Weil aber das Vernünfteln immer eine Art von Arbeit und Kraftanstrengung ist“ und das auf Dauer beschwerlich werde, „so fällt die Unterredung natürlicherweise auf das bloße Spiel des Witzes“.

Obwohl dieser Leitfaden – Kant selbst spricht von „Gesetzen der verfeinerten Menschheit“ – schon über 200 Jahre alt ist, kommt die vergnügliche Komponente bei politischen Versammlungen oftmals zu kurz. Sie enden allzu häufig mit der bierernsten Erörterung über gesellschaftliche Missstände und lassen ihr Publikum spaßbefreit zurück. Wie viele Adorno-Lesezirkel verliefen ganz und gar ohne Zwerchfellerschütterung? Und unter uns: Wann haben Sie zuletzt auf einer Demonstration herzhaft gelacht?

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AfD-Infostand in Stuttgart – Antifa verneint Angriff

von Minh Schredle

(zuerst erschienen in Kontext: Wochenzeitung Ausgabe 685 am 15. Mai 2024)

Auf Grundlage einer dpa-Meldung behaupten etliche Medien, die Stuttgarter Antifa habe sich zu einem „Angriff“ auf die AfD bekannt. In dem entsprechenden Statement steht aber das Gegenteil.

Die Arbeit der Deutschen Presseagentur (dpa) genießt einen so guten Ruf, dass viele Redaktionen ihr buchstäblich blind vertrauen. Nicht nur die „Süddeutsche Zeitung“ übernimmt Meldungen „direkt aus dem dpa-Newskanal“. Am 10. Mai titelten unter anderem „Spiegel“, „Welt“, „Zeit Online“, FAZ, „t-online“, „Der Standard“, die „Augsburger Allgemeine“ und weitere Medien auf Grundlage eines dpa-Berichts: „Stuttgarter Antifa bekennt sich zu Angriff auf AfD-Infostand“.

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1.-Mai-Demo in Stuttgart – Fake News von der Polizei

von Minh Schredle

(zuerst erschienen in Kontext: Wochenzeitung Ausgabe 684 am 8. Mai 2024)

Stuttgart ist das neue Berlin, heißt es nach den Krawallen am 1. Mai. Die Polizei macht Angriffe von Demonstrant:innen für die Ausschreitungen verantwortlich – und nimmt es dabei nicht so genau mit der Wahrheit.

Im Vorjahr lag es an zwei Rauchtöpfen. Diesmal waren die Seitentransparente zu lang. Zum zweiten Mal in Folge hat die Polizei die „Revolutionäre 1. Mai“-Demo in Stuttgart wegen Auflagenverstößen gestoppt. Wieder berichtet die Polizei von einem Angriff durch Demonstrant:innen, auf den sie mit Pfefferspray und Schlagstöcken reagiert habe. Erneut gibt es viele Verletzte.

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Die autoritäre Dynamik des Kapitalismus – Wie dem Rechtsruck begegnen?

Vortrag und Diskussion mit Lothar Galow-Bergemann

Mittwoch, 15. Mai 2024, 19.00 Uhr, Wien

Bikes & Rails Wien, Bloch-Bauer-Promenade 9

Eine Veranstaltung von en commun wien

Die Erde erwärmt sich unaufhörlich, die Ozeane werden vermüllt. Hunger und Armut wachsen, selbst in den reicheren Weltregionen. Zoonosen häufen sich. Kriege und Kriegsgefahr werden immer bedrohlicher. Noch nie waren so viele Menschen auf der Flucht.

Es mangelt nicht an Konferenzen und Beschlüssen „zur Nachhaltigkeit“. Doch eine Wirtschaftsweise, der unendliches Wachstum, maximaler Profit und steigende Aktienkurse wichtiger sind als das Leben künftiger Generationen, schafft Probleme, die sie selbst nicht lösen, sondern nur weiter vertiefen kann.

Weltweit kämpfen viele Menschen gegen die Folgen an. Die Einsicht, dass Umweltkrise, soziales Elend, rassistische und sexistische Unterdrückung miteinander zusammenhängen, verbreitet sich. Immer weniger Menschen finden sich mit Diskriminierung ab, immer mehr fordern das Recht ein, ohne Angst verschieden sein zu können. Sie verlangen, „dass es nicht mehr so weitergeht“.

Aber viele bestehen auch explizit darauf, „dass es so weitergeht“. Je tiefer die Krise, desto mehr klammern sie sich an das, was keine Perspektive mehr hat. Weiterlesen

„Ein Tiefpunkt der Justiz“

Prozess gegen Fabian Kienert, „Radio Dreyeckland“

von Minh Schredle

(zuerst erschienen in Kontext: Wochenzeitung Ausgabe 682 am 24. April 2024)

Dem Journalisten Fabian Kienert drohen bis zu drei Jahre Haft, weil er in einem Artikel das Archiv einer verbotenen Vereinigung verlinkt hat. Dass es überhaupt zur Anklage kam, ist laut seiner Anwältin eine Schande. Vor dem Landgericht Karlsruhe startete nun der Prozess.

Der Beamte S. von der Freiburger Kriminalpolizei fällt aus allen Wolken, als er für seine Arbeit kritisiert wird. „Normalerweise sind mir Richter dankbar“, sagt er im Zeugenstand. Doch Axel Heim, Richter am Karlsruher Landgericht, wirkt regelrecht fassungslos, als er den Polizisten befragt.

Es ist der erste Verhandlungstag im Prozess gegen Fabian Kienert, Redakteur beim Freiburger Alternativsender „Radio Dreyeckland“ (RDL). Er muss sich verantworten, weil er in einem seiner Artikel die Archivseite der linksradikalen und seit 2017 verbotenen Plattform „linksunten.indymedia“ verlinkt hat. Vor Gericht spielen sich denkwürdige Szenen ab.

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Audio: Fallstricke der Emanzipation

Autoritäres und Regressives in der Linken gestern und heute

Vortrag von Lothar Galow-Bergemann

gehalten am 17. April 2024

Alle Verhältnisse umzuwerfen, in denen der Mensch ein erniedrigtes, ein geknechtetes, ein verlassenes, ein verächtliches Wesen ist. Besser lassen sich Anspruch und Programm menschlicher Emanzipation nicht auf den Punkt bringen. Wenn der Begriff Links Sinn hat, dann diesen. Oft sehen linke Theorie und Praxis jedoch ganz anders aus. Was längst überwunden sein sollte, lebt auch in vielen linken und linksradikalen Strukturen und Denkweisen fort: Die Herrschaft von Zwangsgemeinschaften und von Menschen über andere Menschen.

Das kann sich in Männlichkeitskult und sexistischem Verhalten äußern, in der Vorliebe fürs Agitieren statt fürs Argumentieren oder in der Vorstellung, antifaschistische Akteur*innen seien stets im Recht, was auch immer sie tun. Aber auch im Glauben, man sei zur „Führung der Arbeiterklasse“ berufen. Der Griff in die Mottenkiste staatssozialistischer Parteidiktaturen und Sympathie für autoritäre Führergestalten wie Lenin liegen da oft nahe. Der Glaube, „die Klasse und das Volk“ brauche eigentlich nur die richtigen Führer, korreliert zudem mit zwei ebenso absurden wie folgenreichen Fehleinschätzungen: Nationalsozialismus und Antisemitismus seien die Folge rechter Verführungskünste und bürgerlich-rechtsstaatliche Verhältnisse seien letztlich ebenfalls „faschistisch“.

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Polizeigewalt: Der Schlächter von Hamburg

von Minh Schredle

(zuerst erschienen in Kontext: Wochenzeitung Ausgabe 680 am 10. April 2024)

Er freut sich darauf, im Einsatz linke Zecken zu verprügeln und gilt polizeiintern als Menschenfeind: Kontext liegen Chatprotokolle vor, in denen der Beamte Rainer Jäger (Name geändert) mit Gewalttaten prahlt. Konsequenzen hatte das bislang nicht, aber das könnte sich bald ändern.

Am 28. Juli 2017 bekommt Polizeiobermeister Rainer Jäger, der in Wahrheit anders heißt, eine Nachricht: Wie war es denn in Hamburg?, will jemand wissen. Jäger, damals 28 Jahre alt, war von Baden-Württemberg aus im Einsatz, um den G20-Gipfel 2017 abzusichern. Doch nach Ausschreitungen zwischen Polizei und Demonstrant:innen schreibt er: „Schlimm. Diese ganze Gewalt und Zerstörung.“ Kurz darauf folgt die Aufklärung: „Das war ein Scherz. Es war Mega gut.“ Er habe „ordentlich ausgeteilt“ und „hoffe nur das ich keine Post aus hh bekomme“. Die Post kam – doch Jäger hat sich zu Unrecht Sorgen gemacht.

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Fallstricke der Emanzipation

Autoritäres und Regressives in der Linken gestern und heute

Vortrag und Diskussion mit Lothar Galow-Bergemann

  • Der Vortrag ist mittlerweile HIER zu hören

Dienstag, 16. April 2024, 19.30 Uhr, Köln

Bottmühle, Severinswall 32, 50678 Köln

Eine Veranstaltung von Polaris Gruppe für materialistische Gesellschaftskritik, SJ – Die Falken KV Köln und StAVV Studierendenausschuss

Mittwoch, 17. April 2024, 20.00 Uhr, Bonn

Hörsaal VIII, Hauptgebäude der Uni Bonn, Regina-Pacis-Weg 6

(Zugang ab 19.45 Uhr)

Eine Veranstaltung von Mis en Misère

Donnerstag, 18. April, 19.00 Uhr, Gießen

AK 44, Alter Wetzlarer Weg 44, 35392 Gießen

Eine Veranstaltung von AK 44 Autonomes Kulturzentrum

Alle Verhältnisse umzuwerfen, in denen der Mensch ein erniedrigtes, ein geknechtetes, ein verlassenes, ein verächtliches Wesen ist. Besser lassen sich Anspruch und Programm menschlicher Emanzipation nicht auf den Punkt bringen. Wenn der Begriff Links Sinn hat, dann diesen. Oft sehen linke Theorie und Praxis jedoch ganz anders aus. Was längst überwunden sein sollte, lebt auch in vielen linken und linksradikalen Strukturen und Denkweisen fort: Die Herrschaft von Zwangsgemeinschaften und von Menschen über andere Menschen.

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Lokaljournalismus: Systemrelevante Selbstausbeutung

von Minh Schredle

(zuerst erschienen in Kontext: Wochenzeitung Ausgabe 676 am 13. März 2024)

Die Pressevielfalt schwindet und dort, wo nicht mehr berichtet wird, erstarkt der Populismus. Kürzlich hat eine Studie diesen Zusammenhang am Beispiel baden-württembergischer Gemeinden untersucht. Kontext hat Reaktionen gesammelt.

Ganz im Osten Baden-Württembergs, an der Grenze zu Bayern, liegt die Gemeinde Fichtenau, die mit ihren knapp 5.000 Einwohner:innen „zu klein ist für eine eigene Zeitung“. So sagt es Anja Schmidt-Wagemann, die parteilose Bürgermeisterin, die gerade am Anfang ihrer zweiten Amtszeit steht und stolz ist auf ihren Ort: Auf Facebook teilt sie regelmäßig idyllische Schnappschüsse, zum Beispiel von eingeschneiten Wanderwegen oder vom Blick auf den kleinen See Brettenweiher, und immer mit dem Kommentar: „So schön ist Fichtenau …“

Doch wenn die Gemeinde in Schlagzeilen auftaucht, ist der Anlass meist weniger hübsch: Dann gab es vielleicht eine Schlägerei im Ortsteil Matzenbach. „Oftmals wird nur was Reißerisches oder Negatives gesucht“, ärgert sich Schmidt-Wagemann, die eigentlich überzeugt ist, dass „mehr Aufklärung und Information aus erster Hand sinnvoll wäre“. Aber eben sorgfältig recherchiert und nüchtern aufbereitet. „Wir haben einen Reporter, der in unserer Gemeinde wohnt“, erklärt die Bürgermeisterin gegenüber Kontext. „Seine Berichte sind immer angenehm zu lesen und sehr sachlich. Allerdings schreibt er nicht so oft über uns – und zudem hat er jetzt auch noch gekündigt.“

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