Virtueller Vortrag und Diskussion mit Lothar Galow-Bergemann
Donnerstag, 4. Juni 2020, 19.30 Uhr
Eine Veranstaltung der Ideologiekritischen Gruppe »Flying Fortress«
Dass die Welt, die wir kennen, im Eiltempo zerfällt, war schon vor der Coronakrise mit Händen zu greifen. Ob von Klima, Finanzen, Wirtschaft, Sozialsystemen, Demokratie, Migration oder internationalen Beziehungen die Rede ist – schon lange fällt wie von selbst das Wort Krise. Mit der Ausbreitung des Coronavirus spitzt sich diese allgemeine Krise in einer Geschwindigkeit und einem Ausmaß zu, wie es sich noch vor kurzem kaum jemand vorstellen konnte.
Klima- und Coronakrise demonstrieren eindrücklich, dass „unsere Wirtschaft“ existentiellen Herausforderungen nicht gewachsen ist. Die Klimakrise offenbart, dass mit deren Prinzipien „Ewiges Wachstum, Maximaler Profit, Steigende Aktienkurse“ die Zerstörung des Planeten programmiert ist. Die Coronakrise führt zudem drastisch vor Augen, dass diese Wirtschaft bereits in kürzester Zeit Leichenberge produzieren würde, wenn nicht massiv in sie eingegriffen würde. Die Notbremse zieht im Moment, mehr schlecht als recht, der Staat und er führt damit alles ad absurdum, was gestern noch als unumstößlich und heilig galt – von der Schuldenbremse bis hin zum angeblich so segensreichen Wirken des Marktes selbst.
Doch die Spatzen pfeifen von den Dächern, welche Folgen diese staatlichen Beatmungsversuche der Wirtschaft haben werden. Denn Staaten und Zentralbanken können sie nicht beliebig und ungestraft mit Geld fluten. Die Krisenanfälligkeit des Systems wird noch größer und stellt bereits heute alles in den Schatten, was wir 2008/2009 und in den Folgejahren erlebt haben. Die Logik der Kapitalverwertung erzwingt, dass die Leute möglichst schnell wieder arbeiten gehen sollen – auch wenn deswegen die Infektionsraten wieder steigen. Besser es sterben Menschen als die Wirtschaft bricht ein, lautet der Offenbarungseid des Kapitalismus.
Eine Rückkehr zum so genannten Normalzustand darf es nicht geben. Schon deswegen, weil wir mit dieser Wirtschaft der nächsten Pandemie noch mehr ausgeliefert wären. Es ist also nicht gegen die von Anfang an nur halblebigen staatlichen Versuche zu demonstrieren, ein Mindestmaß an Gesundheitsschutz zu gewährleisten – so wie das eine Kreuz- und Querfront des politischen Irrsinns derzeit auf den so genannten Corona-Demos tut. Ganz im Gegenteil ist der Ausstieg aus der absurden Logik der Kapitalverwertung zu fordern, die unser Leben und unsere Gesundheit bedroht. In einer vernünftig organisierten Wirtschaft könnte die Automobilproduktion massiv gedrosselt werden, ohne dass deswegen die Mittel für eine gute Gesundheitsversorgung fehlen. Und einen sachlichen Zusammenhang zwischen guter und stabiler Lebensmittelversorgung und steigenden Aktienkursen gibt es auch nicht.
Doch wir müssen diesem Absurdistan nicht hilflos ausgeliefert bleiben. Mit unserer Produktivität, unserem Wissen, unseren Fähigkeiten und unserer Phantasie können wir auch ganz anders wirtschaften, ohne dabei den tragischen Irrweg des Staatssozialismus zu wiederholen. Wir werden wirklich nachhaltig wirtschaften und Wachstumszwang und Aktienkurse ins Museum verbannen. Unser Wirtschaften wird endlich den stofflichen Reichtum, den wir zum Leben brauchen zum Mittelpunkt haben: Kleidung, Nahrung, Gesundheit, Wohnen, Bildung, Wissenschaft, Kultur – für alle Menschen.
Weil ein Großteil dessen, wofür wir gegenwärtig arbeiten, allein der zerstörerischen Logik der Kapitalverwertung dient, werden wir sehr vieles, wofür Menschen heute schuften müssen, ersatzlos abschaffen und vieles andere wesentlich reduzieren. Auch, wenn wir dann endlich genügend Zeit und Möglichkeiten für die notwendigen Care-Tätigkeiten wie z.B. die Gesundheitsversorgung haben werden, können wir die gesamtgesellschaftliche Arbeitszeit massiv reduzieren. Unser Leben wird reicher, sicherer und besser sein.
Lothar Galow-Bergemann hat lange in der Krankenpflege gearbeitet, war Personalrat in zwei Großkliniken und schreibt u.a. für konkret, Jungle World und www.emafrie.de
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