Es rettet uns kein höh´res Wesen, kein Gott und auch kein Staat
Vortrag von Ernst Lohoff
In Friedenszeiten hat der Staat noch nie derart rigide in unser Alltagsleben eingegriffen wie angesichts der Corona-Pandemie. Gerade die westlichen Gesellschaften spaltet dieser Ausnahmezustand tief. Das Gros der Bevölkerung betrachtet die Verhinderung eines Massensterbens als vordringlichste Staatsaufgabe und akzeptiert angesichts der Bedrohung durch den Virus auch massive Einschränkungen; für eine lautstarke Minderheit ist das alles Teufelswerk. Der Staat nutzt angeblich Corona nur als Vorwand, um sinistre Pläne durchzusetzen und uns unserer Grundrechte zu berauben.
Staatsfixiert sind freilich beide Positionen. Dabei macht die Corona-Krise nur die inneren Widersprüche staatlicher Regulation und deren Grenzen sichtbar. In einer in getrennte Konkurrenzsubjekte aufgelösten Gesellschaft stellt zwar der Staat die einzige Instanz dar, die überhaupt für Seuchenschutz sorgen kann; für ein passgenaues, an den Bedürfnissen der Bevölkerung orientiertes Vorgehen gegen die Pandemie sind staatliche Gesetze und Verordnungen allerdings ein viel zu grobes Instrument. Hinzu kommt, dass die vor allem bei den westlichen Regierungen ausgeprägte extreme Rücksichtnahme auf diverse Wirtschaftsinteressen die Bekämpfung der Pandemie sabotiert. Der durch Corona entstandene Ausnahmezustand ist aber kein Grund, vom starken Kommando-Staat zu träumen. Damit unsere Gesellschaft fähig wird, Krisen wie die Corona-Pandemie zu bewältigen, muss die Zivilgesellschaft in eine neue, weit selbstbewusstere Rolle hineinwachsen. Nicht der Staat kann uns retten, sondern nur neue Formen gesellschaftlicher Selbstorganisation.
Ernst Lohoff schreibt bei krisis – Kritik der Warengesellschaft und ist Mitherausgeber von Shutdown – Klima, Corona und der notwendige Ausstieg aus dem Kapitalismus