Zur geschmacklosen Vermengung von realem Terror und Verschwörungstheorien – politische Bildung oder Verblödung oder schlimmer ?
Analyse von “KenFM: Terror lebt vom Timing” (Quelle: Youtube)
von John Wu
Als Audiobeitrag hier zu hören.
“Gelenkte Demokratie”, “wir werden benutzt”. Das Weltgeschehen ist die Kulisse, dahinter – im Geheimen – spielt sich alles ab. Wenn ich so etwas schon höre.
Obwohl das Konzept der im Hintergrund stattfindenden Verschwörungen festes Sendekonzept von KenFM zu sein scheint, schafft es der Moderator im aktuellen Beitrag endgültig, sich die Krone des schlechten Geschmacks aufzusetzen, indem er auf dem Rücken der Opfer in Paris absurdeste Verschwörungstheorien unter seinen (z.T. jungen) Zuschauern verbreitet.
“Terror lebt vom Timing” – um zu begreifen, was bereits der Titel suggeriert, genügt ein Blick auf einzelne Textstellen.
Der Autor entwirft gleich zu Beginn einen Zusammenhang zu den Anschlägen vom 11. September 2001. Der „informierte“ Zuhörer weiß natürlich, worauf der „Journalist“ Ken Jebsen damit anspielt: Dass alles, was an diesem folgenschweren Tag im Fernsehen zu sehen war, nur die gut inszenierte Aufführung einer mächtigen, im Hintergrund agierenden Gruppe von Verschwörern war, die die Fäden des Weltgeschehens von Amerika bis Israel fest im Griff halten.
Doch damit nicht genug. In coolen Jugendsprech („hier liegt der Hase im Pfeffer“) erfahren wir, dass dies ziemlich wahrscheinlich auch im aktuellen Fall, den Attentaten von Paris, so war. Was das für ein junges Gehirn auf der Suche nach Erklärungen für die komplexen Geschehnisse der Welt – zumal im Zustand der Verunsicherung nach einem Terroranschlag – bedeutet, kann verharmlosend als politische Verdummung bezeichnet werden.
„Fakt ist, die Täter in Paris agierten wie Profis (…), sie bewegten sich wie ausgebildete Special Forces“. Damit ist klar, wer die Anschläge zu verantworten hat: Nicht etwa menschenverachtende islamistische Idioten, sondern „Special Forces“- wahlweise ausgebildet vom Westen, der Nato oder eben – dem Ami.
So geht es weiter.
Der – französischen – Politik wird vorgeworfen, einen „Ersatzfeind“ zu kreieren, um von anderen Problemen abzulenken. Die französische Presse müsse sich fragen lassen „wie unabhängig“ sie ist. Flug MH17, die NSA, aber auch Statistiken, die die Häufigkeit, vom Blitz getroffen zu werden, mit der Häufigkeit, Opfer islamistischer Anschläge zu werden, in Verbindung bringen, werden zusammengerührt. Alles unter den Eindrücken der Anschläge von Paris.
Das ist nicht nur extrem geschmacklos, die Umdeutungen der Vorgänge tendiert ins Wahnhafte. Die „Amerikanisierung von Europa“ zuletzt setzt dem ganzen den Hut auf. In einer Zeit, in der jeder und jede auf die Straße geht, weil er/sie sich von „Scheinbarem“ bedroht fühlt, zeigt dies nur, welches ganz persönliche Bedrohungsszenario der Moderator favorisiert.
Was hier angeboten wird, könnte man verharmlosend als eine Art „RTL2“ der
politischen Bildung betrachten, als ein dumm – bildendes Element unter vielen, das die selbsternannten „alternativen Medien“ in ihrem Selbstverständnis der Mainstream- und „Lügenpresse“ entgegenhalten.
Es ist schlimmer. Die ständige Indoktrination, dass hinter allem eine verborgene Wahrheit liegt, erzeugt beim (vermutlich politisch eher ungebildeten, aber neugierigen) Zuhörer Angst und Ohnmachtsgefühle. Die permanente Nichtanerkennung von realen und politischen Vorgängen und das Umdeuten des Weltgeschehens ist eben alles andere als fundierte Kritik an Staat, Medien und Gesellschaft. Sie schürt stattdessen irrationales Misstrauen und bewirkt das Gegenteil von politischem oder gesellschaftlichem Engagement beim Zuhörer.
Wer einmal davon infiziert ist, wird der Welt gegenüber misstrauisch, nimmt nicht mehr aktiv teil, sondern schottet sich ab, wird passiv. Dort im Stillen wartet er dann auf die nächste große Verkündung „hintergründiger“ Informationen des selbsternannten Propheten. Oder, noch schlimmer, er wird zur unkritischen Manövriermasse gewissenloser Demagogen.