Solidarität mit dem Freiheitskampf der Menschen im Iran!

Mit dem iranischen Regime darf man nicht kuscheln, man muss es stürzen.

Rede von Lothar Galow-Bergemann, Gruppe Emanzipation und Frieden, auf der Solidaritätskundgebung mit der demokratischen Massenbewegung im Iran am 4. Juli 2009, Schlossplatz Stuttgart
Liebe Freundinnen und Freunde,
der Kampf gegen das Teheraner Regime ist nicht nur ein ermutigendes Zeichen der Hoffnung dafür, dass die Menschen weltweit früher oder später überall gegen Diktatur und Unterdrückung aufstehen werden, dieser Kampf ermutigt auch alle, die darauf hoffen, dass die Herrschaft der religiösen Fanatiker im Iran nachhaltig ins Wanken gerät und letztendlich abgeschüttelt und beendet werden kann.
Unsere Hochachtung gilt den Millionen Iranern, die sich unter größten Gefahren für Leib und Leben dem Terror des Regimes entgegenstellen. Wir bewundern ganz besonders den schier unglaublichen Mut der iranischen Frauen, die doppelt und dreifach unter dieser verbrecherischen Herrschaft leiden und die eine ganz herausragende Rolle beim Kampf um Freiheit und Menschenwürde im Iran spielen.
Der Protest von Millionen gegen das verhasste Regime ist mehr als nur eine innere Angelegenheit des Iran oder der Iranerinnen und Iraner. Er beflügelt weltweit alle Menschen, die sich gegen Diktatur, für gleiche Rechte, für individuelle und gesellschaftliche Emanzipation undfür Frieden einsetzen.
Das Regime des religiösen Fundamentalismus, das keine Trennung zwischen Religion und Politik zulässt, das im Gegenteil seinen Fanatismus zur Staatsdoktrin erklärt, hat in diesen Tagen und Wochen für die ganze Welt erkennbar sein wahres Gesicht gezeigt. Es geht mit verachtungswürdigsterBrutalität gegen seine eigenen BürgerInnen vor, lässt sie von seinen verhetzten und ideologisierten Schlägerbanden erbarmungslos niederknüppeln, ermordet systematisch Menschen, die sich gegen die Diktatur auflehnen und wirft sie in seine Folterkeller, die schon jetzt überfüllt sind.
In diesen Tagen zeigt sich aber auch, was für eine riesengroße Gefahr dieses Regime nicht nur für die Menschen im Iran, sondern für die ganze Welt ist. Getreu der Methode aller Diktaturen, die in Schwierigkeiten geraten, ergehen sich die Herrscher in Teheran in Verschwörungsphantasien und versuchen, dunkle Kräfte aus dem Ausland für ihre eigenen Schwierigkeiten verantwortlich zu machen. Sie lassen gefolterte Oppositionelle im Fernsehen auftreten, die dort unter Todesangst aussagen müssen, sie seien von ausländischen Geheimdiensten zum Protest aufgestachelt worden. Diese verabscheuungswürdigen Methoden gleichen bis ins Detail dem Verfahren der stalinistischen Schauprozesse in der ehemaligen Sowjetunion.
Selbst die reichlich späten und eher zaghaften Proteste einiger westlicher Regierungen nehmen die Herrscher des Iran zum Anlass, um außenpolitisch eine noch nicht da gewesene Aggressivität gegenüber dem Westen an den Tag zu legen. Die Gefangennahme britischer Botschaftsmitarbeiter und die Drohungen Ahmadinedjads sprechen Bände. Nicht auszudenken, vor welch furchtbarer Situation wir weltweit stünden, wenn die skrupellose Bande von Verbrechern, die in Teheran am Ruder ist, heute schon über die Atombombe verfügen würde. Man darf sich keine Illusionen darüber machen, dass sie sie einsetzen würden, wenn sie es für opportun hielten, um ihre aggressiv
en Pläne zu verwirklichen oder wenn sie ihre Herrschaft am Ende sehen würden. Alle führenden Vertreter des Regimes seit Chomeini, nicht nur Ahmadinedjad, haben damit gedroht, Israel auszulöschen. Alle führenden Vertreter des Regimes unterstützen und finanzieren weltweit Terrorbanden wie Hisbollah, Hamas und andere. Und dieses Regime lebte und lebt in der Wahnvorstellung von einer „westlich-zionistischen Weltverschwörung“, die angeblich für alles Böse auf dem Erdball verantwortlich ist. Deswegen würden zukünftige iranische Atomraketen uns alle unmittelbar bedrohen.
Leider besteht Anlass zu der Befürchtung, dass sich das Regime möglicherweise noch weiter radikalisieren wird in Richtung einer offenen islamistischen Militärdiktatur. Selbst einer der angeblich unterlegenen Präsidentschaftskandidaten, Karoubi, spricht jetzt von der Gefahr einer „iranischen Taliban-Regierung“. Es gibt also Gründe genug dafür, dass dieses Regime auf keinen Fall in den Besitz von Atomwaffen gelangen darf. Denn es würde die Welt früher oder später in den Strudel des atomaren Abgrundes reißen.
Liebe Freundinnen und Freunde, als Sie vor zweieinhalb Wochen auch hier in Stuttgart angefangen haben zu protestieren, waren Sie fast unter sich. Es ist gut, dass sich mittlerweile wenigstens einige Ursprungsdeutsche zu Ihnen gesellen und sich solidarisch zeigen. Aber es sind immer noch viel zu wenig. Und auch darauf muss an dieser Stelle in aller Deutlichkeit hingewiesen werden: Deutschland hat in Sachen Iran viel Dreck am Stecken. Sämtliche Bundesregierungen seit 1979 haben dem iranischen Gottesstaat nach Kräften dabei geholfen, am Leben zu bleiben. Ob Rot-Gelb unter Bundeskanzler Schmidt, Schwarz-Gelb unter Kohl, Rot-Grün unter Schröder oder Schwarz-Rot unter Merkel: Deutschland hat das Regime kontinuierlich mit massiven Wirtschaftsbeziehungen stabilisiert und ihm mit seiner Politik des sogenannten kritischen Dialogs überhaupt erst zu internationalem Gewicht und Ansehen verholfen. Deutschland ist bis heute der zweitwichtigste Handelspartner des Iran.
Auch Daimler gehört neben Siemens, Volkswagen, Dillinger Stahl und anderen zu den Hauptprofiteuren des deutschen Irangeschäftes. Vor fünf Jahren durchsuchte die Stuttgarter Staatsanwaltschaft die Konzernzentrale von DaimlerChrysler. Es ging um hunderte Lkw, die in den Iran verschoben wurden, wo sie vermutlich für Kriegszwecke umgerüstet wurden. Daimler-LKW sind offenbar auch Trägerfahrzeuge für die atomar bestückbare Mittelstreckenrakete Shahab-3.
Seit einiger Zeit redet man lieber nicht mehr so laut über die ganze Sache, aber das Geschäft geht im Stillen weiter. Trotzdem kommt immer wieder Erschreckendes ans Tageslicht. Ein ganz besonderer Skandal ist es, dass Siemens und Nokia dem Regime erst vor kurzem die Überwachungstechnik geliefert haben, mit dem es die Kommunikation der Opposition abhört und unterbricht, mit dem es neue und ungeheure Mittel in die Hand bekommen hat, um Menschen zu verfolgen und zu unterdrücken. Damit machen sich Deutschland und die EU unmittelbar der Beteiligung an der Unterdrückung der Menschen im Iran schuldig. “Rund zwei Drittel der iranischen Industrie sind maßgeblich mit Maschinen und Anlagen deutschen Ursprungs ausgerüstet, die Iraner sind durchaus auf deutsche Ersatzteile und Zulieferer angewiesen.“ Das sagt niemand anderes als der Geschäftsführer der Deutsch-Iranischen Handelskammer. Der Mann muss es wissen. Die zuweilen gehörte Behauptung, dass andere „die Lücke ausfüllen könnten“, sollte Deutschland den Iran wirtschaftlich boykottieren, ist folglich falsch. Deutschland hat – ganz anders als beispielsweise die USA – ein außerordentlich starkes Druckmittel gegen das iranische Regime in der Hand. Es ist ein Skandal, das Deutschland dieses Druckmittel nicht nutzt.
Wir verlangen eine entschiedene Umkehr der deutschen und europäischen Politik gegenüber dem Regime in Teheran. „Schweigen bedeutet die Anerkennung der Unterdrückung“. Es ist gut, dass die Bundeskanzlerin Worte der Solidarität mit den Menschen im Iran gefunden hat und dem iranischen Regime mit Konsequenzen für das Verhältnis zu Deutschland und zur EU gedroht hat. Aber diesen Worten müssen jetzt endlich auch Taten folgen.

– Intensive Wirtschaftsbeziehungen zum Iran bedeuten Unterstützung der Unterdrückung.
– Keine massiven Boykottmaßnahmen, kein Wirtschaftsembargo gegen das Regime zu verhängen, bedeutet Unterstützung der Unterdrückung.
– Keine Sondersitzung des UN-Sicherheitsrates einzuberufen, die die Verbrechen des Regimes entschieden verurteilt und harte Sanktionen verhängt, bedeutet Unterstützung der Unterdrückung.
– Die Botschafter einbestellen, ihnen ein bisschen „Dududu“ sagen und ansonsten alles beim Alten zu belassen, bedeutet Unterstützung der Unterdrückung.
– Und wenn Herr Helmut Scholz, Mitglied des Parteivorstandes der deutschen Linkspartei und des Vorstandes der Partei der Europäischen Linken sich gegen „eine weitere Destabilisierung der Lage“ und für „stabile politische Verhältnisse im Iran“ ausspricht, so bedeutet das Unterstützung der Unterdrückung. Denn wer sich in Zeiten des berechtigten Aufruhrs gegen die Unterdrücker ausgerechnet „Stabilität“ wünscht, der steht auf Seiten der Herrschenden. Nein, Herr Scholz, wir wollen keine Stabilisierung in Teheran, wir wollen den Sturz des verhassten Regimes.
– Und wenn der schwedische Ministerpräsident und amtierende EU-Ratspräsident Reinfeldt meint – so wörtlich – „dies darf nicht zu einem Konflikt zwischen dem Iran und dem Rest der Welt werden“, so bedeutet das Unterstützung der Unterdrückung. Doch, Herr Reinfeldt, dieser Konflikt muss zu einem Konflikt zwischen den Herrschern in Teheran und dem Rest der Welt werden.
Das verlangen die Opfer auf den Straßen Teherans. Das verlangt der Respekt vor den Ermordeten und ihren Angehörigen, denen das Regime aus Angst vor neuen Protestkundgebungen sogar die Trauerfeiern für ihre Liebsten verboten hat. Das verlangt die Solidarität mit den besonders unterdrückten Frauen im Iran. Das verlangt die Solidarität mit allen inhaftierten und gefolterten Regimekritikern und Gewerkschaftern. Und das verlangt nicht zuletzt schlicht und einfach der menschliche Anstand.
Die jahrzehntelange deutsche und europäische Politik des Dialogs hat das Regime im Iran ebenso wie die Politik der Kriegsdrohungen der letzten US-Administration nur noch stärker gemacht. Wer will, dass sich im Iran wirklich etwas zum Positiven verändert und wer keinen Krieg will, der muss erkennen, dass spätestens jetzt der geeignete Zeitpunkt für umfassende Boykott- und Sanktionsmaßnahmen gegen das iranische Regime gekommen ist.

Dreht dem Iran den Benzinhahn ab und ihr werdet sehen, wie schnell sich die Schwierigkeiten der Herrscher in Teheran vervielfachen werden, wie schnell das Regime noch mehr ins Trudeln geraten wird. Die Menschen im Iran und die Menschen auf der ganzen Welt vertragen keinen Gottesstaat. Mit diesem Regime darf man nicht kuscheln, dieses Regime muss man stürzen.
Liebe Freundinnen und Freunde, wir wünschen Ihnen, wir wünschen allen Menschen im Iran, dass die Protestbewegung zum Sieg gelangen möge und dass das Regime zum Teufel gejagt wird. Deswegen rufen wir gemeinsam mit Euch und mit Ihnen:
Marg bar dyktâtwry – Nieder mit der Diktatur!
Marg bar jmhwry eslami – Nieder mit der Islamischen
Republik!