Die Vertrauensfrage: Populismus im Rechtsstaat

von Minh Schredle

Nachdem Geflüchtete rechtswidrig an der deutschen Grenze zurückgewiesen wurden, delegitimieren führende Regierungspolitiker Gerichtsbeschlüsse. Fatal ist das, weil ein Verfassungsstaat eine Vertrauensbasis braucht – und nun elementare Grundsätze der Rechtsstaatlichkeit für billige Symbolpolitik geopfert werden. 

Der Militärputsch ist aus der Mode gekommen. Im Interview mit der “Zeit” beschreibt der Jurist Friedrich Zillessen, dass die Autoritären von früher “oft alle Regeln über Bord geworfen” hätten, um an die Macht zu gelangen. Heute, wo erneut eine autoritäre Welle über den Globus schwappt, habe sich diese Strategie verändert. “Man versucht, die Demokratie aus den Institutionen heraus zu schwächen.” Das geschieht nicht auf einen Schlag, nicht durch den einen Schlüsselmoment, der alles verändert – sondern durch tausend kleine Nadelstiche, die sich in einer schleichenden Erosion demokratischer Werte und Grundsätze bemerkbar machen. 

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“Nie wieder!” heißt auch: Aus linken Fehlern lernen

Essentials eines erfolgreicheren Antifaschismus

Vortrag und Diskussion mit Lothar Galow-Bergemann

Mittwoch, 16. Juli 2025, Dresden

Ort und Uhrzeit t.b.a.

Jahrzehntelang hat man sich in Deutschland damit gebrüstet, wie viel man aus der Geschichte gelernt habe. Doch wäre der Nationalsozialismus wirklich aufgearbeitet, gäbe es den Aufstieg der AfD nicht. Das offizielle „Nie wieder!“ vermag weniger denn je den braunen Dreck zu kaschieren, der über Generationen hinweg an Stamm- und Küchentischen weitergegeben wurde und heute wieder in großen Teilen der Gesellschaft kursiert. Menschenfeindliches, rassistisches und antisemitisches Denken und Handeln erfasst zunehmend auch die selbstgefällige „Mitte der Gesellschaft“, die sich „fern von allen Extremen“ wähnt. Nie seit 1945 war die autoritär-faschistische Gefahr so groß wie heute.

Doch auch in der Linken sind Nationalsozialismus und Antisemitismus oft immer noch nicht verstanden. Die Behauptung „das Volk wurde damals von den Nazis verführt“ traut den Menschen nicht zu, handelnde Subjekte zu sein. Das ist kompatibel mit der Überzeugung, man selbst sei zur „Führung der Arbeiterklasse“ berufen. Autoritarismus gibt es auch von Links. Besonders ausgeprägt erscheint er derzeit in dogmatischen „roten Gruppen“, die sich offen auf Führergestalten wie Lenin, Stalin und Mao berufen. Ganz so, als ob deren blutige Rezepte, die Millionen Menschenleben auf dem Gewissen haben, nicht längst desaströs gescheitert seien. Schon die „revolutionären“ Parolen der alten KPD blamierten sich 1933 auf dramatische Weise. Waren die K-Gruppen der 70er Jahre nur noch deren billiger Abklatsch, so sind ihre heutigen Wiedergänger nichts als der Abklatsch vom Abklatsch des Gescheiterten.

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Audio: Fallstricke der Emanzipation

Autoritäres und Regressives in der Linken gestern und heute

Vortrag von Lothar Galow-Bergemann

gehalten am 14. Mai 2025 in Jena

Anmoderation: Radio F.R.E.I. Erfurt

Alle Verhältnisse umzuwerfen, in denen der Mensch ein erniedrigtes, ein geknechtetes, ein verlassenes, ein verächtliches Wesen ist. Besser lassen sich Anspruch und Programm menschlicher Emanzipation nicht auf den Punkt bringen. Wenn der Begriff Links Sinn hat, dann diesen. Oft sehen linke Theorie und Praxis jedoch ganz anders aus. Was längst überwunden sein sollte, lebt auch in vielen linken und linksradikalen Strukturen und Denkweisen fort: Die Herrschaft von Zwangsgemeinschaften und von Menschen über andere Menschen.

Das kann sich in Männlichkeitskult und sexistischem Verhalten äußern, in der Vorliebe fürs Agitieren statt fürs Argumentieren oder in der Vorstellung, antifaschistische Akteur*innen seien stets im Recht, was auch immer sie tun. Aber auch im Glauben, man sei zur „Führung der Arbeiterklasse“ berufen. Der Griff in die Mottenkiste staatssozialistischer Parteidiktaturen und Sympathie für autoritäre Führergestalten wie Lenin liegen da oft nahe. Der Glaube, „die Klasse und das Volk“ brauche eigentlich nur die richtigen Führer, korreliert zudem mit zwei ebenso absurden wie folgenreichen Fehleinschätzungen: Nationalsozialismus und Antisemitismus seien die Folge rechter Verführungskünste und bürgerlich-rechtsstaatliche Verhältnisse seien letztlich ebenfalls „faschistisch“.

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Spielregeln und Freiräume bei Baden-Württembergs Polizei

Von Minh Schredle

Plötzlich hatte der Beamte eine Bestnote: Im Untersuchungsausschuss zur Beförderungspraxis bei Baden-Württembergs Polizei zeigt sich, dass Seilschaften im gehobenen Dienst eine Selbstverständlichkeit sind.

Am Anfang war die Zielvorstellung: Für das Amt des ranghöchsten Polizisten im Lande hatte Baden-Württembergs Innenminister Thomas Strobl (CDU) einen klaren Wunschkandidaten. Damit sein Protegé Andreas Renner im November 2020 als Inspekteur der Polizei (IdP) antreten konnte, beauftragte der Minister das Landespolizeipräsidium damit, ein “rechtskonformes Verfahren” durchzuführen. Das war allerdings nicht so einfach: Denn eigentlich sollen im öffentlichen Dienst die bestqualifizierten Bewerber:innen zum Zug kommen, das Grundgesetz definiert in Artikel 33 alle Deutschen hätten entsprechend ihrer “Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung gleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amte”. Im Fall von Andreas Renner erwies sich dieser Anspruch als Problem: denn im Vergleich zu potenziellen Kontrahent:innen hatte er zu schlechte Noten.

Dass der Minister dennoch bekam, wen er wollte, lag an verwaltungsrechtlichen Kunstgriffen, die zwar eindeutig dem Fairnessgebot in der Verfassung zuwiderlaufen, sich aber offenbar in einer rechtlichen Grauzone bewegen.

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Sicher sind wir nicht geblieben

Jüdischsein in Deutschland

Buchvorstellung und Diskussion mit Laura Cazés

Dienstag, 21. Oktober 2025, 19 Uhr, Stuttgart

Hospitalhof Stuttgart, Büchsenstr. 33

Was bedeutet es, heute in Deutschland jüdisch zu sein? Laura Cazés hat zwölf jüdische Autorinnen und Autoren gebeten, ihre Sicht auf das Leben in diesem Land, aber auch auf das »Jüdischsein« zu beschreiben. Entstanden sind sehr persönliche, vielschichtige Essays, nicht ohne Wut, aber auch nicht ohne Hoffnung, unter anderem von Mirna Funk, Daniel Donskoy, Richard C. Schneider, Erica Zingher und Shahrzad Eden Osterer.

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“Nie wieder!” heißt auch: Aus linken Fehlern lernen

Essentials eines erfolgreicheren Antifaschismus

Vortrag und Diskussion mit Lothar Galow-Bergemann

Samstag, 31. Mai 2025, 13.00 bis 15.00 Uhr, Gorleben

Beluga-Dreieck

Eine Veranstaltung im Rahmen des MSNT – Das solidarische Festival im Wendland während der Kulturellen Landpartie

Jahrzehntelang hat man sich in Deutschland damit gebrüstet, wie viel man aus der Geschichte gelernt habe. Doch wäre der Nationalsozialismus wirklich aufgearbeitet, gäbe es den Aufstieg der AfD nicht. Das offizielle „Nie wieder!“ vermag weniger denn je den braunen Dreck zu kaschieren, der über Generationen hinweg an Stamm- und Küchentischen weitergegeben wurde und heute wieder in großen Teilen der Gesellschaft kursiert. Menschenfeindliches, rassistisches und antisemitisches Denken und Handeln erfasst zunehmend auch die selbstgefällige „Mitte der Gesellschaft“, die sich „fern von allen Extremen“ wähnt. Nie seit 1945 war die autoritär-faschistische Gefahr so groß wie heute.

Doch auch in der Linken sind Nationalsozialismus und Antisemitismus oft immer noch nicht verstanden. Die Behauptung „das Volk wurde damals von den Nazis verführt“ traut den Menschen nicht zu, handelnde Subjekte zu sein. Das ist kompatibel mit der Überzeugung, man selbst sei zur „Führung der Arbeiterklasse“ berufen. Autoritarismus gibt es auch von Links. Besonders ausgeprägt erscheint er derzeit in dogmatischen „roten Gruppen“, die sich offen auf Führergestalten wie Lenin, Stalin und Mao berufen. Ganz so, als ob deren blutige Rezepte, die Millionen Menschenleben auf dem Gewissen haben, nicht längst desaströs gescheitert seien. Schon die „revolutionären“ Parolen der alten KPD blamierten sich 1933 auf dramatische Weise. Waren die K-Gruppen der 70er Jahre nur noch deren billiger Abklatsch, so sind ihre heutigen Wiedergänger nichts als der Abklatsch vom Abklatsch des Gescheiterten.

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Tradwifes & Gymbros

Zurück zur natürlichen Essenz von Geschlecht auf social media

Vortrag und Diskussion mit Jessica Alessandra Wagner

Donnerstag, 12. Juni 2025, 19.30 Uhr, Stuttgart

Sunny High, Bahnhofstraße 14-18, 70372 Stuttgart

Eine gemeinsame Veranstaltung von Sunny High, Queerfem Stuttgart und Emanzipation und Frieden

Die Analyse von Selbstinszenierungen von Creator*innen auf social media verdeutlicht nicht zuletzt mit Bezug zu Geschlecht ausgeprägte Tendenzen zur Stereotypisierung. Besonders deutlich wird dabei der Wunsch einer Rückbesinnung auf eine vermeintliche Natürlichkeit, einer Essenz von Geschlecht. Plastisch verdeutlichen lässt sich dies an sogenannten Tropes, die sich auf den Plattformen finden lassen wie beispielsweise „der Gymbro“, „die Tradwife“, „die Weiblichkeitscoachin“ oder „der Lifecoach“. Gemeinsam ist ihnen oft die Ablehnung alles „Modernen“ und der Wunsch nach Rückbesinnung zur vermeintlichen Essenz des Menschen, zu „weiblicher“ und „männlicher“ Energie. Dieser Vortrag beleuchtet die angeführten tropes und analysiert die dahinterstehende Ideologie im Spannungsfeld kapitalistischer Socialmedia Logiken sowie die Schnittpunkte zu rechten Ideologien.

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Fallstricke der Emanzipation

Autoritäres und Regressives in der Linken gestern und heute

Vortrag und Diskussion mit Lothar Galow-Bergemann

Mittwoch, 14. Mai 2025, 18.00 Uhr, Jena

Carl Zeiss Straße 3, Seminarraum 317

Eine Veranstaltung der Linksjugend Jena

  • Der Vortrag ist mittlerweile HIER zu hören

Alle Verhältnisse umzuwerfen, in denen der Mensch ein erniedrigtes, ein geknechtetes, ein verlassenes, ein verächtliches Wesen ist. Besser lassen sich Anspruch und Programm menschlicher Emanzipation nicht auf den Punkt bringen. Wenn der Begriff Links Sinn hat, dann diesen. Oft sehen linke Theorie und Praxis jedoch ganz anders aus. Was längst überwunden sein sollte, lebt auch in vielen linken und linksradikalen Strukturen und Denkweisen fort: Die Herrschaft von Zwangsgemeinschaften und von Menschen über andere Menschen.

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“Nie wieder!” heißt auch: Aus linken Fehlern lernen

Essentials eines erfolgreicheren Antifaschismus

Vortrag und Diskussion mit Lothar Galow-Bergemann

Dienstag, 6. Mai 2025, 18.00 Uhr, Hannover

UJZ Kornstraße, Kornstraße 28 – 30

Eine Veranstaltung von mata Hannover

Jahrzehntelang hat man sich in Deutschland damit gebrüstet, wie viel man aus der Geschichte gelernt habe. Doch wäre der Nationalsozialismus wirklich aufgearbeitet, gäbe es den Aufstieg der AfD nicht. Das offizielle „Nie wieder!“ vermag weniger denn je den braunen Dreck zu kaschieren, der über Generationen hinweg an Stamm- und Küchentischen weitergegeben wurde und heute wieder in großen Teilen der Gesellschaft kursiert. Menschenfeindliches, rassistisches und antisemitisches Denken und Handeln erfasst zunehmend auch die selbstgefällige „Mitte der Gesellschaft“, die sich „fern von allen Extremen“ wähnt. Nie seit 1945 war die autoritär-faschistische Gefahr so groß wie heute.

Doch auch in der Linken sind Nationalsozialismus und Antisemitismus oft immer noch nicht verstanden. Die Behauptung „das Volk wurde damals von den Nazis verführt“ traut den Menschen nicht zu, handelnde Subjekte zu sein. Das ist kompatibel mit der Überzeugung, man selbst sei zur „Führung der Arbeiterklasse“ berufen. Autoritarismus gibt es auch von Links. Besonders ausgeprägt erscheint er derzeit in dogmatischen „roten Gruppen“, die sich offen auf Führergestalten wie Lenin, Stalin und Mao berufen. Ganz so, als ob deren blutige Rezepte, die Millionen Menschenleben auf dem Gewissen haben, nicht längst desaströs gescheitert seien. Schon die „revolutionären“ Parolen der alten KPD blamierten sich 1933 auf dramatische Weise. Waren die K-Gruppen der 70er Jahre nur noch deren billiger Abklatsch, so sind ihre heutigen Wiedergänger nichts als der Abklatsch vom Abklatsch des Gescheiterten.

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“Nie wieder!” heißt auch: Aus linken Fehlern lernen

Essentials eines erfolgreicheren Antifaschismus

Vortrag und Diskussion mit Lothar Galow-Bergemann

Mittwoch, 7. Mai 2025, 18.15 Uhr, Göttingen

Universität, Platz-der-Göttinger-Sieben, Zentrales Hörsaalgebäude (ZHG 007)

Eine Veranstaltung des AStA Uni Göttingen

Jahrzehntelang hat man sich in Deutschland damit gebrüstet, wie viel man aus der Geschichte gelernt habe. Doch wäre der Nationalsozialismus wirklich aufgearbeitet, gäbe es den Aufstieg der AfD nicht. Das offizielle „Nie wieder!“ vermag weniger denn je den braunen Dreck zu kaschieren, der über Generationen hinweg an Stamm- und Küchentischen weitergegeben wurde und heute wieder in großen Teilen der Gesellschaft kursiert. Menschenfeindliches, rassistisches und antisemitisches Denken und Handeln erfasst zunehmend auch die selbstgefällige „Mitte der Gesellschaft“, die sich „fern von allen Extremen“ wähnt. Nie seit 1945 war die autoritär-faschistische Gefahr so groß wie heute.

Doch auch in der Linken sind Nationalsozialismus und Antisemitismus oft immer noch nicht verstanden. Die Behauptung „das Volk wurde damals von den Nazis verführt“ traut den Menschen nicht zu, handelnde Subjekte zu sein. Das ist kompatibel mit der Überzeugung, man selbst sei zur „Führung der Arbeiterklasse“ berufen. Autoritarismus gibt es auch von Links. Besonders ausgeprägt erscheint er derzeit in dogmatischen „roten Gruppen“, die sich offen auf Führergestalten wie Lenin, Stalin und Mao berufen. Ganz so, als ob deren blutige Rezepte, die Millionen Menschenleben auf dem Gewissen haben, nicht längst desaströs gescheitert seien. Schon die „revolutionären“ Parolen der alten KPD blamierten sich 1933 auf dramatische Weise. Waren die K-Gruppen der 70er Jahre nur noch deren billiger Abklatsch, so sind ihre heutigen Wiedergänger nichts als der Abklatsch vom Abklatsch des Gescheiterten.

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Der Dank für die Ernte

Ausländische Saisonarbeiter werden in Deutschland oft um ihren Lohn betrogen

von Minh Schredle

Eine Viertelmillion Saisonarbeiter:innen arbeiten jedes Jahr auf ­deutschen Äckern. Das Arbeitsrecht wird dabei systematisch umgangen. Der jüngste Bericht der Initiative Faire Landarbeit legt einen Schwerpunkt auf die Wucherpreise, die viele Saison­arbeiter:innen für Unterkunft und Verpflegung zahlen müssen.

Der Münchner Bezirk Altstadt-Lehel gilt als eine der exklusivsten Wohngegenden der Republik. Wer hier zur Miete lebt, muss laut Immobilenscout 24 durchschnittlich 24,13 Euro pro Quadratmeter zahlen. Es gibt aber durchaus Möglichkeiten, in Deutschland noch teurer unterzukommen – zum Beispiel in einem Container neben Spargelackern und Erdbeerfeldern. „Wuchermieten für Unterkünfte sind in der Landwirtschaft zur Normalität geworden“, bilanziert die Initiative Faire Landarbeit (IFL) in ihrem jüngst veröffentlichten Jahresbericht für 2024. Demnach arbeiten pro Jahr circa eine Viertelmillion Menschen aus dem Ausland auf deutschen Feldern – und viele von ihnen zahlen dabei Mietpreise von 30 bis 60 Euro pro Quadratmeter.

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40.000 leben weiter

Chris Grodotzki, “Kein Land in Sicht”

von Minh Schredle

Vor zehn Jahren startete Sea-Watch Rettungsmissionen für Geflüchtete im Mittelmeer. Der Fotograf und Journalist Chris Grodotzki begleitete das Projekt von Anbeginn zu Land und zu See. Zum Jubiläum veröffentlicht er ein Buch, das bislang unbekannte Einblicke bietet. 

Etwas Außergewöhnliches muss passiert sein, wenn sich die Springer-Presse für Menschlichkeit begeistert. “Das war nicht peinlich, sondern stark”, bilanzierte die “Welt”, nachdem eine Sendung der ARD-Talkshow “Günter Jauch” eine überraschende Wende genommen hatte: Im April 2015 – gerade waren bei einem Unglück im Mittelmeer mindestens 844 Menschen ertrunken – fragt Moderator Jauch: “Das Flüchtlingsdrama: Was ist unsere Pflicht?” Eingangs verläuft die Diskussion erwartbar. Der Ex-Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) will Schleusern entschlossen das Handwerk legen; Roger Köppel, Chefredakteur der rechtspopulistischen Schweizer “Weltwoche”, verortet die Schuld für die Todesfälle bei “politischen Eliten”, die illegale Migration nicht unterbänden. Den Kontrapunkt verkörpert Heribert Prantl. Er prangert um diese Zeit in seinen Kolumnen für die “Süddeutsche Zeitung” an, Europa schütze sich “vor Flüchtlingen mit toten Flüchtlingen”. Das Urteil des Juristen: “Diese Union tötet; sie tötet durch Unterlassung, durch unterlassene Hilfeleistung.”

Die Gäste auf dem Podium beharken sich also mit bekannten Standpunkten, “Jauch ließ die Streithähne weitgehend machen, so geht Debatte in Deutschland”, rezensiert der “Spiegel”. Aus den gewohnten Bahnen gerät der TV-Abend erst, als zum Ende der Sendung hin Spezialgast Harald Höppner eingeführt wird: als Mann, der ein Schiff – die Sea-Watch – gekauft hat und losfahren will, um Menschen in Seenot zu retten. Jauch fragt süffisant, ob das uralte Fischerboot denn überhaupt seetauglich sei. Doch der Gast geht darauf nicht ein, fordert stattdessen eine Schweigeminute und setzt sie gegen Widerworte des Moderators durch: “Deutschland sollte eine Minute Zeit haben, um dieser Menschen zu gedenken. Jetzt. Bitte.” Das macht so viel Eindruck, dass sogar Köppel die Klappe hält.

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Audio: Krankes Deutschland

Arbeit macht krank und Kranke sollen arbeiten

Vortrag von Minh Schredle

online gehalten am 30. Januar 2025

  • Der Vortrag inkluve anschließender Fragerunde ist auch HIER zu sehen

Der Mercedes-Chef und der Allianz-CEO sind sich einig: Der Krankenstand in Deutschland sei zu hoch, lautet ihr Befund. Wieder einmal sollen der Wirtschaftsstandort und „unser“ Wohlstand in Gefahr sein. Unternehmen schicken Privatdetektive los, die überprüfen sollen, ob Beschäftigte denn wirklich arbeitsunfähig sind, Lobbyverbände fordern von der Bevölkerung, entschlossener die Zähne zusammenzubeißen und in der FAZ befindet ein Kommentator: „Lohnfortzahlung in Deutschland ist nicht mehr zeitgemäß.“

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Für das Recht, angstfrei Rad zu fahren

Andreas Mandalka, Natenom

von Minh Schredle

Der Pforzheimer Aktivist Andreas Mandalka, bekannt als Natenom, warnte stets vor Risiken im Radverkehr. Dann wurde er auf einer Straße überfahren, vor deren Gefahren er gewarnt hatte. Unbekannte verwüsteten seine Gedenkstätte. Woher kommt der Hass auf Radfahrer?  

Mehr noch als durch die berühmtesten Architekten und die besten Stadtplanerinnen dürfte das Erscheinungsbild der Bundesrepublik durchs Auto geprägt worden sein: Der Straßenbau hat die Natur zuasphaltiert und gerade in stark bevölkerten Städten Menschen Raum genommen. Der Blick zurück in die 1920er-Jahre zeigt, wie die stetig mehr werdenden Autos Fahrradfahrer:innen dazu gedrängt hat, vermehrt auf Gehwege auszuweichen. Die geteilte Straßennutzung mit dem Auto barg seit jeher das einseitige Risiko, dass ein Zusammenstoß so gut wie immer übler für das Zweirad ausgeht. 

Einer, der zeitlebens auf die verschiedenen Gefahren der Fahrradnutzung hingewiesen hat, war der Aktivist Andreas Mandalka. Der Pforzheimer bloggte unter dem Pseudonym Natenom und machte zum Beispiel auf die Landstraße L574 aufmerksam, die Pforzheim und Neuhausen im Enzkreis verbindet. Mandalka, der auf dieser Strecke nach eigenen Angaben bis zu 1.000 Kilometer pro Monat mit dem Rad zurücklegte, erlebte hier viele knappe Überholmanöver. Im Juli 2020 wollte er es genauer wissen und hat nachgemessen. Ergebnis: Die Straße war gar nicht überall 3,75 Meter breit, wie in den Planungsunterlagen zur L574 ausgewiesen, sondern stellenweise nur 3,20.

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Radikale Arbeitszeitverkürzung als Zukunftsprojekt

Workshop mit Lothar Galow-Bergemann

Montag, 7. April 2025, Lohr

IG Metall Bildungszentrum

im Rahmen des Seminars Arbeitszeitverkürzung: Die 4-Tage-Woche im Betrieb

Immer noch mehr Autos, noch mehr Plastik im Meer, noch höhere Finanzgebirge, noch mehr CO2. Wir arbeiten für eine Megamaschine, die Mensch und Natur ihrem Diktat unterwirft. Die Klimakrise ist der sichtbarste Ausdruck. Doch auch die Kluft zwischen Reich und Arm wächst, Gesundheit, Bildung und Soziales werden vernachlässigt, Wohnen und Rentensystem werden unbezahlbar.

Gleichzeitig leiden immer mehr Menschen unter dem Arbeitsdruck und wollen raus aus der Mühle. Da klingt es wie ein Hohn, wenn Politik und Arbeitgeber noch „mehr Bock auf Arbeit“ verlangen. Arbeiten ohne Ende, womöglich noch mit 75? Viele haben andere Vorstellungen von einem erfüllten Leben. Und warum sollen wir eigentlich immer länger arbeiten, obwohl die Computer und Roboter immer besser werden?

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CDU und AfD: Kulturkampf verbindet

von Minh Schredle

“Correctiv”, die Amadeu Antonio Stiftung und die Omas gegen rechts: Beim Kulturkampf gegen links haben CDU und AfD gemeinsame Feindbilder. Auf europäischer Ebene gab es bereits eine Zusammenarbeit von rechts und ganz rechts, um Klimaschutz-Initiativen zu schwächen. 

Es war im Februar 2018: Nach der Bundestagswahl knapp fünf Monate zuvor hatte sich noch keine neue Regierung gebildet, die AfD war erstmals ins Parlament eingezogen und ihre Fraktion formulierte eine Kleine Anfrage zum Bundesprogramm “Demokratie leben!”. Dieses wurde 2014 unter Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) ins Leben gerufen, war beim sozialdemokratisch geführten Familienministerium angesiedelt und erklärte als Ziel, sich für eine wehrhafte Demokratie und gegen Extremismus einzusetzen. Doch wohin Geld fließt, war von Anfang an umstritten. So bemängelte FAZ-Autor Markus Wehner nach den Ausschreitungen rund um den G20-Gipfel im Juli 2017, dass die Regierung zu wenig nach links schaue. Der Bundesrechnungshof kritisierte in einem Prüfbericht, dass die Förderziele im Programm nicht hinreichend konkret bestimmt seien. Auch die AfD störte sich an “Demokratie leben!” – wenn auch mit anderem Zungenschlag und geradezu obsessiv. 

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Audio: „Dass der deutsche Arbeitswahn bröckelt ist eine tolle Sache“

Interview mit Lothar Galow-Bergemann

mit Radio Dreyeckland am 25. Februar 2025

Politik und Unternehmerverbände verlangen „mehr Bock auf Arbeit“. Aber immer mehr Menschen haben keinen Bock mehr. Sie zweifeln am Sinn ihrer Arbeit und stellen sich unter einem erfüllten Leben etwas anderes vor als jahrzehntelanges Schuften für eine Minirente mit 75. Die Kluft zwischen den Zwängen der Kapitalverwertung und den Wünschen vieler Menschen birgt die Chance auf erfolgreiche Kämpfe für ein besseres Leben.

Das Interview entstand mit Blick auf die Veranstaltung “Genug geschuftet. Radikale Arbeistzeitverkürzung als Baustein für ein besseres Leben” am 27. Februar 2025

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Audio: Alles für Alle. Revolution als Commonisierung

Buchvorstellung von Jonna Klick

gehalten am 19. Juni 2024 in Stuttgart

Die sich zuspitzende Klimakrise macht es deutlich wie noch nie: Wir
müssen die Notbremse ziehen. Wir müssen raus aus dem Kapitalismus! — so die Autorinnen Indigo Drau und Jonna Klick. Doch je klarer diese
Erkenntnis, desto auswegloser erscheint unsere Situation. Denn bisherige
Wege, den Kapitalismus über den Staat zu bändigen oder zu überwinden,
sind gescheitert. Deshalb sucht dieses Buch nach neuen Wegen in eine
solidarische Gesellschaft.

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Fehltage: Kranke sollen arbeiten

von Minh Schredle

Kranke sind die neuen Hartzer. Wirtschaftsbosse stellen sie als faul dar, machen sie verantwortlich für die Rezession und fordern: Zähne zusammenbeißen! Dabei geht eine Mehrheit ohnehin schon krank zur Arbeit.

  • Ein Vortrag von Minh Schredle zum Thema ist HIER zu sehen

Wo Entscheidungen keinen Preis mehr hätten, führte Christoph Werner kürzlich im Gespräch mit dem “Stern” aus, würden sie “nicht verantwortungsvoller”. Der vorsitzende Geschäftsführer der von Vater Götz gegründeten Drogeriemarktkette dm erläuterte seine Überzeugung, “dass menschliches Verhalten neben der Einsicht auch durch die Konsequenzen beeinflusst wird, die es auslöst”. Das Interview fragt allerdings nicht nach Ratschlägen für die Kindeserziehung – an die Verantwortung appelliert Werner mit Blick auf den hohen Krankenstand in der Republik. Die Schuld daran verortet er offenbar bei faulen Beschäftigten, denn er ist sicher: “Wenn eine Krankmeldung sich auch auf das Einkommen auswirken würde, wäre der Krankenstand in Deutschland ein anderer.”

Damit reiht sich Werner ein in die Riege von Wirtschaftsbossen, die dem Missstand vieler Fehltage beikommen wollen – vor allem durch verschärften Druck.

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