Wir doch nicht!

Die Linkspartei im Kampf gegen „Antisemitismuskeule“ und für’s Menschenrecht auf „Israelkritik“

Vortrag und Diskussion mit Sebastian Voigt, Universität Leipzig

22. Dezember 2011, 19.00 Uhr, Stuttgart, Kulturzentrum Merlin, Eintritt: 3 Euro

Einladungsflyer

Eine aufstrebende Hoffnungsträgerin, die demonstrativ sitzenbleibt, wenn der israelische Staatspräsident im Bundestag spricht. Eine Kämpferin für das Menschenrecht, die sich auf großer Fahrt gegen den Judenstaat von Islamisten auf dem Frauendeck einschließen lässt. Eine ihrer Begleiterinnen, die sich auf einer Versammlung von Hamas-Sympathisanten mit einem Tuch schmückt, auf dem die Landkarte des Nahen Ostens zu sehen ist – ohne Israel. Ein Kreisverband, dessen Stadtverordnete als einzige gegen den Bau einer Synagoge stimmt. Ein Landesverband, der zum Boykott israelischer Waren aufruft. Ein Kandidat, der gegen die „Kriminalisierung von Organisationen wie Hamas und Hisbollah“ kämpft. Ein Kreisverband, auf dessen Homepage man vom „so genannten Holocaust“ lesen konnte und dessen Oberbürgermeisterkandidat sich über das „lächerliche Existenzrecht“ Israels mokiert. Und eine Partei, die erklärt, Antisemitismus habe in ihr „heute und niemals einen Platz.“ Das geht zusammen. Jedenfalls in erschreckend vielen Köpfen, die sich für links und fortschrittlich halten.

Der Gießener Sozialwissenschaftler Samuel Salzborn und der Antisemitismusexperte Sebastian Voigt von der Universität Leipzig untersuchten den Antisemitismus in der Linkspartei. In ihrer Analyse „Antisemiten als Koalitionspartner?“, erschienen in der Zeitschrift für Politik, Heft 3 / 2011 heißt es:

Die parteiinternen Kontroversen über die Haltung der „Linken“ zum Nahostkonflikt, die verbunden ist mit einer Dämonisierung der Politik Israels und einer einseitigen Parteinahme zugunsten der Palästinenser, bis hin zur offenen Solidarisierung mit terroristischen Kräften innerhalb dieses Spektrums … ist seit Anfang des Jahres 2010 zunehmend zur konsensfähigen Position der Bundespartei geworden. … Kritische Stimmen – die sich auf einen Dialog und eine ausgewogene Auseinandersetzung mit dem Thema hin orientieren … – verlieren immer mehr an Bedeutung und sind kaum noch zu vernehmen.

Zugleich verweisen Salzborn und Voigt auf „linke Selbstimprägnierungsstrategien“, die darüber hinweg täuschten, „dass sich sogar im parlamentarischen Spektrum der bundesdeutschen Linken inzwischen eine Kraft etabliert hat, die antisemitische Positionen in ihren Reihen toleriert“. Kaum war die Analyse bekannt, wurde imprägniert, was das Zeug hält: „entbehrt jeder Grundlage“, „unwissenschaftlich“ und „Unfug“ – das waren noch die harmlosesten unter den Reaktionen. Zur Generallinie der Kritikabwehr gehörten auch mit heißer Nadel gestrickte Beschlüsse von Fraktion und Parteitag, die so tun, als gebe es kein Problem.

Sebastian Voigt, einer der Autoren, wird über seine Forschungsergebnisse sprechen und über die vielfachen Reaktionen, die sie ausgelöst haben.

Sebastian Voigt, Studium der Geschichte, Philosophie, Deutsch und Pädagogik in Freiburg im Breisgau, Amherst (Mass.) und Leipzig, Promotionsstipendiat der Hans-Böckler-Stiftung, Forschungsschwerpunkte: Geschichte Frankreichs im 20. Jahrhundert, Ideengeschichte in den Vereinigten Staaten von Amerika, Geschichte des modernen Antisemitismus und des Antiamerikanismus

Publikationen u.a.:

Die Dialektik von Einheit und Differenz. Über Ursprung und Geltung des Pluralismusprinzips in den Vereinigten Staaten von Amerika, Berlin 2007.

Das Verhältnis der DDR zu Israel, in: Dossier 60 Jahre Israel, herausgegeben von der Bundeszentrale für politische Bildung, Bonn 2008 

Essentials der Antisemitismuskritik, in: Interventionen. Broschüre zur Kritik des Antisemitismus und Rassismus, herausgegeben vom Conne Island, Leipzig 2008, 3-10

Eine Veranstaltung der Assoziation Emanzipation und Frieden und weiterer Personen.