Höhere Mächte sind auch keine Erlösung

Zur Konjunktur von Irrationalismus und Religiosität in Zeiten der Krise

Zwei Online-Vorträge und Diskussion mit Lothar Galow-Bergemann

Karfreitag, 2. April 2021

17.00 Uhr – eine Veranstaltung der linksjugend [’solid] Sachsen Die Veranstaltung ist über DIESEN Link zu erreichen.

19.30 Uhr – eine Veranstaltung des AStA der Universität Vechta Die Veranstaltung ist über DIESEN Link zu erreichen.

Was verbindet die treue Kirchgängerin, den selbstbewussten Kämpfer gegen „die Coronadiktatur“, den missionarischen Salafisten und die entschiedene Gegnerin der Pharmaindustrie, die sich nicht manipulieren lassen will und deshalb auf Zuckerkügelchen schwört? Es ist der Glaube, ihr Wohl und Wehe hinge vom Walten höherer Mächte ab.

Die einen verehren diese Mächte, die anderen fürchten sie. Die einen werfen sich ihnen wacker entgegen, die andern unterwerfen sich ihnen lustvoll. Die einen sind sanftmütig, die andern kochen vor Wut. Die einen sind religiös, die anderen atheistisch, die einen unpolitisch, die anderen hochpolitisch, die einen rechts, die anderen links. Und doch verbindet sie mehr als sie trennt: Einfache Antworten auf komplexe Fragen und das wohlige Gefühl, zur Gemeinschaft der Erleuchteten zu gehören.

Krisenzeiten sind goldene Zeiten für Irrationalismus, Religion und Religiosität. Wo Unsicherheit und Zukunftsängste um sich greifen, stehen die Zeichen auf Glauben statt Wissen, Demut statt Reflexion und Wut statt Kritik. Dazu gesellt sich die Sehnsucht nach starken Autoritäten, zu denen sich aufblicken lässt. Gleich, ob diese den Himmel oder die Erde bewohnen – Hauptsache, sie versprechen Halt und Orientierung.

Doch ob sich Menschen den eingebildeten Mächten unterwerfen, wie es vorzugsweise dem lieben Gott und seinen diversen Spielarten widerfährt oder ob sie sich ihnen als den imaginierten „Strippenziehern“ und „Herrschern des Geldes“ in rebellischem Gestus entgegenstellen: Die wirkliche „höhere Macht“, die ihr Leben beherrscht, durchschauen sie solange nicht, wie ihnen die Zwänge der Kapitalverwertung als „natürlich“ und unhinterfragbar erscheinen.

Emanzipatorische Kritik hingegen findet sich weder mit der kapitalistischen Krise noch mit ihrer regressiven Verarbeitung in den Köpfen ab und hält am Ideal einer Gesellschaft freier Menschen in freien Vereinbarungen fest.

Lothar Galow-Bergemann schreibt u.a. für konkret, Jungle World und emafrie.de