von Ernst Lohoff
Der KI-Sektor mobilisiert astronomische Summen an Geldkapital. Für die investierenden Technologieunternehmen ist das bislang kein profitables Geschäft, dennoch erreichen ihre Aktien Rekordwerte. Mittlerweile überbieten sich die Warnungen vor einer KI-Blase, die bald platzen könnte, und legen den Vergleich mit der Dotcom-Blase der späten neunziger Jahre nahe. Allerdings unterscheiden sich Marktstruktur und Entwertungsdynamik der beiden Sektoren erheblich.
In der Regel sehen Wirtschaftsexperten das Platzen von Finanzblasen gar nicht oder erst sehr spät kommen. So geschah es im Herbst 1845, als ein Börseneinbruch dem ersten großen Eisenbahnboom in England ein jähes Ende bereitete und viele Anleger – darunter Charles Darwin – finanziell ruinierte. Zu Beginn unseres Jahrtausends sah es ähnlich aus. Wenige Monate bevor im März 2000 der Dotcom-Crash begann, prognostizierten die meisten Ökonomen noch eine Fortsetzung der Kursrallye von IT-Aktien.
Gegenwärtig bietet sich ein anderes Bild. Noch nie war die Vorwarnzeit so lang wie diesmal. Schon vor fünf Jahren, ganz am Anfang des KI-Booms, erschienen unter anderem in der Financial Times und im Wall Street Journal Artikel, in denen von einer möglichen KI-Blase die Rede war. Mittlerweile warnt fast alle Welt vor deren Platzen.
Der Internationale Währungsfonds (IWF) und die Bank of England zeigen sich ebenso besorgt wie die Deutsche Bank und die hiesige Wirtschaftspresse. Auch prominente Vertreter der IT-Branche wie Sam Altman, Geschäftsführer von Open AI, Mark Zuckerberg, Jeff Bezos und Bill Gates betätigen sich inzwischen als Crash-Propheten.
In der »Heute-Show« witzelte Oliver Welke Ende Oktober über die »KI-Blasenschwäche«. In derselben Woche hatte die »Tagesschau« vermeldet, dass »der Chipkonzern Nvidia als erstes Unternehmen einen Börsenwert von fünf Billionen US-Dollar erreicht« hat. Infolge dieses Rekordwerts stieg auch der Aktienindex Nasdaq der US-Technologiebörse auf ein Allzeithoch.
Freilich gibt es auch Gegenstimmen wie die Jerome Powells. Von Amts wegen zur Gesundbeterei verpflichtet, verkündete der Präsident der US-Notenbank Fed kürzlich, beim KI-Hoch handle es sich nicht um eine Blase. Es sei keine Parallele zwischen der Dotcom-Blase und den derzeitigen Kurssteigerungen bei KI-Unternehmen zu erkennen.
Vergleich mit der Dotcom-Blase
Eine Gemeinsamkeit sticht allerdings ins Auge: In der zweiten Hälfte der neunziger Jahre gingen die Kurse zahlloser Start-ups durch die Decke – von denen nur die wenigsten jemals Gewinn abwarfen. Es genügte, dass sie irgendwie mit dem damals noch jungen Internet zu tun hatten. Seit Anfang dieses Jahrzehnts geht vom Zauberwort KI eine ähnliche, die Anlegerphantasien beflügelnde Wirkung aus. Wer in Aussicht stellte, später mit KI Geld zu verdienen, konnte bisher für ein Geschäft, das erst einmal vor allem viel Geld kostet, im großen Stil Geldkapital mobilisieren.
Ein prominentes Beispiel ist Open AI, der Betreiber von Chat GPT. Allein im dritten Quartal dieses Jahres soll die Firma zwölf Milliarden US-Dollar Verlust gemacht haben. Trotz dieser tiefroten Zahlen ist ihr Wert auf 500 Milliarden US-Dollar hochgeschnellt. Ähnlich ergeht es den sechs größten US-Technologiekonzernen (Nvidia, Microsoft, Apple, Amazon, Meta, Alphabet), die Abermilliarden in KI investieren. Deren Börsenwert ist allein innerhalb der ersten beiden Jahre seit der Einführung von Chat GPT im November 2022 um rund acht Billionen Dollar gestiegen. Zur Verdeutlichung der Dimensionen: Das ist ungefähr das Zweifache der jährlichen Wirtschaftsleistung Deutschlands.
Wie der Dotcom-Crash zeigte, können sich solche Unmengen „fiktiven Kapitals“ (Marx) aber auch wieder in Luft auflösen, wenn die erwarteten Gewinne ausbleiben und die enttäuschten Anleger das Weite suchen. Damals fielen innerhalb von drei Jahren weltweit fünf Billionen Dollar an Aktienkapitalisierung von IT-Unternehmen der Vernichtung anheim. Auch die Frankfurter Börse blieb nicht verschont. Als sie im März 2003 die Notierung des Nemax-Index einstellte, hatten die auf dem Neuen Markt (in den Neunzigern nach dem Vorbild der Nasdaq eingeführte Segment der Deutschen Börse) gehandelten Firmen gegenüber dem Höhepunkt der Spekulation 95 Prozent ihres Werts eingebüßt. Der US-amerikanische Nasdaq brauchte immerhin 15 Jahre, um das Niveau vom März 2000 wieder zu erreichen.
Eines ist klar: Das Szenario des New-Economy-Crashs wird sich nicht einfach als KI-Crash wiederholen. Das beginnt schon damit, dass der Fortgang des Digitalisierungsprozesses die Ausgangssituation grundlegend verändert hat. Die Digitalisierung ist allgegenwärtig geworden und das perverser Weise in privatwirtschaftlicher Form. Die Tech-Giganten von heute sind Überlebende des damaligen ökonomischen Massensterbens. Die gesamte globale digitale Infrastruktur befindet sich im Privatbesitz solcher Konzerne. Vor allem die „Glorreichen Sieben“ (dazu zählt neben den bereits erwähnten Technologiekonzernen noch Tesla) besetzen strategische Schlüsselpositionen, die ihnen bekanntlich enorme Gewinne einbringen.
Bei der Dotcom-Blase waren – abgesehen von den Telekommunikationsunternehmen – junge Start-ups die Hoffnungsträger. Bei der KI-Blase sind die etablierten IT-Riesen nicht nur als Geldgeber beteiligt, sondern stehen auch bei der Entwicklung von KI in der vordersten Reihe. Der Finanzbedarf bei der Entwicklung des KI-Sektors ist außerdem weit höher als einst beim Aufbau der IT-Branche. Natürlich waren auch für die Errichtung von Mobilfunknetzen und der digitalen Infrastruktur erhebliche Investitionen erforderlich. Im Vergleich zu den Unsummen, die KI-Unternehmen bereits ausgegeben haben und noch ausgeben wollen, wirkt der damalige Kapitalbedarf jedoch fast schon wie die sprichwörtlichen Peanuts.
Vor allem der Ausbau der Rechenkapazitäten verschlingt astronomische Summen. Laut einer Schätzung der Analysten der New Yorker Investitionsbank Morgan Stanley werden die weltweiten Ausgaben für den Bau von Rechenzentren bis 2028 rund drei Billionen Dollar erreichen. Das sprengt selbst die Finanzkraft der großen Technologiekonzerne. Diese werden nach der Schätzung der Analysten nur knapp die Hälfte dieser Summe stemmen können. Die Lücke muss anderweitig geschlossen werden, vornehmlich durch Kredite.
Schon jetzt ist deren Anteil an der Finanzierung von KI-Projekten sprunghaft gestiegen. Selbst Konzerne wie Meta, die viele Jahre ihre Investitionen aus dem Cashflow finanzierten, haben ihr Finanzgebaren verändert. Um in Louisiana das Rechenzentrum Hyperion aus dem Boden zu stampfen, werden im Verbund mit dem Investmentunternehmen und Miteigentümer Blue Owl Capital über 26 Milliarden US-Dollar auf Pump ausgegeben – Meta investiert eigenes Kapital in Höhe von sechs Milliarden. Die Verschuldungssituation bei KI-Unternehmen aus der zweiten und dritten Reihe sieht noch weit dramatischer aus. „Selbst das kleine britische KI-Cloud-up- Fluidstack, das im vergangenen Jahr gerade einmal zehn Mitarbeiter beschäftigte hat, soll Medienberichten zufolge bis zu zehn Milliarden Dollar von der australischen Investmentbank Macquarie geliehen haben“, hieß es in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ) Anfang November. Als Sicherheit dienen die KI-Chips der Firma.
Besonderheiten der KI-Blase
Ob die für den Fortgang des Hypes erforderlichen immensen finanziellen Fremdmittel weiterhin in den KI-Sektor strömen werden, hängt natürlich davon ab, ob die Renditeerwartungen der Investoren aufrechterhalten werden können. Entscheidend ist die Umsatzentwicklung. Laut einer Prognose der Unternehmensberatung Bain & Company von September müssen KI-Unternehmen bis 2030 jährlich zwei Billionen Dollar Umsatz generieren, um profitabel zu werden. Der Marktführer Open AI hat im ersten Halbjahr 2025 jedoch nur einen Umsatz von 4,3 Milliarden US-Dollar erzielt.
Wird das Geschäft mit kommerziellen KI-Anwendungen tatsächlich so schnell im benötigten exorbitanten Umfang wachsen? Das ist zu bezweifeln, denn der Enthusiasmus der zahlungskräftigen potentiellen KI-Anwender hat inzwischen nachgelassen. Schenkt man der Studie „State of AI in Business 2025“ des Massachusetts Institute of Technology Glauben, dann haben 95 Prozent der Unternehmen, die begonnen haben, mit KI zu arbeiten, dadurch bisher keinen Beitrag zu mehr Produktivität oder Wachstum verzeichnet.
Vermutlich ist das ein Übergangsphänomen. Es dauert, die Betriebsabläufe auf KI abzustimmen und die Beschäftigten, die um ihre Arbeitsplätze fürchten, leisten Widerstand. Børge Brende, Präsident des Weltwirtschaftsforums (WEF), rechnet langfristig mit Produktivitätssteigerungen von bis zu zehn Prozent durch die Nutzung von KI, also der Einsparung von Arbeitsplätzen. Doch hierfür ist Ausdauer nötig, die Gewinnzone dürfte für die der meisten KI-Anbieter in unerreichbare Ferne rücken. Wie im Economist zu lesen war, werden „selbst wenn die Technologie ihr Potential ausschöpft, eine Menge Leute das letzte Hemd verlieren“.
Das ist umso wahrscheinlicher, da die technische Entwicklung im KI-Sektor so rasant voran schreitet, dass die Anlagen und Produkte weit schneller zu veralten drohen, als sich deren Kosten amortisieren – eine Bedrohung für alle Investitionen in KI. Dass der technische Fortschritt zur Entwertung bestehenden Kapitals führt, ist an sich kein neues Phänomen. Schon Marx analysierte diesen Vorgang und gab ihm den etwas seltsamen Namen „moralischer Verschleiß“. Allerdings beschränkte sich dieser moralische Verschleiß lange auf die Produktionsmittel. Er verlief außerdem schleichend und blieb partiell.
Bei der KI ist das anders. Einerseits veralten auch die mit enormen Ressourceneinsatz geschaffenen Produkte rasant. Eine Generation von KI-Tools jagt die nächste, wodurch der Entwicklungsaufwand der überholten Tools ökonomisch wertlos wird. Andererseits kann im Gefolge technologischer Durchbrüche eine gestern noch hochmoderne KI-Infrastruktur bereits morgen entsorgungsreif sein.
Wie real diese Gefahr ist, wurde im Januar deutlich, als die chinesische Firma Deepseek ihr Sprachmodell vorstellte. Es soll besser als Chat GPT sein und ohne allzu avancierte Chips sowie mit weit geringeren Rechenkapazitäten trainiert worden sein als die entsprechenden Produkte der Konkurrenz aus dem Silicon Valley. Als diese Nachricht bekannt wurde, hielten nicht nur die Investoren, die ihr Geld in Rechenzentren gesteckt haben, den Atem an; die ganze US-amerikanische KI-Branche wackelte. An nur einem Tag brach die Aktie des „Superchip“-Herstellers Nvidia um 17 Prozent ein. Allein damit war ein Börsenwert von fast 600 Milliarden US-Dollar vorerst im Orkus verschwunden.
KI und natürliche Monopole
In Lehrbüchern der Volkswirtschaft wird normalerweise das Hohelied des Wettbewerbs gesungen. Eine Ausnahme ist das „natürliche Monopol“: Wer nach diesem Stichwort googelt, erfährt von der KI Folgendes: „Ein natürliches Monopol entsteht, wenn es für ein einzelnes Unternehmen kostengünstiger ist, einen Markt zu versorgen, als für mehrere Anbieter. Dies geschieht meist aufgrund hoher Fixkosten und Skaleneffekte, wodurch ein Wettbewerb ineffizient wird. Beispiele hierfür sind Versorgungsunternehmen wie die Strom- oder Wasserversorgung, da der Bau zusätzlicher Netze unwirtschaftlich wäre.“
Und in der Tat: Es wäre eine enorme Verschleuderung von Ressourcen und Geld, in derselben Stadt parallele Stromnetze oder Wasserversorgungssysteme aufzubauen und zu unterhalten. Das hat die kapitalistische Gesellschaft freilich nicht davon abgehalten, im Laufe ihrer Entwicklung immer wieder derlei Unfug zu treiben. So lief beispielsweise das mit Abstand wichtigste Infrastrukturprojekt des 19. Jahrhunderts, der Aufbau eines Eisenbahnnetzes, in dieser Form ab, wodurch vor allem im Vorreiterland Großbritannien erhebliche Summen für überflüssige Parallelstrukturen verpulvert wurden. Es war eine bunte Schar miteinander konkurrierender Aktiengesellschaften, die zuerst auf der Insel und dann auf dem europäischen Kontinent ohne Gesamtplan und gegeneinander Bahnstrecken schufen. In Deutschland waren erst 1885 alle wichtigen privaten Eisenbahngesellschaft in Staatseigentum überführt und damit unter einem Dach vereint – ein Resultat, das in den anderen wichtigen kapitalistischen Ländern Europas noch länger auf sich warten ließ.
Im ausgehenden 20. Jahrhundert kehrte die Praxis, den Aufbau neuer Infrastrukturen zum Betätigungsfeld konkurrierender privater Kapitale zu machen, auf breiter Front zurück. In den neunziger Jahren wurden im Zeichen der neoliberalen Marktreligion sowohl die Mobilfunknetze als auch die gesamte IT-Infrastruktur auf diese Weise errichtet und beides befindet sich gegenwärtig immer noch in den Händen gewinnorientierter Unternehmen.
Die neoliberale Wettbewerbsideologie ändert freilich nichts daran, dass zentralen Segmenten der IT-Branche eine starke Tendenz zum „natürlichen Monopol“ innewohnt. Eine Vielzahl unterschiedlichster Betriebssysteme sorgt nur für Kompatibilitätsprobleme. Die meisten Menschen nutzen den Messenger-Dienst, den alle nutzen, und dementsprechend konzentrieren sich auch die Werbeeinnahmen. Und deshalb währte die Phase, in der zahlreiche Start-ups um dasselbe Marktsegment konkurrieren, in etlichen Schlüsselsektoren nur wenige Jahre. Der Dotcom-Crash, bei dem so viele junge Unternehmen pleite gingen, hat den Konzentrationsprozess nur beschleunigt, nicht verursacht.
Hat ein Unternehmen erst einmal eine marktbeherrschende Stellung errungen und setzt auf einem Gebiet den Standard, dann ist ihm diese auch nicht mehr so leicht zu nehmen. Seit Jahren gehen etwa 90 Prozent der weltweiten Suchanfragen im Internet an Google und zuletzt liefen immer noch über 70 Prozent der Desktop-Computer weltweit mit dem Betriebssystem Windows Erst mit technologischen Umbrüchen tun sich neue Möglichkeiten auf. Bis dahin haben die de facto-Monopolunternehmen im IT-Bereich so etwas wie garantierten Gewinn.
Im Gegensatz zu den klassischen „natürlichen Monopolen“, die sich auf ein bestimmtes Territorium beschränkten, beziehen sich die digitale Monopole nämlich gleich auf die ganze Welt. Bis zur nächsten technologischen Revolution können sie der Weltgesellschaft Nutzungstribute abpressen, und das ist fast so etwas wie eine Lizenz zum Gelddrucken. Kein Wunder dass die zehn reichsten Unternehmen der Welt allesamt dem IT-Sektor angehören.
Wichtige Teile des KI-Sektors gehorchen ebenfalls dieser Logik des the winner takes it all. John Lovelock, Technologieanalyst beim Beratungsunternehmen Gartner, brachte die Sache in der FAZ auf den Punkt, als er kürzlich in Bezug auf Chatbots meinte: „Die großen KI-Anbieter befinden sich in einem Rennen bis zum letzten Mann.” Lovelock erwartet, dass am Ende nur ein oder zwei KI-Modelle übrig bleiben werden. Und auch in der KI-Branche insgesamt stehen die Zeichen der Zeit auf einen beschleunigten Konzentrationsprozess: „Wir gehen davon aus, dass in den kommenden Jahren nur noch zehn Prozent der aktuellen Start-ups eigenständig operieren werden.“ Der Rest wird entweder geschluckt oder geht pleite.
Dass die KI-Revolution fast alle ihre Kinder fressen wird, war von Anfang an Ausgangspunkt der Unternehmensstrategien der IT-Giganten. Sie sind alle darauf ausgelegt, beim großen Endkampf zu den wenigen Überlebenden zu gehören, um dann als Master of the KI-Universe von der Weltgesellschaft Tribute zu erheben, die alles bisher Dagewesene in den Schatten stellen. Das bedeutet allerdings auch, dass alle Investoren, die nicht zufällig auf den Gewinner gesetzt haben, ins Nichts investiert haben. Welchen Verlauf die Vernichtung des fiktiven Kapitals annehmen wird, ist offen. Dass sie stattfinden muss, steht jedoch außer Frage.
Home of all bubbles
Die Bedeutung des KI-Hypes vor allem für die USA, aber auch für die Weltwirtschaft insgesamt, ist kaum zu überschätzen. Der Harvard-Ökonom Jason Furman kam zu dem Ergebnis, dass im ersten Halbjahr 2025 92 Prozent des Bruttoinlandsprodukt-Wachstums der USA auf Investitionen in die KI-Infrastruktur zurückzuführen waren. Vor allem die Bauindustrie profitiert ganz unmittelbar. 2024 floss eine Rekordsumme von Infrastrukturinvestitionen in Höhe von 180 Milliarden US-Dollar in den Bau von KI-Rechenzentren.
Auch der begonnene Ausbau der Kraftwerkskapazitäten, die diese neuen Energieverbraucher mit Strom versorgen, schafft Arbeitsplätze und Profite in konventionellen Branchen. Während weltweit der Stromverbrauch von KI-Rechenzentren 2023 bei 50 Milliarden Kilowattstunden lag, soll er sich bis 2030 auf 550 Milliarden Kilowattstunden vervielfachen – ein Desaster für den Klimaschutz, ein Segen für das Bruttoinlandsprodukt.
Wenn die KI-Blütenträume platzen, fällt aber nicht nur der einzige den USA verbliebene Wachstumstreiber weg. Es droht auch eine Kettenreaktion an den Finanzmärkten. Der wahrscheinlichste Ausgangspunkt sind Schattenbanken wie Investmentfonds. Dieser unregulierte Teil des Finanzsystems ist in den vergangenen Jahren enorm gewachsen und hat ganz erheblich zur Finanzierung des KI-Hypes beigetragen. Dementsprechend wäre er am stärksten von einem Rückschlag betroffen. In seinem im Oktober veröffentlichten Globalen Finanzstabilitätsbericht zeigt sich der IWF in dieser Hinsicht jedenfalls besorgt. Darin wird nicht nur vor der Gefahr von „plötzlichen, kräftigen Marktkorrekturen” bei KI-Aktien gewarnt, sondern auch davor, dass Schattenbanken in Bedrängnis geraten könnten. Dies könnte wiederum wie ein „Schockverstärker” wirken.
Das Platzen der KI-Blase würde nicht nur einen Wirtschaftssektor treffen, sondern eine allgemeine Krise auslösen. Das gilt natürlich zuvorderst für die Heimat der Technologiegiganten. Von den USA gingen im Zeitalter des von der Finanzmarktdynamik getriebenen Kapitalismus bereits zweimal Krisenschübe aus, die die Weltwirtschaft erschütterten: der Dotcom-Crash und die große Finanzkrise von 2008. Beide Male wurde der Einbruch dadurch überwunden, dass in den USA neue noch größere Blasen entstanden, die die Weltwirtschaft wieder wachsen ließen. Mit dem Platzen der KI-Blase könnte es allerdings vorbei sein mit der Rolle der USA als the home of all global bubbles.
[zuerst erschienen in Jungle World 2025/47 v. 12. November 2025]