AfD-Verbot: Es wäre ein Anfang

von Lothar Galow-Bergemann

Die Erinnerung verblasst schon wieder. Als letztes Jahr die Pläne zur “Remigration” von Millionen Menschen bekannt wurden, gingen Hunderttausende auf die Straßen gegen rechts. Doch es blieb nur ein kurzes Zwischenspiel. Als ob nichts geschehen wäre, legt die AfD seitdem weiter rasant zu, sitzt mit einer Riesenfraktion im Bundestag und macht sich berechtigte Hoffnungen auf den baldigen Einzug in Landesregierungen. Dass dieser Trend gestoppt, gar umgedreht werden könnte, ist nicht in Sicht.

Waren die Demos umsonst? Nein. Sie gaben ein Aufbruchssignal in Teile der Gesellschaft. Aber um wirksam in den politischen Betrieb intervenieren zu können, muss man sich auf eine zentrale Forderung verständigen, auf die man zuspitzt. Daran mangelte es der Bewegung vom Frühjahr 2024. Nach Lage der Dinge wäre das die Forderung nach dem Verbot der AfD gewesen. Inzwischen hat die Bewegung an Fahrt verloren: Vergangenen Sonntag gingen bundesweit Menschen für ein AfD-Verbot auf die Straße, doch die Beteiligung blieb teils deutlich hinter den Erwartungen der Veranstalter:innen: In Heidelberg etwa 450, in Freiburg 2.000 statt der erhofften 5.000, in Stuttgart nur etwa 200.

Die AfD steht bei Weitem nicht allein für den Rechtsruck in Politik und Gesellschaft. Aber sie ist seine Speerspitze. Ihre zunehmende Akzeptanz lässt die teilweise noch vorhandenen Brandmauern in Politik und Gesellschaft täglich weiter bröckeln. In ihrem Windschatten treten Nazibanden immer zahlreicher, selbstbewusster und aggressiver auf. Die kaum noch überschaubare Zahl bekannt gewordener “Einzelfälle” von extrem rechten Vorfällen in der Polizei ist nur die Spitze des Eisbergs. Erst langsam tritt das Ausmaß der Reichsbürgerszene und ihrer Putschpläne zutage. Auch das mysteriöse Verschwinden von Waffenbeständen bei Polizei und Bundeswehr deutet darauf hin, dass sehr konkret an Umsturzplänen gearbeitet wird. Bitte dreimal raten, welcher Partei sich all diese Akteure verbunden fühlen. Sie müssen entwaffnet werden. Das kann nur der Staat und das ist von ihm zu verlangen.

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“Nie wieder!” heißt auch: Aus linken Fehlern lernen

Essentials eines erfolgreicheren Antifaschismus

Vortrag und Diskussion mit Lothar Galow-Bergemann

Samstag, 31. Mai 2025, 13.00 bis 15.00 Uhr, Gorleben

Beluga-Dreieck

Eine Veranstaltung im Rahmen des MSNT – Das solidarische Festival im Wendland während der Kulturellen Landpartie

Jahrzehntelang hat man sich in Deutschland damit gebrüstet, wie viel man aus der Geschichte gelernt habe. Doch wäre der Nationalsozialismus wirklich aufgearbeitet, gäbe es den Aufstieg der AfD nicht. Das offizielle „Nie wieder!“ vermag weniger denn je den braunen Dreck zu kaschieren, der über Generationen hinweg an Stamm- und Küchentischen weitergegeben wurde und heute wieder in großen Teilen der Gesellschaft kursiert. Menschenfeindliches, rassistisches und antisemitisches Denken und Handeln erfasst zunehmend auch die selbstgefällige „Mitte der Gesellschaft“, die sich „fern von allen Extremen“ wähnt. Nie seit 1945 war die autoritär-faschistische Gefahr so groß wie heute.

Doch auch in der Linken sind Nationalsozialismus und Antisemitismus oft immer noch nicht verstanden. Die Behauptung „das Volk wurde damals von den Nazis verführt“ traut den Menschen nicht zu, handelnde Subjekte zu sein. Das ist kompatibel mit der Überzeugung, man selbst sei zur „Führung der Arbeiterklasse“ berufen. Autoritarismus gibt es auch von Links. Besonders ausgeprägt erscheint er derzeit in dogmatischen „roten Gruppen“, die sich offen auf Führergestalten wie Lenin, Stalin und Mao berufen. Ganz so, als ob deren blutige Rezepte, die Millionen Menschenleben auf dem Gewissen haben, nicht längst desaströs gescheitert seien. Schon die „revolutionären“ Parolen der alten KPD blamierten sich 1933 auf dramatische Weise. Waren die K-Gruppen der 70er Jahre nur noch deren billiger Abklatsch, so sind ihre heutigen Wiedergänger nichts als der Abklatsch vom Abklatsch des Gescheiterten.

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Tradwifes & Gymbros

Zurück zur natürlichen Essenz von Geschlecht auf social media

Vortrag und Diskussion mit Jessica Alessandra Wagner

Donnerstag, 12. Juni 2025, 19.30 Uhr, Stuttgart

Sunny High, Bahnhofstraße 14-18, 70372 Stuttgart

Eine gemeinsame Veranstaltung von Sunny High, Queerfem Stuttgart und Emanzipation und Frieden

Die Analyse von Selbstinszenierungen von Creator*innen auf social media verdeutlicht nicht zuletzt mit Bezug zu Geschlecht ausgeprägte Tendenzen zur Stereotypisierung. Besonders deutlich wird dabei der Wunsch einer Rückbesinnung auf eine vermeintliche Natürlichkeit, einer Essenz von Geschlecht. Plastisch verdeutlichen lässt sich dies an sogenannten Tropes, die sich auf den Plattformen finden lassen wie beispielsweise „der Gymbro“, „die Tradwife“, „die Weiblichkeitscoachin“ oder „der Lifecoach“. Gemeinsam ist ihnen oft die Ablehnung alles „Modernen“ und der Wunsch nach Rückbesinnung zur vermeintlichen Essenz des Menschen, zu „weiblicher“ und „männlicher“ Energie. Dieser Vortrag beleuchtet die angeführten tropes und analysiert die dahinterstehende Ideologie im Spannungsfeld kapitalistischer Socialmedia Logiken sowie die Schnittpunkte zu rechten Ideologien.

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Fallstricke der Emanzipation

Autoritäres und Regressives in der Linken gestern und heute

Vortrag und Diskussion mit Lothar Galow-Bergemann

Mittwoch, 14. Mai 2025, 18.00 Uhr, Jena

Carl Zeiss Straße 3, Seminarraum 317

Eine Veranstaltung der Linksjugend Jena

Alle Verhältnisse umzuwerfen, in denen der Mensch ein erniedrigtes, ein geknechtetes, ein verlassenes, ein verächtliches Wesen ist. Besser lassen sich Anspruch und Programm menschlicher Emanzipation nicht auf den Punkt bringen. Wenn der Begriff Links Sinn hat, dann diesen. Oft sehen linke Theorie und Praxis jedoch ganz anders aus. Was längst überwunden sein sollte, lebt auch in vielen linken und linksradikalen Strukturen und Denkweisen fort: Die Herrschaft von Zwangsgemeinschaften und von Menschen über andere Menschen.

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Die Rückschrittskoalition

Der Koalitionsvertrag von SPD und Union

von Minh Schredle

In ihrem Koalitionsvertrag kündigen Union und SPD die Demontage des Bürgergelds und des Rechts auf Asyl an. Mit weiteren Kürzungen im Sozialbereich ist zu rechnen.

Angela Merkel (CDU) warb in ihrem letzten Wahlkampf für „ein Deutschland, in dem wir gut und gerne leben“. Im Vergleich dazu scheint ihr Parteikollege Friedrich Merz eher bemüht zu sein, die Erwartungen herunterzuschrauben. „Wir wollen ein Land sein, das es einfach wieder besser macht“ – so fasste der wohl baldige Bundeskanzler vergangene Woche die Absichten hinter dem Entwurf eines Koalitionsvertrags zwischen CDU, SPD und CSU zusammen.

Das wichtigste Ziel der neuen Koalitionäre sei es, „Deutschland in neuer Geschwindigkeit zu neuer Stärke führen“, heißt es im Koalitionsvertrag. Die Rhetorik des Papiers fällt insgesamt durch einen aggressiven Unterton auf: Neben diversen „Qualitätsoffensiven“ kündigen die mutmaßlichen Koalitionäre unter anderem eine „KI-Offensive“, „Sicherheitsoffensive“, „Investitionsoffensive“, eine „Offensive für Luft- und Raumfahrt“, „Fachkräfteoffensive“, „Anerkennungsoffensive“, „Rückführungsoffensive“, eine „Traineroffensive“ (“Der Trainerberuf muss attraktiver werden“) sowie eine „Steuerentlastungs- und Entbürokratisierungsoffensive“ an.

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“Nie wieder!” heißt auch: Aus linken Fehlern lernen

Essentials eines erfolgreicheren Antifaschismus

Vortrag und Diskussion mit Lothar Galow-Bergemann

Dienstag, 6. Mai 2025, 18.00 Uhr, Hannover

UJZ Kornstraße, Kornstraße 28 – 30

Eine Veranstaltung von mata Hannover

Jahrzehntelang hat man sich in Deutschland damit gebrüstet, wie viel man aus der Geschichte gelernt habe. Doch wäre der Nationalsozialismus wirklich aufgearbeitet, gäbe es den Aufstieg der AfD nicht. Das offizielle „Nie wieder!“ vermag weniger denn je den braunen Dreck zu kaschieren, der über Generationen hinweg an Stamm- und Küchentischen weitergegeben wurde und heute wieder in großen Teilen der Gesellschaft kursiert. Menschenfeindliches, rassistisches und antisemitisches Denken und Handeln erfasst zunehmend auch die selbstgefällige „Mitte der Gesellschaft“, die sich „fern von allen Extremen“ wähnt. Nie seit 1945 war die autoritär-faschistische Gefahr so groß wie heute.

Doch auch in der Linken sind Nationalsozialismus und Antisemitismus oft immer noch nicht verstanden. Die Behauptung „das Volk wurde damals von den Nazis verführt“ traut den Menschen nicht zu, handelnde Subjekte zu sein. Das ist kompatibel mit der Überzeugung, man selbst sei zur „Führung der Arbeiterklasse“ berufen. Autoritarismus gibt es auch von Links. Besonders ausgeprägt erscheint er derzeit in dogmatischen „roten Gruppen“, die sich offen auf Führergestalten wie Lenin, Stalin und Mao berufen. Ganz so, als ob deren blutige Rezepte, die Millionen Menschenleben auf dem Gewissen haben, nicht längst desaströs gescheitert seien. Schon die „revolutionären“ Parolen der alten KPD blamierten sich 1933 auf dramatische Weise. Waren die K-Gruppen der 70er Jahre nur noch deren billiger Abklatsch, so sind ihre heutigen Wiedergänger nichts als der Abklatsch vom Abklatsch des Gescheiterten.

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Audio: Radikale Arbeitszeitverkürzung – Für ein besseres Leben. Gegen Rechts.

Vortrag von Lothar Galow-Bergemann

gehalten am 3. April 2025 in Erfurt

Wir sollen „mehr Bock“ haben auf „Arbeit, Leistung, Wachstum und Wettbewerb“, um „unseren Wohlstand zu sichern“. Doch was für ein „Wohlstand“ soll das sein? Schuften ohne Ende? Für noch mehr Autos? Noch mehr Plastik im Meer? Noch mehr CO2? Noch höhere Finanzgebirge? Ständiger Stress, kaum Zeit für’s Leben? Sich dann auch noch anhören müssen, wir würden „zu viel krankmachen“? Und am Ende Minirente mit 75? Wer hat darauf schon Bock?

„Wirtschaftswachstum“ ist der moderne Gott, dem wir alle dienen müssen. Wir arbeiten für eine Megamaschine, die unendlich Geld anhäuft und Mensch und Natur ihrem Diktat unterwirft. Die Klimakrise ist ihr ebenso geschuldet wie die wachsende Kluft zwischen Reich und Arm, Vernachlässigung von Gesundheit, Bildung und Sozialem, unbezahlbare Wohnungen und Renten.

Computer und Roboter könnten uns viel Arbeit abnehmen. Aber wir sollen immer mehr arbeiten, weil die Megamaschine Konkurrenz statt Kooperation von uns verlangt. Niemand vertritt dieses Prinzip brutaler als Autoritäre und Faschisten. Die Rechtsentwicklung fällt nicht vom Himmel, sie erwächst aus der Ellenbogenlogik „unserer Wirtschaft“.

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“Nie wieder!” heißt auch: Aus linken Fehlern lernen

Essentials eines erfolgreicheren Antifaschismus

Vortrag und Diskussion mit Lothar Galow-Bergemann

Mittwoch, 7. Mai 2025, 18.15 Uhr, Göttingen

Universität, Platz-der-Göttinger-Sieben, Zentrales Hörsaalgebäude (ZHG 007)

Eine Veranstaltung des AStA Uni Göttingen

Jahrzehntelang hat man sich in Deutschland damit gebrüstet, wie viel man aus der Geschichte gelernt habe. Doch wäre der Nationalsozialismus wirklich aufgearbeitet, gäbe es den Aufstieg der AfD nicht. Das offizielle „Nie wieder!“ vermag weniger denn je den braunen Dreck zu kaschieren, der über Generationen hinweg an Stamm- und Küchentischen weitergegeben wurde und heute wieder in großen Teilen der Gesellschaft kursiert. Menschenfeindliches, rassistisches und antisemitisches Denken und Handeln erfasst zunehmend auch die selbstgefällige „Mitte der Gesellschaft“, die sich „fern von allen Extremen“ wähnt. Nie seit 1945 war die autoritär-faschistische Gefahr so groß wie heute.

Doch auch in der Linken sind Nationalsozialismus und Antisemitismus oft immer noch nicht verstanden. Die Behauptung „das Volk wurde damals von den Nazis verführt“ traut den Menschen nicht zu, handelnde Subjekte zu sein. Das ist kompatibel mit der Überzeugung, man selbst sei zur „Führung der Arbeiterklasse“ berufen. Autoritarismus gibt es auch von Links. Besonders ausgeprägt erscheint er derzeit in dogmatischen „roten Gruppen“, die sich offen auf Führergestalten wie Lenin, Stalin und Mao berufen. Ganz so, als ob deren blutige Rezepte, die Millionen Menschenleben auf dem Gewissen haben, nicht längst desaströs gescheitert seien. Schon die „revolutionären“ Parolen der alten KPD blamierten sich 1933 auf dramatische Weise. Waren die K-Gruppen der 70er Jahre nur noch deren billiger Abklatsch, so sind ihre heutigen Wiedergänger nichts als der Abklatsch vom Abklatsch des Gescheiterten.

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„Mehr Bock auf Arbeit”? Nein danke.

Für ein besseres Leben. Gegen Rechts.

Vortrag und Diskussion mit Lothar Galow-Bergemann

Dienstag, 22. April 2025, 18.15 Uhr, Halle (Saale)

MLU Halle | Lernwerkstatt Erziehungswissenschaften | Haus 31 | Raum 020
Franckeplatz 1

Eine Veranstaltung der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft Sachsen-Anhalt

Wir sollen „mehr Bock“ haben auf „Arbeit, Leistung, Wachstum und Wettbewerb“, um „unseren Wohlstand zu sichern“. Doch was für ein „Wohlstand“ soll das sein? Schuften ohne Ende? Für noch mehr Autos? Noch mehr Plastik im Meer? Noch mehr CO2? Noch höhere Finanzgebirge? Ständiger Stress, kaum Zeit für’s Leben? Sich dann auch noch anhören müssen, wir würden „zu viel krankmachen“? Und am Ende Minirente mit 75? Wer hat darauf schon Bock?

„Wirtschaftswachstum“ ist der moderne Gott, dem wir alle dienen müssen. Wir arbeiten für eine Megamaschine, die unendlich Geld anhäuft und Mensch und Natur ihrem Diktat unterwirft. Die Klimakrise ist ihr ebenso geschuldet wie die wachsende Kluft zwischen Reich und Arm, Vernachlässigung von Gesundheit, Bildung und Sozialem, unbezahlbare Wohnungen und Renten.

Computer und Roboter könnten uns viel Arbeit abnehmen. Aber wir sollen immer mehr arbeiten, weil die Megamaschine Konkurrenz statt Kooperation von uns verlangt. Niemand vertritt dieses Prinzip brutaler als Autoritäre und Faschisten. Die Rechtsentwicklung fällt nicht vom Himmel, sie erwächst aus der Ellenbogenlogik „unserer Wirtschaft“.

Kampf gegen Rechts kann erfolgreich sein, wenn er sich mit dem Wunsch von immer mehr Menschen nach wesentlich mehr Zeit für ein erfülltes und sinnvolles Leben verbündet. Kämpfe um radikale Arbeitszeitverkürzung und gesellschaftliche Selbstorganisation sind der Schlüssel für humanes und naturverträgliches Wirtschaften. Gewerkschaften können eine zentrale Rolle dabei spielen, wenn sie ihr großes Potential als Massenorganisationen der Fachkräfte für den stofflichen Umbau erkennen und mobilisieren.

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40.000 leben weiter

Chris Grodotzki, “Kein Land in Sicht”

von Minh Schredle

Vor zehn Jahren startete Sea-Watch Rettungsmissionen für Geflüchtete im Mittelmeer. Der Fotograf und Journalist Chris Grodotzki begleitete das Projekt von Anbeginn zu Land und zu See. Zum Jubiläum veröffentlicht er ein Buch, das bislang unbekannte Einblicke bietet. 

Etwas Außergewöhnliches muss passiert sein, wenn sich die Springer-Presse für Menschlichkeit begeistert. “Das war nicht peinlich, sondern stark”, bilanzierte die “Welt”, nachdem eine Sendung der ARD-Talkshow “Günter Jauch” eine überraschende Wende genommen hatte: Im April 2015 – gerade waren bei einem Unglück im Mittelmeer mindestens 844 Menschen ertrunken – fragt Moderator Jauch: “Das Flüchtlingsdrama: Was ist unsere Pflicht?” Eingangs verläuft die Diskussion erwartbar. Der Ex-Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) will Schleusern entschlossen das Handwerk legen; Roger Köppel, Chefredakteur der rechtspopulistischen Schweizer “Weltwoche”, verortet die Schuld für die Todesfälle bei “politischen Eliten”, die illegale Migration nicht unterbänden. Den Kontrapunkt verkörpert Heribert Prantl. Er prangert um diese Zeit in seinen Kolumnen für die “Süddeutsche Zeitung” an, Europa schütze sich “vor Flüchtlingen mit toten Flüchtlingen”. Das Urteil des Juristen: “Diese Union tötet; sie tötet durch Unterlassung, durch unterlassene Hilfeleistung.”

Die Gäste auf dem Podium beharken sich also mit bekannten Standpunkten, “Jauch ließ die Streithähne weitgehend machen, so geht Debatte in Deutschland”, rezensiert der “Spiegel”. Aus den gewohnten Bahnen gerät der TV-Abend erst, als zum Ende der Sendung hin Spezialgast Harald Höppner eingeführt wird: als Mann, der ein Schiff – die Sea-Watch – gekauft hat und losfahren will, um Menschen in Seenot zu retten. Jauch fragt süffisant, ob das uralte Fischerboot denn überhaupt seetauglich sei. Doch der Gast geht darauf nicht ein, fordert stattdessen eine Schweigeminute und setzt sie gegen Widerworte des Moderators durch: “Deutschland sollte eine Minute Zeit haben, um dieser Menschen zu gedenken. Jetzt. Bitte.” Das macht so viel Eindruck, dass sogar Köppel die Klappe hält.

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Für das Recht, angstfrei Rad zu fahren

Andreas Mandalka, Natenom

von Minh Schredle

Der Pforzheimer Aktivist Andreas Mandalka, bekannt als Natenom, warnte stets vor Risiken im Radverkehr. Dann wurde er auf einer Straße überfahren, vor deren Gefahren er gewarnt hatte. Unbekannte verwüsteten seine Gedenkstätte. Woher kommt der Hass auf Radfahrer?  

Mehr noch als durch die berühmtesten Architekten und die besten Stadtplanerinnen dürfte das Erscheinungsbild der Bundesrepublik durchs Auto geprägt worden sein: Der Straßenbau hat die Natur zuasphaltiert und gerade in stark bevölkerten Städten Menschen Raum genommen. Der Blick zurück in die 1920er-Jahre zeigt, wie die stetig mehr werdenden Autos Fahrradfahrer:innen dazu gedrängt hat, vermehrt auf Gehwege auszuweichen. Die geteilte Straßennutzung mit dem Auto barg seit jeher das einseitige Risiko, dass ein Zusammenstoß so gut wie immer übler für das Zweirad ausgeht. 

Einer, der zeitlebens auf die verschiedenen Gefahren der Fahrradnutzung hingewiesen hat, war der Aktivist Andreas Mandalka. Der Pforzheimer bloggte unter dem Pseudonym Natenom und machte zum Beispiel auf die Landstraße L574 aufmerksam, die Pforzheim und Neuhausen im Enzkreis verbindet. Mandalka, der auf dieser Strecke nach eigenen Angaben bis zu 1.000 Kilometer pro Monat mit dem Rad zurücklegte, erlebte hier viele knappe Überholmanöver. Im Juli 2020 wollte er es genauer wissen und hat nachgemessen. Ergebnis: Die Straße war gar nicht überall 3,75 Meter breit, wie in den Planungsunterlagen zur L574 ausgewiesen, sondern stellenweise nur 3,20.

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CDU und AfD: Kulturkampf verbindet

von Minh Schredle

“Correctiv”, die Amadeu Antonio Stiftung und die Omas gegen rechts: Beim Kulturkampf gegen links haben CDU und AfD gemeinsame Feindbilder. Auf europäischer Ebene gab es bereits eine Zusammenarbeit von rechts und ganz rechts, um Klimaschutz-Initiativen zu schwächen. 

Es war im Februar 2018: Nach der Bundestagswahl knapp fünf Monate zuvor hatte sich noch keine neue Regierung gebildet, die AfD war erstmals ins Parlament eingezogen und ihre Fraktion formulierte eine Kleine Anfrage zum Bundesprogramm “Demokratie leben!”. Dieses wurde 2014 unter Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) ins Leben gerufen, war beim sozialdemokratisch geführten Familienministerium angesiedelt und erklärte als Ziel, sich für eine wehrhafte Demokratie und gegen Extremismus einzusetzen. Doch wohin Geld fließt, war von Anfang an umstritten. So bemängelte FAZ-Autor Markus Wehner nach den Ausschreitungen rund um den G20-Gipfel im Juli 2017, dass die Regierung zu wenig nach links schaue. Der Bundesrechnungshof kritisierte in einem Prüfbericht, dass die Förderziele im Programm nicht hinreichend konkret bestimmt seien. Auch die AfD störte sich an “Demokratie leben!” – wenn auch mit anderem Zungenschlag und geradezu obsessiv. 

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Junge Alternative – Die jungen Extremen

von Lucius Teidelbaum

Die AfD-Jugend “Junge Alternative” (JA) löst sich nach zwölf Jahren auf. Auch in Baden-Württemberg. Mit der Nachfolge-Organisation könnte auf einen Schlag die größte extrem rechte Jugendorganisation der deutschen Nachkriegsgeschichte entstehen. Eine Bestandsaufnahme.

Die Aufregung war groß, als Anfang Dezember 2024 die Pläne der Parteispitze in der Jungen Alternative bekannt wurden. Nils Hartwig, der Vize-Bundesvorsitzende, reagierte mit martialischen Worten: “Jetzt heißt es Stahlhelm auf und ab in den Schützengraben. Unsere JA nehmen sie uns nicht.”

Auf ihrem Bundesparteitag beschloss die AfD am 12. Januar 2025 mit einer Zweidrittelmehrheit die Auflösung der offiziellen AfD-Parteijugend Junge Alternative, um sie dann in anderer Form unter anderem Namen wieder zu gründen. Bisher war die JA ein nichteingetragener Verein, nun soll eine neue Jugendorganisation innerhalb der AfD gegründet werden, der automatisch alle Partei-Mitglieder unter 35 Jahren angehören. In der AfD wird vom “Juso-Modell” gesprochen, denn in der SPD gehört auch jedes Mitglied bis 35 Jahre automatisch zur Gruppe der Jusos. Wobei das Beispiel hinkt, denn es ist durchaus möglich, Mitglied der Jusos zu sein, ohne der SPD anzugehören – und genau diese Möglichkeit will die AfD bei ihrer Jugendorganisation nicht mehr.

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Industrie und Sozialpartnerschaft: Zeitenwende für Gewerkschaften

von Minh Schredle (Interview)

Die erfolgreichsten Wachstumskritiker unserer Zeit heißen Friedrich Merz und Christian Lindner – sagt der Soziologe Klaus Dörre. Ein Gespräch über die sabotierte Antriebswende, Arbeitnehmerrechte unter Beschuss und Spanferkel, für die keine Zeit mehr bleibt.

Herr Dörre, im wirtschaftsliberalen Lager häufen sich die Stimmen, dass Deutschland radikale Reformen brauche, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Mit Blick auf die Interessen von Arbeitnehmern ist das wohl als Drohung zu verstehen?

Ja, ganz klar. Gegenwärtig erleben wir so etwas wie eine Zeitenwende in den organisierten Arbeitsbeziehungen. Nach der Krise 2007 bis 2009, in den zehn Jahren der Prosperität danach, sah es so aus, als würde sich der deutsche Sozialkapitalismus, für den sozialer Friede eine Produktivkraft ist, noch einmal berappeln. Aus heutiger Sicht muss ich sagen: Diese Einschätzung hat sich nicht bewahrheitet. Stattdessen praktizieren Unternehmen eine Art Niederwerfungsstrategie gegenüber den Gewerkschaften, wie wir sie bis dato nur aus den angelsächsischen Staaten kannten. Nicht im Sinne von vollständiger Entgewerkschaftung, sondern so, dass Gewerkschaften in einem Ausmaß geschwächt werden, dass sie außer als willfährige Krisenmanager zu nichts anderem mehr zu gebrauchen sind.

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Radikale Arbeitszeitverkürzung – Für ein besseres Leben. Gegen Rechts.

Vortrag und Diskussion mit Lothar Galow-Bergemann

Donnerstag, 3. April 2025, 18.30 Uhr, Erfurt

filler, Schillerstraße 44

Eine Veranstaltung von Bildungskollektiv BiKo e.V. im Rahmen der Reihe “Kämpfe um, im und gegen den Sozialstaat”

  • Der Vortrag ist mittlerweile HIER nachzuhören

Wir sollen „mehr Bock“ haben auf „Arbeit, Leistung, Wachstum und Wettbewerb“, um „unseren Wohlstand zu sichern“. Doch was für ein „Wohlstand“ soll das sein? Schuften ohne Ende? Für noch mehr Autos? Noch mehr Plastik im Meer? Noch mehr CO2? Noch höhere Finanzgebirge? Ständiger Stress, kaum Zeit für’s Leben? Sich dann auch noch anhören müssen, wir würden „zu viel krankmachen“? Und am Ende Minirente mit 75? Wer hat darauf schon Bock?

„Wirtschaftswachstum“ ist der moderne Gott, dem wir alle dienen müssen. Wir arbeiten für eine Megamaschine, die unendlich Geld anhäuft und Mensch und Natur ihrem Diktat unterwirft. Die Klimakrise ist ihr ebenso geschuldet wie die wachsende Kluft zwischen Reich und Arm, Vernachlässigung von Gesundheit, Bildung und Sozialem, unbezahlbare Wohnungen und Renten.

Computer und Roboter könnten uns viel Arbeit abnehmen. Aber wir sollen immer mehr arbeiten, weil die Megamaschine Konkurrenz statt Kooperation von uns verlangt. Niemand vertritt dieses Prinzip brutaler als Autoritäre und Faschisten. Die Rechtsentwicklung fällt nicht vom Himmel, sie erwächst aus der Ellenbogenlogik „unserer Wirtschaft“.

Kampf gegen Rechts kann erfolgreich sein, wenn er sich mit dem Wunsch von immer mehr Menschen nach wesentlich mehr Zeit für ein erfülltes und sinnvolles Leben verbündet. Kämpfe um radikale Arbeitszeitverkürzung und gesellschaftliche Selbstorganisation sind der Schlüssel für humanes und naturverträgliches Wirtschaften. Gewerkschaften können eine zentrale Rolle dabei spielen, wenn sie ihr großes Potential als Massenorganisationen der Fachkräfte für den stofflichen Umbau erkennen und mobilisieren.

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Antisemitismus und die AfD

Buchvorstellung und Diskussion mit Stefan Dietl

Montag, 12. Mai 2025, 19.30 Uhr, Stuttgart

Hotel Wartburg, Lange Straße 49

Eine gemeinsame Veranstaltung der Deutsch-Israelischen Gesellschaft Region Stuttgart und des Fördervereins Emanzipation und Frieden

Antisemitismus ist in der AfD allgegenwärtig. Immer wieder attackiert die Partei unter Rückgriff auf antisemitische Stereotype prominente Vertreterinnen jüdischen Lebens, teilen führende AfD-Funktionärinnen antisemitische Verschwörungserzählungen oder relativieren die Verbrechen des Nationalsozialismus. Trotz der zahlreichen einschlägigen Skandale in ihrer noch jungen Parteiengeschichte wird dem Antisemitis­mus in der Analyse der AfD jedoch kaum Beachtung geschenkt.

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Genug geschuftet

Radikale Arbeitszeitverkürzung als Baustein für eine bessere Zukunft

Vortrag und Diskussion mit Lothar Galow-Bergemann

Donnerstag, 27. Februar 2025, 18.30 Uhr, Freiburg

Mensa der Hebelschule, Engelbergerstr. 2

Eine Veranstaltung der FAU Freiburg

Immer noch mehr Autos, noch mehr Plastik im Meer, noch höhere Finanzgebirge, noch mehr CO2. Gesundheit, Bildung und Soziales werden vernachlässigt, Wohnen und Rentensystem unbezahlbar. Die Kluft zwischen Reich und Arm wächst. Wie zum Hohn verlangen Politik und Unternehmerverbände auch noch „mehr Bock auf Arbeit“.

Doch immer mehr Menschen haben keinen Bock mehr. Sie zweifeln am Sinn ihrer Arbeit und stellen sich unter einem erfüllten Leben etwas anderes vor als jahrzehntelanges Schuften für eine Minirente mit 75. Diese Kluft zwischen den Zwängen der Kapitalverwertung und den Wünschen vieler Menschen schreit nach emanzipatorischer Intervention.

Mit der Forderung nach der Viertagewoche kommt Bewegung in die Arbeitszeitdebatte. Doch eine grundlegende Wende ist im Rahmen des Lohnsystems nicht möglich. Auch die autoritär/faschistische Welle ist auf Basis der kapitalistischen Ellenbogenwirtschaft nicht zu brechen – schließlich ist sie deren Spross.

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“Die CDU braucht die AfD”

ein Kommentar der Redaktion Sachzwang FM

Frage: Ist bei einem kriminellen Gewalttäter bspw. aus Hessen, der in Sachsen offenbar wahllos Menschen angreift, seine Herkunft das ausschlaggebende Moment für die Sachlage – oder die psychisch-mentale Disposition des Täters? Die Frage ist offenbar rein rhetorisch und nicht ernstzunehmen. Frage: Ist bei einem Gesinnungstäter bspw. aus Niedersachsen, der in Bayern gezielt politischen Terror verübt, seine Herkunft das ausschlaggebende Moment für die Sachlage – oder die ideologische Ausrichtung des Täters? Auch diese Frage ist leicht zu beantworten.
Ist aber der Täter nicht deutsch (und zwar nach volkstümlich-rassistischen Kriterien, Staatsbürgerschaft spielt mittlerweile kaum noch eine Rolle), so scheinen alle Sicherungen durchzubrennen: Weder die psychischen Beschädigungen eines Menschen noch seine politisch-ideologische Fanatisierung sind dann ursächlich, sondern: daß er ein Ausländer ist. Dann muß er raus! Egal, ob er woanders das Blutbad anrichtet, das vielleicht “hier bei uns” passiert ist. Er muß auf jeden Fall anders bestraft werden als ein Deutscher, der dasselbe tut. Er muß raus!

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Von links nach rechts

“Bund gegen Anpassung” und Ahriman-Verlag

von Lucius Teidelbaum

In Freiburg ist eine sonderbare politische Gruppe beheimatet, die aus der linken Szene stammt, aber schon länger an das Netzwerk der extremen Rechten angedockt hat: der “Bund gegen Anpassung” (BgA), zu dessen Dunstkreis auch der Ahriman-Verlag gehört.

Bei den vergangenen Stuttgarter Buchwochen im November und Dezember 2024 bot sich Besucher:innen ein bemerkenswertes Kontrastprogramm: Direkt neben der Landeszentrale für politische Bildung hatte der Freiburger Ahriman-Verlag seinen Stand, ausgestellt waren Titel wie “Wie unrecht hatte Marx wirklich?”, daneben den Klimawandel leugnende oder den Feminismus kritisierende Publikationen mit einem oft an rechte Verschwörungsideologien erinnernden Duktus. Was wenig verwundert: Der Verlag gehört zum Kosmos des “Bundes gegen Anpassung” (BgA), einer sonderbaren politischen Gruppe aus Freiburg, deren Wurzeln in der Zeit der westdeutschen K-Gruppen liegen.

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