Zur Konjunktur des Glaubens an „höhere Mächte“ in Zeiten der Krise
Vortrag und Diskussion mit Lothar Galow-Bergemann
Donnerstag, 27. November 2014, 19.30 Uhr, Detmold Alte Pauline, Bielefelder Str. 3, 32756 Detmold
Der Vortrag ist mittlerweile hier anzuhören und steht auch auf Youtube.
WAS VERBINDET so unterschiedliche Leute wie die treue Kirchgängerin, den selbstbewussten Kämpfer gegen gierige Bankster und Heuschrecken, die esoterisch angehauchte Bioladendauerkundin, den missionarischen Salafisten, die reinkarnationsgläubige Waldorflehrerin, den sonnwendfeiernden Neonazi, die eifrige Streiterin wider die Weltverschwörung der Bilderberg-Konferenz, den homophoben Rastafarian, die − aus ihrem Krafttier − Energie schöpfende Schamanin, den spirituelle Erlösung suchenden Insassen einer Yoga-Lebensgemeinschaft, den ein Hirtenwort zum Jahr des Glaubens verkündenden Bischof und die an die Wirksamkeit einer Verdünnung von 1:10²³ glaubende entschiedene Gegnerin der Manipulation durch die Pharmaindustrie?
ES IST DER GLAUBE an das Walten höherer Mächte, denen sie entscheidenden Einfluss auf unser Wohl und Wehe unterstellen. Zwar halten sie die einen für das Gute an sich und die anderen für das Böse schlechthin. Und wo sich die einen den guten Geistern lustvoll unter-werfen, werfen sich die anderen heldenhaft den finsteren Mächten entgegen. Die einen predigen Sanftmut und die andern kochen vor Wut. Die einen beschreiben sich als religiös, die anderen als atheistisch, die einen als unpolitisch, die anderen als hochpolitisch, die einen als rechts, die anderen als links. Doch gemeinsam sind ihnen der Hang zu einfachen Antworten auf komplizierte Fragen, das wohlige Gefühl, zur Gemeinschaft der Erleuchteten zu gehören und eine ausgeprägte Kritikresistenz.
GUTE ZEITEN für einfach zu verstehende Botschaften, die scheinbar Antwort und Sicherheit geben, sind Zeiten, in denen sich der krisenhafte Zustand der Welt herumgesprochen hat und Unsicherheit und Zukunftsängste um sich greifen. Doch wo sich Demut statt Vernunft, Wut statt Kritik und Glaubenwollen statt Wissenwollen durchsetzen, machen sich Denkfaulheit, Regression und Irrationalität breit. Die Sehnsucht nach einfachen Antworten ist immer auch die nach einfachen Lösungen. Und die nach starken Führungspersönlichkeiten, von denen man sich Halt und Orientierung verspricht.
Was muss emanzipatorische Kritik leisten, die sich weder mit der kapitalistischen Krise noch mit ihrer regressiven Verarbeitung in den Köpfen abfinden will und die am Ideal einer Gesellschaft freier Menschen in freien Vereinbarungen festhält?
Lothar Galow-Bergemann schreibt u.a. für konkret, Jungle World und www.emafrie.de
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