Trump und Baden-Württembergs Wirtschaft
Von Minh Schredle und Oliver Stenzel
Die Automobil-Industrie ist ohnehin angeschlagen und Baden-Württembergs Exportgeschäft rückläufig. Nun wurde im Land des wichtigsten Absatzmarktes, den USA, ein Präsident gewählt, der Schutzzölle ankündigt. Ein Stimmungsbild aus dem Südwesten.
Zeitgleich zu den Präsidentschaftswahlen in den USA veröffentlichte die “Zeit” eine Recherche, in deren Vorspann es heißt: “Deutsche Konzerne durften im US-Wahlkampf offiziell nichts spenden – indirekt fanden sie trotzdem Wege. Ihre Hoffnungen liegen auf Trumps politischem Lager.” Der zugehörige Text ist dann ein gutes Stück differenzierter, es ist nämlich keineswegs so, dass bei allen Unternehmen aus der Bundesrepublik einheitliche Interessen unterstellt werden könnten. Und so führt der Artikel aus: “Republikanische Kandidaten erhielten aus dem Umfeld deutscher Konzerne 1,42 Millionen US-Dollar, demokratische dagegen nur 1,15 Millionen Dollar.”
Die Präferenzen unterscheiden sich nach Branche. Laut der “Zeit” habe neben der BASF und T-Mobile insbesondere das Baustoff-Unternehmen Heidelberg Materials das republikanische Lager bevorzugt, wobei die Baubranche insgesamt nach rechts rücke – was womöglich an profitgefährdenden Umweltauflagen liegen könnte, die Republikaner eher zu schleifen bereit sind. Im Fall des Unternehmens, das bis 2023 noch Heidelberg Cement hieß, wird dabei eine Kontinuität ersichtlich. So kommentierte Bernd Scheifele, seinerzeit Vorstandsvorsitzender, die erste Wahl von Trump 2016 mit den Worten, dass er sich durch diesen Ausgang “mittelfristig positive Effekte für unsere Industrie“ verspreche, beispielsweise durch den angekündigten Mauerbau zu Mexiko.
Das kam seinerzeit eher mittelgut an in der deutschen Öffentlichkeit, und so antwortet Heidelberg Materials auf Anfrage von Kontext acht Jahre später eher diplomatisch denn mit Jubelschreien: “Als multinationales Unternehmen setzen wir uns für eine starke transatlantische Partnerschaft ein, um gemeinsam die globalen Herausforderungen anzugehen und eine nachhaltige und resiliente Zukunft zu gestalten”, erklärt der Corporate Community Manager Steven Meyers, der zuversichtlich ist, “auch mit der neuen US-Regierung konstruktiv zusammenzuarbeiten”.
Das Exportgeschäft ist eh schon rückläufig
Bei anderen Unternehmen aus Baden-Württemberg wird im Gegensatz dazu ein gewisser Unmut erkennbar, immerhin sind die USA der bei weitem bedeutendste Exportmarkt für den deutschen Südwesten. Im vergangenen Mai gab das Statistische Landesamt bekannt, dass das Exportgeschäft ohnehin rückläufig sei – ein Minus von 6,8 Prozent im Vergleich zum Vorjahresquartal. Kurz vor den US-Wahlen, am 23. Oktober, meldete die Stuttgarter Industrie- und Handelskammer, dass die baden-württembergische Industrie in die Rezession rutsche. Präsident Claus Paal kommentierte: “Noch nie haben so viele unserer Unternehmen die politischen Rahmenbedingungen als Geschäftsrisiko genannt.”
Das bezog sich vor allem auf die heimische Politik – doch viele Unternehmen dürfte auch der von Trump angekündigte Protektionismus vor Schwierigkeiten stellen. Das baden-württembergische Wirtschaftsministerium betont in diesem Sinne, die demokratische Wahl zu akzeptieren, stellt aber unverblümt klar, dass die Wahl Trumps im Vergleich zur demokratischen Mitbewerberin Kamala Harris für die heimische Ökonomie “selbstverständlich die größere Herausforderung” sei. Landeswirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut (CDU) erklärt auf Anfrage von Kontext: “Ich rechne damit, dass Trump den ‘America first’-Ansatz aus seiner ersten Amtszeit fortsetzen wird und wir uns auf höhere oder weitere Einführzölle auf Güter aus der EU einstellen müssen.” Darunter würde die Wettbewerbsfähigkeit leiden. Die Ministerin betont, dass aktuell über 14 Prozent der baden-württembergischen Exporte in den Vereinigten Staaten landen, die vorhandenen Wirtschaftsbeziehungen robust seien und es deplatziert wäre, “in Alarmismus zu verfallen”. Zugleich erfolgt jedoch der vielsagende Hinweis, dass Baden-Württemberg “den eingeschlagenen Kurs der Diversifizierung unserer Handelspartner und die aufstrebenden Märkte in Lateinamerika oder Südostasien noch stärker in den Blick nehmen” werde. Was wohl schlicht heißt, künftig mehr Geschäfte mit anderen Ländern betreiben zu wollen.
Besonders herausfordernd dürften die pro-US-amerikanischen Schutzzölle nach Einschätzung von Hoffmeister-Kraut für “diejenigen Automobil- und Maschinenbauunternehmen” werden, “die nicht bereits in den USA produzieren”. Allerdings ist Mercedes-Benz seit über 130 Jahren in den USA vertreten, aktuell mit zwölf Hauptstandorten und gut 11.000 Beschäftigten. Und dennoch betont ein Sprecher gegenüber Kontext: “Wenn eine allgemeine Strömung zu Protektionismus Fuß fasst, hat das negative ökonomische Konsequenzen für alle beteiligten Akteure. Dies kann nicht im Interesse von Politik, Wirtschaft und Gesellschaft sein.”
Der Tunnelvortriebsgigant Herrenknecht aus Schwanau-Allmannsweier möchte sich auf Anfrage von Kontext nicht zum Ausgang der US-Wahlen äußern, die Porsche AG mit Hauptsitz in Stuttgart reagiert eher schmallippig: Die USA blieben weiterhin ein “bedeutender Markt”, als global agierender Konzern wisse man “um die Bedeutung von freiem Handel und offenen Märkten” als Basis für Wohlstand und Wachstum. “Über etwaige regulatorische Pläne der neuen US-Administration, die Auswirkungen auf die Rahmenbedingungen der Automobilindustrie haben könnten, möchten wir nicht spekulieren.”
Im Gegensatz dazu will das Ifo-Institut schon einen Tag nach Auszählung der Stimmen, also am 6. November, berechnet haben, dass der Trumpsche Protektionismus die deutsche Wirtschaft 33 Milliarden Euro kosten werde. Zudem prognostiziert es einen Rückgang des Exports in die USA um 15 Prozent, weswegen Lisandra Flach, Leiterin des Ifo Zentrums für Außenwirtschaft, der europäischen Politik zu “glaubwürdigen Vergeltungsmaßnahmen gegenüber den USA” rät.
“Für eine Abschätzung möglicher Auswirkungen der US-Wahlen auf die Wirtschaft ist es noch zu früh”, erklärt hingegen der Stuttgarter Technikkonzern Bosch, der unter anderem mit Blick auf die “andauernden geopolitischen Spannungen” hervorhebt, wie wichtig es sein werde, “die engen transatlantischen Beziehungen” zwischen den USA und Europa fortzusetzen. “Vorschnelle Entscheidungen oder Mutmaßungen aufgrund von Wahlkampfaussagen sind fehl am Platz”, betont auch der Maschinenbauer Mann+Hummel mit Hauptsitz in Ludwigsburg. Hanno Höhn, Geschäftsführer und obendrein Chief Performance Officer, erläutert gegenüber Kontext, dass ihnen “auch mit Blick auf mögliche Zollschranken” zugute komme, “dass wir mit 16 Standorten in den USA vertreten” seien. Das ist aber nicht der einzige Trumpf: “Zudem kommt unser CEO Kurk Wilks aus den USA. Er kennt den Markt und hat exzellente Kontakte, auch auf politischer Ebene.”
Sorgen bei der IG Metall
Große Sorgen werden bei Gewerkschaften erkennbar. Barbara Resch, Bezirksleiterin der IG Metall Baden-Württemberg, verweist auf einen steigenden Verlagerungsdruck, dass also Unternehmen in Regionen abwandern könnten, die weniger stark durch Zölle belastet sind als Deutschland und Europa. Entsprechend wichtig sei daher eine “aktive Wirtschafts- und Industriepolitik, die Innovation und Investition fördert, Beschäftigung sichert, den Binnenmarkt stärkt und Abhängigkeiten verringert”.
Nicht geäußert haben sich auf Anfrage von Kontext der Ulmer Pharmakonzern Ratiopharm, der Giengener Plüschtierproduzent Steiff und der Dietzinger Laserspezialist Trumpf. Dessen Chefin Nicola Leibinger-Kammüller hat allerdings gegenüber der “Deutschen Presseagentur” konsterniert festgestellt: “Die Zuspitzung und Vulgarisierung der politischen Kultur durch Trump haben offenbar nicht abschreckend gewirkt.” Trotzdem bleibe Amerika der wichtigste Absatzmarkt.
Für viele heißt es wohl, aufgrund der ökonomischen Abhängigkeit vom US-Markt gute Miene zum bösen Spiel zu machen. Die vielleicht beste macht der Stuttgarter Oberbürgermeister Frank Nopper (CDU). Er betont, die Stadt sei und bleibe “mit den USA freundschaftlich verbunden”, und erinnert auf Instagram: “Stuttgart war im Jahr 1946 Schauplatz der berühmten Hoffnungsrede des US-Außenministers James F. Byrnes, welche die Aussöhnung und die enge Freundschaft zwischen unseren beiden Völkern einleitete.” Ob dabei ein subtiler Seitenhieb intendiert war? Immerhin war Byrnes obendrein ein wahnhafter Rassist – und den angehenden US-Präsidenten offen als einen solchen bezeichnen, das wollte gegenüber Kontext niemand von den Angefragten.
[zuerst erschienen in Kontext: Wochenzeitung Ausgabe 711 am 13. November 2024]