Entzogene Lebensgrundlagen

Über den Zusammenhang von Umweltzerstörung, strukturellem Elend und massenhaften Fluchtbewegungen

Vortrag und Diskussion mit Minh Schredle

Montag 30. Januar, 19.00 Uhr (Online)

bei krisis-Kritik der Warengesellschaft

Zoom-Meeting: https://us02web.zoom.us/j/87886449547?pwd=RGdSK0ZxSHphYnFTT21LY01wQTY4UT09
Meeting-ID: 878 8644 9547
Kenncode: 265918

Es ist das Zeitalter der großen Rekorde: Jahr für Jahr erreicht der weltweite Ressourcenverbrauch historische Höchststände, ebenso übertrumpfen sich bei der globalen Verschuldung immer neue Spitzenwerte, und nie waren seit der Gründung der Vereinten Nationen mehr Menschen auf der Flucht. Wo Erdregionen unbewohnbar werden, tendieren legitimationsideologische Erklärungsmodelle dazu, den Opfer dieser Entwicklungen die Verantwortung für ihr Leid anzudichten und sie ihrem Schicksal zu überlassen. In Leitmedien wie dem „Spiegel“ plädieren Autor:innen inzwischen in offenherzigem Zynismus dafür, die „klimarobusten“ Wohlstandszentren abzuschotten, denn ohne Triage werde es nicht gehen und darauf gelte es sich nun, ganz pragmatisch, vorzubereiten.

Wo Jahrzehnte lang Ignoranz gegenüber schrillenden Alarmsignalen vorherrschte, hat sich also herumgesprochen, dass seit geraumer Zeit lodernde Krisenherde nun komplett eskalieren – und da verschiedene Katastrophen mitunter als nicht mehr abwendbar empfunden werden, greift in Teilen der Gesellschaft eine Rette-sich-wer-kann-Mentalität um sich. Eine andere populäre Bewältigungsstrategie, die insbesondere im parteipolitischen Spektrum überwältigende Mehrheiten hinter sich vereint, ist die hoffnungslose Hoffnung auf „grünes Wachstum“, die sich sogar bei selektiver Blindheit gegenüber der vorliegenden empirischen Evidenz immer schlechter schönlügen lässt.

Insgesamt werden die politischen Diskurse dabei von der Tendenz dominiert, die ausufernde Umweltzerstörung, sich häufende Wirtschaftskrisen und die immer extremere Ungleichheit von Arm und Reich als voneinander getrennte Problembereiche zu behandeln. In diesem Vortrag soll hingegen der Versuch unternommen werden, ein Kontrastprogramm zu skizzieren und die strukturellen Probleme der herrschenden Wirtschafts- und Lebensweise herauszuarbeiten, ohne sich dabei zwischen fatalistischem Katastrophismus oder verkrampftem Zweckoptimismus zu entscheiden. Im Zentrum soll dabei stehen, wie die Generierung abstrakten Reichtums als oberster Zweck der gesellschaftlichen Tätigkeiten die stoffliche Welt mitsamt der Menschheit zum Treibstoff seiner selbstzweckhaften Eigendynamik degradiert und sich der Kapitalismus der eigenen Substanz entledigt. Die gegenwärtig auftretenden ökologischen und ökonomischen Verwüstungen werden dabei als Folge eines historischen Prozesses interpretiert, in dessen Verlauf der blinde Wachstumszwang endloser Kapitalakkumulation an die Schranken seiner Entwicklungsfähigkeit stößt und dabei immer mehr Lebewesen auf dem Planeten die Existenzgrundlagen entzieht.