Sobald “die Richtigen” sie vertreten, werden inhumane Einlasskriterien der EU beklatscht
von Hans-Peter Häfele
Exakt ein Jahr nach den infolge der Enthüllungen der ,,Correctiv“- Recherchen über die ,,Remigrationspläne“ der AFD aufgeschreckten bürgerlichen Wählerschichten und daraufhin stattgefundenen Massenmobilisierungen in vielen deutschen Großstädten fand die berechtigte, kollektive Empörung nun erneut einen Anlass sich als ,,gesunde, demokratische Mitte“ medial- öffentlichkeitswirksam zu inszenieren. Nach Einschätzung der Veranstalterin folgten am Samstag, 18.Januar 2025 bis zu 5000 Menschen auf dem Karlsruher Marktplatz einem Aufruf unter dem Motto: ,,Mit uns statt gegen uns“ sich sichtbar im Rahmen einer Kundgebung gegen den unverblümten Rassismus der AfD zu versammeln. Anlass war das Bekanntwerden einer Wahlkampfaktion der Karlsruher AfD, welche darin bestand, ,,Abschiebetickets“ in die Briefkästen von Bürgerinnen zu werfen, deren Namen irgendwie ,,ausländisch“ klingen um diesen Menschen klar zu machen, dass sie hier in Deutschland bestenfalls geduldet, als kulturfremde Kostgänger der hiesigen Leistungseliten, jedoch auf Dauer unerwünscht sind.
Es ist bekanntlich Wahlkampf und dennoch sollten an diesem Samstag nicht die lokale Politprominenz das Wort haben, sondern die von der AFD- Aktion betroffenen, migrantisierten Menschen selbst. Das Dilemma eines jeden bürgerlichen Anti-Rassismus zeigte wie im Brennglas in der Rede eines migrierten Syrers, welcher sich einleitend als ,,Weltbürger“ vorstellte und für diese Selbstverortung sich kaum eine Hand zum Beifall hob. Sein Nachschub, dass er mittlerweile jedoch ausschließlich über einen deutschen Paß verfüge und nunmehr ein ,,richtiger Deutscher“ sei, wurde mit heftigem Beifall quittiert. Das ,,bestandene Abitur, eine absolvierte Berufsausbildung mit angehängtem, erfolgreichem Studium“ mache ihn noch mehr zum Deutschen, als alle hier auf dem Platz versammelten Kundgebungsteilnehmenden. Er sei stolz jetzt Deutscher zu sein und verkörpere nunmehr den Prototypen des ,,Bio- Deutschen“, denn er habe ,,was geleistet“, ganz im Gegensatz zu ,,Euch, die im Glücksfall der Kraft der Geburt zu Deutschen“ wurden. Dieses Ende seiner Rede ging im frenetischen Beifall unter. Es mögen die Gefahren der Flucht, das erfahrene Leid der persönlichen Diskriminierung und rassistischer Ausgrenzung gewesen sein, die diesen Menschen im Reflex des Willens zum Überleben in den Konformismus der andienenden Überanpassung getrieben haben. Den Tüchtigen soll die Welt gehören, über das Los des Gros der Habenichtse und Überflüssigen, welche überwiegend als ,,Ausländer“ im Verteilungskampf um rare Güter strukturell benachteiligt werden, wurde gestern nicht gesprochen.
In der politischen Einordnung des Gesagten kann hier vom Imperativ der eigenen Verwertungsbereitschaft als Konkurrenzsubjekt auch von einem latenten Nützlichkeits-Rassismus gesprochen werden, welcher sich andient, den tabuisierten, rechten Hautfarben-Rassismus zu ersetzen. Die Antwort auf die globale Krise der Kapitalverwertung wird zu einer Re-Orientierung in eine vermeintlich weniger krisenanfällige nationale Produktion münden und in der Folge zu einer Verschärfung des Wettbewerbs der Lohnabhängigen untereinander, insbesondere in den prekären Segmenten der Arbeitsmärkte, wo migrantische Lohnarbeit seit je her dominiert. Unabhängig vom moralischen Tenor der im Rahmen der Kundgebung geforderten Toleranz und Mitmenschlichkeit, orientierte sich die Rede des Neu- deutschen Migranten an den geforderten, programmatischen europäischen Einlass- Kriterien des von der völkischen AFD immer weiter nach rechts getriebenen, ehemals national- konservativen und nunmehr offen autoritären, tendenziell proto- faschistischen Parteien- Klüngels. Das Angebot einer glückenden Migration und sozialen Integration darf als Kampfansage auch an die Geburtsdeutschen gelten, im sozialdarwinistischen Wettlauf mit den leistungswilligen Neuankömmlingen um die rarer werdenden, schlecht entlohnten Jobs zu konkurrieren. Die trügerische Medizin, den tief verwurzelten rassistischen Teufel mit dem Belzebub der Meritokratie austreiben zu wollen, wird den Rassismus absehbar nur noch mehr vertiefen. Eine öffentliche Rede, welche so sehr auf ein identitäres ,,Deutschtum“ anempfehlend fokussiert, wäre im Rahmen einer thematisch anders gelagerten Veranstaltung berechtigt als unzeitgemäße ,,Deutschtümelei“ kritisiert worden. Eine Kritik des kapitalistischen Leistungsethos und universeller Konkurrenz scheint sich hier um den Preis einer Abwehr des rassistischen Verdachts zu verbieten.