“Bund gegen Anpassung” und Ahriman-Verlag
von Lucius Teidelbaum
In Freiburg ist eine sonderbare politische Gruppe beheimatet, die aus der linken Szene stammt, aber schon länger an das Netzwerk der extremen Rechten angedockt hat: der “Bund gegen Anpassung” (BgA), zu dessen Dunstkreis auch der Ahriman-Verlag gehört.
Bei den vergangenen Stuttgarter Buchwochen im November und Dezember 2024 bot sich Besucher:innen ein bemerkenswertes Kontrastprogramm: Direkt neben der Landeszentrale für politische Bildung hatte der Freiburger Ahriman-Verlag seinen Stand, ausgestellt waren Titel wie “Wie unrecht hatte Marx wirklich?”, daneben den Klimawandel leugnende oder den Feminismus kritisierende Publikationen mit einem oft an rechte Verschwörungsideologien erinnernden Duktus. Was wenig verwundert: Der Verlag gehört zum Kosmos des “Bundes gegen Anpassung” (BgA), einer sonderbaren politischen Gruppe aus Freiburg, deren Wurzeln in der Zeit der westdeutschen K-Gruppen liegen.
Mit dem Scheitern der antiautoritären Revolte von 1968 bildeten sich in der außerparlamentarischen Linken autoritäre Gruppen und Parteien, so genannte K-Gruppen. Diese prägten ein Jahrzehnt maßgeblich die linke außerparlamentarische Opposition in der Bundesrepublik. Die K-Gruppen und K-Kleinstparteien strebten eine proletarische Revolution und eine Diktatur des Proletariats an. Als reale Vorbilder fungierten je nach Gruppe Maos China, die Sowjetunion unter Lenin oder Stalin, die DDR, das Albanien von Enver Hoxha oder das Kambodscha unter Pol Pot.
Eine ganz eigene Ideologie
Zu diesen K-Gruppen-Gewächsen gehörte auch die 1974 in Freiburg gegründete Hochschulgruppe “Marxistisch-Reichistischen Initiative” (MRI). Die Gruppe berief sich nicht nur, wie ihre K-Gruppen-Konkurrenz, auf kommunistische Theoretiker und Politiker Marx, Engels, Lenin und Co., sondern auch auf Sigmund Freud (1856 bis 1939), den Begründer der Psychoanalyse, und vor allem auf den Freud-Schüler Wilhelm Reich (1897 bis 1957). Die Theorien von Reich waren in der Vorstellung der Gruppe die Synthese von Freud und Marx. Reich forderte unter anderem eine Befreiung von der Entfremdung durch die Triebunterdrückung. Laut MRI würden die Weltprobleme vor allem aus Triebunterdrückung und Projektion resultieren. Religion hielt man in diesem Zusammenhang für eine “Massenneurose”. Eine ökonomische Analyse wie bei den anderen linken Gruppen spielte von Anfang an eine eher nachrangige Rolle.
Die meisten K-Gruppen implodierten mit dem Ausbleiben der erwarteten Weltrevolution. Nicht so die MRI und der 1987 aus ihr entstandene BgA, der sich mit einer Sonderideologie offenbar gegen kritische Einflüsse von außen abschotten konnte. Man zeigte sich trotzdem auch flexibel und griff immer wieder neue Themen auf. Mit der Aids-Hysterie 1985 entdeckte die Gruppe ein neues Themenfeld. Damals publizierte und referierte die Gruppe zum “Tabuthema Aidsstopp” und forderte eine Zwangstätowierung von Aids-Infizierten.
Ein weiteres Thema der Gruppe ist ihr Ökofaschismus in Form einer generellen Menschenfeindlichkeit. Mehrfach warb sie in Anzeigen und Plakaten für eine Bevölkerungsreduzierung, unter anderem mit der Botschaft “Fünf Milliarden sind vier Milliarden zu viel”. Statt der Eigentumsverhältnisse, soll die Zahl der Menschen auf der Erde das grundsätzliche Problem sein.
Auch als ehemalige K-Gruppe hat der BgA die Vorliebe für starke Männer an der Spitze beibehalten. Bereits 1989 bekundete man seine Sympathien mit der extrem rechten Republikaner-Partei, später mit dem irakischen Diktator Saddam Hussein, Nordkorea und dem Assad-Regime in Syrien. Die Wahl Donald Trumps zum US-Präsidenten 2016 und seine Wiederwahl 2024 wurden ebenso begrüßt.
Zu diesem Autoritarismus gesellten sich auch Verfolgungswahn, Verschwörungsdenken und ein ausgeprägtes Freund-Feind-Denken. Bereits in den 1980er-Jahren gab es Berichte über das einschüchternde, martialische Auftreten der Anhänger:innen der Gruppe. In Flugblättern oder mündlich wurden echte oder vermeintliche Gegner:innen und Kritiker:innen oft in vulgärer Weise beschimpft. “Wo beiben eigentlich meine Verleumder, die Drecksschweine?”, fragte etwa Fritz Erik Hoevels, der Vordenker der Gruppe, bei einem Vortrag auf der Leipziger Buchmesse 2018 (im Video ab 1:20:00).
Zentrum in Freiburg
Zwar expandierte die Gruppe immer wieder, aber ihr Zentrum lag von Anfang an im südbadischen Freiburg. Hier wurde sie gegründet, hier ist der Sitz des Verlags und hier lebt ihr Vordenker – oder eher Guru – der Gruppe, Fritz Erik Hoevels. Der 1948 geborene Hoevels ist ein Psychoanalytiker, von ihm stammen zahlreiche Schriften und Vorträge. Auch öffentlich für die Gruppe in Erscheinung tritt Peter Priskil, Jahrgang 1955. Er ist Buchautor im Ahriman-Verlag und stand beispielsweise dem extrem rechten “Compact”-Magazin mehrfach für ein Gespräch zur Verfügung.
In Freiburg gelang es der MRI, nach der Übernahme der lokalen “Bunten Liste” 1979, mit dem Anhänger Gottfried Niemitz im September 1980 in den Stadtrat einzuziehen. 1984 initiierten diverse linke Gruppen einen Gegenwahlaufruf gegen die “hierarchisch organisierte Kaderpartei”. Der Wiedereinzug misslang.
Trotzdem versuchte man unter diversen Deckmänteln zu expandieren. Mehrere Ableger wurden gegründet und versandeten wieder, etwa die Claude-Helvetius-Gesellschaft, das “Rote Forum” oder die “Initiative Neue Linke”.
Zum Kern der Gruppe dürften kaum mehr als 20 Personen gehören. Insgesamt handelt es sich um eine kleine Gruppe um den Guru Hoevels, die mit ihm alt geworden ist. Einige Namen begegnen einem seit den 1980er-Jahren immer wieder. Die Gruppe verfügt über finanzielle Ressourcen, vermutlich auch durch die Tätigkeit einiger Mitglieder als Psychoanalytiker:innen.
Ein eigener Verlag und ein eigenes Magazin
Zum BgA gehört der 1983 gegründete Ahriman-Verlag, die Thanilo Verlags- und Vertriebs-GmbH und das Monatsmagazin “Ketzerbriefe”, im Untertitel “Flaschenpost für unangepasste Gedanken”, das sogar an einigen Bahnhofskiosken ausliegt. Schon das Logo des Ahriman-Verlags ist ein Hinweis auf die Eigenheiten der Gruppe und die zweifelhafte Seriosität. Es zeigt die Silhouette eines Teufels mit deutlich sichtbarem erigierten Penis. Diese Symbolik dürfte aus dem Antiklerikalismus der Gruppe stammen. Ahriman repräsentiert im Glauben der Zoroastrier, einer in vorchristlicher Zeit in Persien entstandenen Religion, das Zerstörerische. Das sollte wohl zur Gründungszeit die christliche Gesellschaft maximal provozieren.
In einer offenkundigen Selbstbeschreibung inszeniert sich der Verlag als Vertreter “der historischen und zeitgeschichtlichen Wahrheit”: “Von seiner Gründung im Frühjahr 1983 an nimmt der Ahriman-Verlag eine Monopolstellung ein: Alles, was nach Hitler und Stalin, Adenauer und den Brandt’schen Berufsverboten begraben oder in zahnlos-pervertierten Phrasen zerredet wurde, gibt es authentisch und in voller Sprengkraft nur bei uns: klassische Psychoanalyse (also die anpassungsfeindliche Wissenschaft Freuds) und unverfälschten Marxismus, kompromißlose Religionskritik und die Darstellung der historischen und zeitgeschichtlichen Wahrheit ohne Zugeständnisse an Mehrheit und Macht.”
Das Verlagsprogramm beinhaltet neben den Werken von Mitgliedern der eigenen Gruppe auch Übersetzungen aus dem Ausland. Vorwürfe politisch weit rechts zu stehen, kontert man gerne mit dem Verweis auf die Bücher von jüdischen Autoren oder Shoah-Überlebenden, etwa Bernard Goldstein, einem Anführer des Aufstands im Warschauer Ghetto. Diese Bücher sind in der Regel Übersetzungen, und es ist unklar, ob den Autoren der problematische Charakter des deutschen Verlags bekannt war beziehungsweise ist. Andere Autoren sind bei Ahriman genau richtig, etwa Boris Krljic (“Alexander Dorn”), ein in der Schweiz lebender serbischer Geschichtsrevisionist, der den Genozid an bosnischen Muslimen 1995 in Srebrenica verharmlost.
Den Buchwochen ist das Profil des Verlags “bekannt”
Der Verlag gastiert auf den großen Buchmessen in Leipzig und in Frankfurt ebenso wie auf den kleineren Stuttgarter Buchwochen, wo man im November 2024 vertreten war. Diese werden vom Südwest-Ableger des “Börsenverein des deutschen Buchhandels” organisiert. Auf eine kritische Nachfrage von “Kontext” antwortete Tom Erben, Geschäftsführer des Börsenverein des Deutschen Buchhandels Baden-Württemberg e.V. ausführlich:
“Selbstverständlich ist uns als Veranstalter der Stuttgarter Buchwochen das Profil des Ahrimann (sic!) Verlages bekannt und wir haben ein waches Auge auf alle Publikationen, die bei uns ausgestellt werden. Allerdings sind die Schriften des Ahrimann Verlages nach deutschem Recht nicht verboten – mit der Ausnahme einer Folge der “Ketzerbriefe”, die auf dem Index landete und unverzüglich von uns aus der Ausstellung entfernt wurde. Wir folgen der Einschätzung der Frankfurter Buchmesse, die “jede Form von politischem oder religiösem Extremismus, Rassismus und jede Form von Diskriminierung verurteilt, aufgrund ihrer Monopolstellung als Leitmesse aber dennoch alle Verlage, Dienstleistende, Organisationen und Unternehmen als Aussteller:innen zulässt, die nach deutschem Recht nicht verboten sind.”
Bei der Buchmesse Wien sorgte die Teilnahme des Ahriman-Verlags 2019 dagegen für Streitigkeiten. Die Ablehnung einer Lesung durch die Messeleitung führte zu einem schnell gesteigerten aggressiven Ton durch den Verlag und zu Konflikten, so dass die Anmeldung für die Messe 2020 abgelehnt wurde.
Die große Links-Rechts-Verwirrung
Aus dem MRI wurde 1987 der “Bund gegen Anpassung” (BgA). Wie jede dogmatische Gruppe setzt er auf die Verbreitung seiner Gesellschaftsanalyse als alleinigem Heilsweg.
Für Aufregung sorgten Mitglieder des BgA immer wieder, wenn sie auf großen Demonstrationen ihre Flugblätter verteilten. Etwa auf Demonstrationen gegen den zweiten Golfkrieg (1991, mit einer Stellungnahme für Saddam Hussein), gegen den Kosovo-Krieg (1999) oder gegen das Freihandelsabkommen TTIP (2015). Die verteilten Flyer sind inhaltlich sprunghaft und für Gruppen-Außenstehende und Jüngere oft nicht verständlich. Etwa der Bezug auf die Berufsverbote gegen Linke unter dem SPD-Kanzler Willy Brandt. Mutmaßlich stammen die Texte aus der Feder von Hoevels selbst. Der Ton ist jedenfalls sehr ähnlich.
Interessanterweise benutzt der BgA weiterhin Hammer und Sichel als Emblem und bezieht sich neben Reich bis heute auf Lenin und Trotzki. Ein Vortrag, den Hoevels 2018 gehalten hat, trägt den Titel “Die Rechts/Links-Verwirrung”. Hoevels wirft darin Linken vor, nur “Pseudo-Linke” zu sein. Seiner Meinung nach sei die Antifa “knallerechts” und “die SA des internationalen US-Kapitals und seiner Kolonialregierungen”. Antifaschisten seien “die echten Faschisten unserer Zeit”. Zwar kritisiert er auch die Neue Rechte für ihren “beschränkte[n] Nationalismus”, aber immerhin sei diese diskussionsbereit.
Da ist eine Annäherung an die extreme Rechte nur folgerichtig. Doch es geht um mehr als nur eine fehlende Abgrenzung gegen rechts. Der BgA teilt auch Ideologie-Bestandteile mit der extremen Rechten: Antiamerikanismus, Antifeminismus, Autoritarismus und Verschwörungsdenken. Auch den Rassismus der extremen Rechten gegenüber Geflüchteten hat man offenkundig adaptiert. So trägt ein BgA-Flugblatt vom 6. November 2018 die Überschrift: “Solidarität mit den Opfern der eingeschleusten Vergewaltiger und Mörder, Solidarität mit der AfD! Falsche Flüchtlinge raus!” Und während der Corona-Pandemie stimmte man mit in den Chor der Pandemie-Leugner:innen ein.
Alles Positionen, die in der extremen Rechten für Sympathien sorgen. Andererseits dürften Elemente wie der Antiklerikalismus, eine liberale Sexualmoral oder die Hammer-und-Sichel-Symbolik die extreme Rechte kaum ansprechen. Trotzdem hat sich der BgA beziehungsweise der Ahriman-Verlag der extremen Rechten seit den 1990er-Jahren angenähert, und inzwischen bestehen vielfältige Berührungspunkte .
Spätestens ab 1997 warb man für den “Ahriman-Verlag” oder die “Ketzerbriefe” in extrem rechten Print- und Online-Publikationen wie der “Jungen Freiheit”, “Krautzone”, “Compact”, “Cato” oder “Zuerst”. Und im vergangenen Jahr solidarisierte man sich mit “Compact”, als dieses im Juli von staatlicher Repression und einem kurzzeitigen Verbot betroffen war.
Auch öffentlich gibt es offenbar wenig Berührungsängste. Als am 17. April 2023 in Bruchsal eine Veranstaltung der rechten Wählervereinigung “Aufbruch Bruchsal” zum Thema “Ukraine – Krieg oder Frieden” stattfand, saß Ahriman-Autor Peter Priskil zusammen mit Florian Pfaff (Sprecher der AG Frieden der Querdenken-Partei “Die Basis”) und Tobias Dammert (AfD) auf dem Podium.
Innerhalb des extrem rechten Netzwerks ist die Post-K-Gruppe zwar auffällig und verfügt über Kontakte. Sie ist aber durch ihre Sonderideologie und den eigenwilligen Stil eher ein Außenseiter und kein besonders wichtiger Knotenpunkt. Mit der politischen Linken hat die Gruppe dagegen bereits in den 1980er-Jahren nachhaltig gebrochen.
[zuerst erschienen in Kontext: Wochenzeitung Ausgabe 721 am 22. Januar 2025]