„Frieden“ als Metapher des nationalchauvinistischen Ressentiments?

Die blinden Flecken des Antimilitarismus angesichts des Kriegs in der Ukraine

von Holger Schatz und Jan Keetman

Spätestens mit den Wahlerfolgen von AFD und BSW bei den Landtagswahlen in Thüringen und Sachsen ist „Frieden“ eine Chiffre für einen neuen Nationalchauvinismus geworden. Dieser denunziert Waffen- und Finanzhilfen an die Ukraine wahlweise als Diebstahl am deutschen Volk oder dem Steuerzahler. Wie aber ist zu erklären, dass auch weite Teile der Linken Waffenlieferungen ablehnen, mit denen die völkerrechtswidrig angegriffene Ukraine sich zu verteidigen versucht?

Ein Land wird angegriffen von einem autoritären Staat, Zivilpersonen sterben, Dörfer und Städte werden dem Erdboden gleichgemacht und kein Mensch könnte ernsthaft behaupten, dieser Angriffskrieg diente auch nur ansatzweise der Entwicklung emanzipativer Prozesse im angegriffenen Land.

Vor diesem Hintergrund ist es erklärungsbedürftig, dass weite Teile der linksradikalen Bewegung hierzulande Waffenlieferungen kritisiert, die von der Regierung, aber auch großen Teilen der Bevölkerung und sozialen Bewegungen und Gewerkschaften in der Ukraine zur Verteidigung gefordert werden. Wir wollen im Folgenden die Kritik an den Waffenlieferungen auf Ihre Stringenz hin untersuchen und aufzeigen, welche unangenehmen Fragen sie ausblendet. Fragwürdige Fehlschlüsse sind dabei nicht nur auf Halb- bzw. Falschinformationen zurückzuführen, sondern auch auf stereotype Gemeinplätze scheinradikaler Kapitalismuskritik, die mit der konkreten Perspektive der Subjekte und den Möglichkeiten gesellschaftlicher Entwicklung in der Ukraine wenig zu tun haben.

Die verschwiegene Vorgeschichte: Die Abrüstung der Ukraine war historisch einmalig, bis sie das erste Mal überfallen wurde

In der Argumentation vieler linker Friedensbewegter trifft man immer wieder auf einige stereotype Behauptungen, von denen hier nur drei herausgegriffen werden können: Es gehe um „legitime Sicherheitsinteressen“ Russlands (Lawrow), die Ukraine sei zum „militärischen Vorposten“ der USA gemacht worden (Wagenknecht) und der Westen habe die Unterzeichnung eines Friedensabkommens kurz nach Beginn des Krieges verhindert.

Dass Nachbarländer Russlands „legitime Sicherheitsinteressen“ haben könnten, scheint vielen nicht im Traum in den Sinn zu kommen. Dabei ist Russland eine Atommacht mit einer der größten Armeen der Welt und niemand erhebt Gebietsansprüche gegen Russland. Die These, dass die Nato Russland bedroht, sollte sich nach unzähligen Debatten über Waffenlieferungen an die Ukraine und angesichts weiter bestehender Restriktionen eigentlich erübrigt haben. Hätten die USA vor zwei Jahren angekündigt der Ukraine 20 Patriotsysteme und 200 Kampfflugzeuge zu liefern, säße Putin entweder längst am Verhandlungstisch oder der Krieg sähe heute zumindest ganz anders aus.

Es sind die Nachbarländer, die sich bedroht fühlen müssen, weil sie nicht das militärische Potential Russlands haben und die Taten und Worte des russischen Präsidenten durchaus auf die Wiedererrichtung eines russischen Imperiums zielen. Z. B. hat Putin den Hitler-Stalin-Pakt vom August 1939 mehrfach gelobt, dessen Zusatzprotokoll die Aufteilung Polens, des Baltikums und eines Teils Rumäniens zwischen Hitler und Stalin regelte. Kein Wunder, dass die Nachbarn unter das Dach der Nato wollten, aber gerade die Ukraine ließ die Nato 2008 nicht rein.

Die Ukraine war als Teil der Sowjetunion tatsächlich ein hochgerüstetes Land, was Wagenknecht nicht zu erwähnen vergisst. Doch niemand erwähnt die tatsächlich beispiellose Abrüstung der Ex-Sowjetrepublik.

Nach dem Zerfall der Sowjetunion blieb die Ukraine mit 1852 Atomsprengköpfen als drittgrößte Nuklearmacht zurück. Zwar besaß die Ukraine nicht die Codes für den Einsatz der Waffen, doch ein großer Teil des für diese Waffen zuständigen Personals stammte aus der Ukraine und eine völlige Inbesitznahme wäre möglich gewesen. Die Ukraine gab die Waffen aber gegen eine Garantie ihrer Grenzen im Memorandum von Budapest 1994 ab. Die Garantiemächte des Abkommens waren Russland, Großbritannien und die USA. Danach rüstete die Ukraine weiter ab. 1998 verschrottete sie 15 strategische Bomber und über 500 Marschflugkörper. Putin erreicht in Verhandlungen 1999/2000, dass weitere strategische Bomber und 575 Marschflugkörper als Gegenleistung für Schulden aus dem Gasgeschäft und Russland gingen. Nach Verhandlungen 1994 wurde der Anteil Russlands an der Schwarzmeerflotte von 50 % auf 80 bis 85 % erhöht. Bei der Besetzung der Krim hat Russland nebenher einen guten Teil der verbleibenden ukrainischen Schiffe gestohlen.

2014 annektierte Russland die Krim und unterstützte militärisch die von ihr initiierte Sezessionsbewegung im Donbas. Trotz dem Minsk II Abkommen endeten die Kämpfe nie endgültig. Indessen verstärkte Russland seine Position durch den militärischen Ausbau auf der Krim und die Kertsch-Brücke. Angesichts dessen versuchte auch die Ukraine ihr Militär zu verstärken. Es gab Zusammenarbeit mit westlichen Geheimdiensten, das Parlament erlaubte bis zu 4000 ausländische Militärausbilder im Land und bekam auch westliche Waffen geliefert. Verglichen mit den Arsenalen Russlands waren diese Lieferungen aber nur Kleinigkeiten.

Ein wichtiges Argument ist immer wieder, die Behauptung, es habe im April 2022 in Istanbul ein fertiger Vertragstext für einen Frieden vorgelegen. Der britische Premier Boris Johnson habe aber bei einem Besuch in Kiew am 9. April 2022 die Ukraine von einer Unterschrift abgehalten. Johnson hat diese Version bestritten. Die New York Times hat den Entwurfstext veröffentlicht und das Scheitern mit einer Klausel in Artikel 5 erklärt, wonach Russland faktisch bei Hilfen im Falle eines neuerlichen Angriffs auf die Ukraine ein Vetorecht eingeräumt wurde.

Eine Einigung um den 15. April wäre auch einem diplomatischen Wunder gleichgekommen, denn eine Woche zuvor waren aus Moskau noch ganz andere Töne zu hören. Am 7. April erklärte Lawrow, dass der ukrainische Vertragsentwurf nicht akzeptable Elemente und pure Propaganda enthalte.1 Die Ukraine hätte also nach Entdeckung der Morde von Butscha am 2. April und in einer sich für sie rasch bessernden militärischen Lage noch erhebliche Zugeständnisse machen müssen.

Die Verhandlungen müssen vor dem Hintergrund des damaligen Geschehens gesehen werden. Die Ukraine hatte zwar den ersten Ansturm überstanden, aber Städte wurden bombardiert und belagert, aus dem Westen kam nur wenig Hilfe. Russlands Blitzkrieg war grandios gescheitert. Die Wirkung westlicher Sanktionen war noch nicht abzusehen. Eine Einigung hätte dem Kreml auch wieder Zugriff auf die im Westen eingefrorenen Währungsreserven von ca. 650 Mrd. Dollar verschafft. Zugleich wollte Putin aber offensichtlich nicht auf die Option einer Fortsetzung des Eroberungskrieges verzichten. Dass die Ukraine keinen Vertrag ohne wirksame Sicherheitsgarantien unterschreiben wollte, ist völlig nachvollziehbar. Wie Johnson die Ukraine zur Fortsetzung des Krieges hätte zwingen können, so er dies vorhatte, ist unklar.

Zwei Vorwürfe muss sich die Friedensbewegung gefallen lassen. Zum einen, dass die atomare Abrüstung der Ukraine überhaupt nicht gewürdigt wird. Der zweite ist, zu übersehen, dass hier eine Atommacht, den Umstand, dass sie Atomwaffen einsetzen könnte, gebraucht, um sich in einem konventionellen Krieg Vorteile zu verschaffen. Das könnte Schule machen und noch mehr Staaten dazu veranlassen, selbst nach atomarer Bewaffnung zu streben und sei es nur um nicht zur nächsten Ukraine zu werden.

No war but class war?

Es ist also offensichtlich, dass viele Friedensbewegte neben grundlegenden pazifistischen Argumenten teilweise fragwürdige Narrative zur Vorgeschichte des Kriegs bedienen.2

Demgegenüber versuchen einige linksradikale Kritiker:innen von Waffenlieferungen den Krieg in der Ukraine in ihr Weltbild von Klassenkampf, Antiimperialismus und Staatskritik zu integrieren. In Abgrenzung zum Begriff des Pazifismus wird dabei ein „Antimilitarismus“ propagiert, der nicht nur den Krieg, sondern darüber hinaus die bestehende Gesellschaft als eine gewaltförmige analysiert, so etwa die Jour Fixe Initiative Berlin: „Das aktuelle Kriegsregime bedeutet das Ende der falschen Erzählung einer gewaltlosen bürgerlichen Gesellschaft. Die Militarisierung des Lebens seit Beginn des Ukrainekrieges bringt die Gewaltförmigkeit der kapitalistischen Gesellschaften ins Offene.“3 In einem Interview führt Elfriede Müller von derselben Initiative aus, wie zudem die Militarisierung der Gesellschaft in Folge der Waffenlieferungen an die Ukraine „eine konservative, reaktionäre, staatstragende Politik“ ermögliche, weil sich in Zeiten des Krieges eben immer eine Homogenisierung und Formierung durchsetzen lasse und soziale Errungenschaften geschliffen werden.4

Aussagen aus dem Baukasten linker Staatskritik, die immer ein Punkt treffen. Doch welche Erkenntnis bieten sie angesichts einer Formierung durch rechte und linke Positionen, wonach Waffen- und Finanzhilfen an die Ukraine wahlweise einem Diebstahl am deutschen Volk oder der Vernachlässigung sozial Schwacher hierzulande gleichkämen? Spätestens mit den Wahlerfolgen von AFD und BSW bei den Landtagswahlen in Thüringen und Sachsen ist „Frieden“ eine Chiffre für diesen Nationalchauvinismus geworden.

Wenn aber bereits die indirekten Folgen der Kriegstreiberei all das Schlechte dieser Gesellschaft forciere, dann erfordere das massenhafte Sterben erst recht eine Äquidistanz zu allen Kriegsparteien, vornehmlich zum „Hauptfeind im eigenen Land“, wie diverse antimilitaristische Gruppen derzeit gerne ältere proletarische Traditionen bemühen und Karl Liebknecht zitieren: „Genug und übergenug der Metzelei! Nieder mit den Kriegshetzern diesseits und jenseits der Grenze!“ 5

Vielleicht ist es kein Zufall, dass hierbei an den ersten und nicht den zweiten Weltkrieg erinnert wird. Um jedenfalls gar nicht erst den Unterschied zwischen einem Angriffs- und einem Verteidigungskriegs diskutieren zu müssen, werden umfangreiche materialistische Analysen der Hintergründe des Kriegs sowie der Klassengesellschaften der beiden Kriegsparteien geliefert. Ausführlich zeichnet etwa Freerk Huisken den Ukraine-Krieg als ein Krieg zweier kapitalistischer Weltmächte nach. Nachdem die USA nach 1990 die Regeln einer friedensbasierten Weltordnung zum eigenen Vorteil diktiert habe, habe Russland nun – nachdem es sich zunehmend innerhalb dieser Staatenkonkurrenz in Hintertreffen gesehen habe – den gleichen Dominanzanspruch wie die USA eingefordert, nur eben nun militärisch. Die Empörung des Westens über diesen Schritt sei pure demnach Heuchelei: „Die Wiederherstellung der imperialistischen Friedensordnung durch Kriege wie den, den der Westen die Ukraine gegen Russland führen lässt, restauriert folglich immer nur Verhältnisse, an deren weiter bestehenden Kriegsträchtigkeit kein Zweifel bestehen kann. Krieg und Frieden sind eben nichts anderes als alternative Formen der Austragung der Staatenkonkurrenz.“6

Im Gegensatz zu manch anderen Nato-KritikerInnen geht Huisken nicht davon aus, dass der Westen in irgendeiner Weise Russland militärisch bedroht habe. Im Gegenteil, dem Westen sei es an der Aufrechterhaltung des Friedens gelegen, freilich eines Friedens, der angesichts diverser Rahmenbedingungen wie der Existenz des Dollars als Leitwährung, eben eher der USA ihre Vormachtstellung sichere. Unbestritten hat der Westen bzw. die USA seit 1990 die Rahmenbedingungen im globalen Weltmarktgemetzel zu eigenen Gunsten zu diktieren versucht. Bei Huiskens Ausführungen erscheint Russlands Invasion aber als zwangsläufige Folge dieser Konkurrenz, einen qualitativen Unterschied oder Bruch scheint es nicht zu geben.

Derartige Versuche, den Krieg in der Ukraine in grundlegende Theorien des globalen Kapitalismus einzupassen, neigen vielmehr dazu, die handelnden Subjekte zum Verschwinden zu bringen, so Renate Hürtgen in einem bedenkenswerten Artikel: „Mit der Einschätzung, dass die westliche Welt, namentlich die USA, das Geschehen dort vor und im Krieg bestimmt haben, und dass sich der Verteidigungskrieg der Ukrainer*innen bei näherer Betrachtung als Kampffeld des Westens gegen den Osten erweisen würde, verschwindet die Ukraine als eigenständiges „Subjekt“ von der Weltbühne. Ukrainische Regierung wie Bevölkerung sind nach dieser Lesart ein Spielball der Großmächte, bloße Agenturen des Westens.“7 Diese Perspektive wurde ja schon 2004, im Kontext der sogenannten orangenen Revolution oder 2014 des Euromaidan gerne mit Verweis auf westliche Interessen stark gemacht, als ob der Nachweis von westlichem Interesse ein ausreichendes Kriterium wäre, um die Menschen und die gesellschaftlichen Verhältnisse in der Ukraine beurteilen zu können.

Allenfalls tauchen Menschen immer dann auf, wenn sie Umfragen gemäss kriegsmüde geworden seien und als Beleg dafür dienen können, dass nur der Westen und seine Marionetten den Krieg überhaupt noch führen wollen. Auf die Idee, dass viele Menschen längst am Westen und der unzureichenden militärischen Unterstützung verzweifeln und allein deshalb territoriale Zugeständnisse im Gegenzug zum Kriegsende befürworten, kommen solcherlei Analysen jedoch nicht. Äußerst selektiv werden überdies jene wenigen legitimen Stimmen rezipiert, die von Anbeginn des Angriffskrieges zur legitimen Desertation aufrufen und generell das Regime in Kiew als neoliberal-kapitalistisch bezeichnen, von dubiosen prorussisch- „kommunistischen“ Kleinstgruppen ganz zu Schweigen.

Dass jedoch die vielen anderen Stimmen aus sozialen Bewegungen und Gewerkschaften ignoriert werden, die trotz ihrer Kritik an den grundlegenden sozialen Verhältnissen einschließlich der unter Kriegsrecht verschärften repressiven Gesetzgebungen in der Ukraine dennoch massive Waffenlieferungen vom Westen fordern, befremdet doch sehr.

Die Gewerkschaften, mit denen wir im Austausch stehen, hoffen nichts sehnlicher als ein Ende des Krieges und auf eine starke Unterstützung durch westliche Gewerkschaften gerade auch nach dem Krieg. Dann, wenn es in der Tat darum gehen wird, die Ansprüche des erwähnten Westkapitals auf reibungslose Geschäfte im neuen Markt Ukraine zurückzudrängen und soziale Rechte in der Ukraine auszubauen.8 Mit ihrer Forderung nach Waffenlieferungen geht es Ihnen keineswegs darum, dass Russland vollständig „besiegt“ werde, oder um keinen Preis territoriale Zugeständnisse gemacht werden sollen.

Waffen zu fordern, resultiert hier zum einen aus der nüchternen Einschätzung, dass nur eine relevante militärische Antwort auf das aggressive Moskauer Regime überhaupt halbwegs akzeptable Verhandlungen bzw. Verhandlungsergebnisse mit sich bringen können. Zum anderen herrscht hier die tiefe Überzeugung vor, dass die Bedingungen für eine weitere gesellschaftliche Emanzipation in der Ukraine bei einem Sieg Russlands unter den dann wahrscheinlich herrschenden „belarussischen“ Bedingungen auf Jahrzehnte verunmöglicht werden.

Das Herumlavieren um die offenen Fragen

Aus den hier skizzierten blinden Flecken der Kritik an Waffenlieferungen ergibt sich keineswegs, dass damit alle Zweifel vom Tisch zu wischen wären angesichts des massenhaften Sterbens von ZivilistInnen und SoldatInnen. Allein, die Analyse der teilweise recht schrägen und auf Falschinformation basierenden Argumentation vieler Kriegsgegner:innen legen den Schluss nahe, das ungeheuerliche Fragen um jeden Preis vermieden werden müssen, weil sie nicht ins jeweilige linke Weltbild passen: Was, wenn ein Regime wirklich Krieg führen will? Was wenn es das tut, weil es auf wenig oder unzureichende Gegenwehr zu treffen glaubt? Was wenn an der Abschreckungsdoktrin etwas Wahres dran ist, auch wenn sich dies im falschen Ganzen (globaler Kapitalismus) abspielt. Ein falsches Ganze, das allerdings leider Realität ist und zumindest mittelfristig nicht verschwinden wird.

Tatsächlich gibt es aber auch einzelne Stimmen, die anstelle ideologischer Rummogelei offen und mutig aussprechen, die Ukraine müsse nun kapitulieren damit endlich keine Menschen mehr sterben, egal wie hoch der Preis an gesellschaftlichem Rückschritt auch sein würde.

Dass der Preis hoch seinen wird, kann nur leugnen, wer wie Wagenknecht den Angriff auf die Ukraine ja ohnehin nur als Reaktion Putins auf den Westen deutet und nicht auch als eine „Eskalation reaktionärer Gewalt gegen jede progressive Veränderung im postsowjetischen Raum“. 9

Eine erstaunlich illusionslose und reflektierte Diskussion ist auf der Plattform Angryworkers direkt nach Beginn des Krieges erschienen. Hier wird unter anderem die Frage nach der Alternative von Waffenlieferungen gestellt, obgleich diese schließlich abgelehnt werden: „Ist es realistisch, den Arbeiter:innen in der Ukraine zu raten, den russischen Staat einfach seine Marionettenregierung durchsetzen zu lassen und dann zu eigenen Bedingungen für ihre Freiheit zu kämpfen? Kann man sich unter den Voraussetzungen eines imperialistischen Polizeistaats einfach neu organisieren.“10 Fragen von seltener Offenheit angesichts des naiven Schablonendenkens der hier vorgestellten Kriegskritik.

[Dieser Text ist zuerst am 17.September 2024 in der TAZ als Debattenbeitrag in stark gekürzter Form erschienen]

Zu den Autoren:

Holger Schatz arbeitet für eine internationale Gewerkschaft, die viele ukrainische Seeleute organisiert und mit ukrainischen und anderen post-sowjetischen Transportarbeitsgewerkschaften kooperiert.

Jan Keetman, freier Journalist

1 https://www.reuters.com/world/europe/russia-says-ukraine-presented-unacceptable-draft-peace-deal-2022-04-07/

2 Zwei aktuelle Bücher versuchen den Pazifismus gegen derlei Dummheiten zu verteidigen. So kritisiert etwa Pascal Beucker in „Pazifismus – ein Irrweg?“ die fehlende Distanzierung der Friedensbewegung vom Angriffskriegs Putin und nennt die Position, selbst defensive Luftabwehrsysteme der Ukraine zu verweigern, zynisch. Was aber ganz konkret im aktuellen Konflikt realistisch zu fordern wäre, bleibt ebenso unbestimmt wie bei Jan van Akens differenziertem Plädoyer für Friedensdiplomatie in „Worte statt Waffen“. Dabei fordert er eigentlich mehrfach – ohne es auszusprechen – auch Waffenlieferungen. Z.B., wenn er die „vertane Chance“ auf Friedensverhandlungen nach der Rückeroberung u.a. von Cherson im Herbst 2022 bedauert. Das „Momentum“ sei damals auf Seiten der Ukraine gewesen und aus dieser Position der Stärke wären Verhandlungen realistisch gewesen.

3 www.jourfixe.net/veranstaltungsreihe/gegengewalt

4 www.freie-radios.net/130155, ab Minute 53

5 www.marx21.de/ukraine-konflikt-russland-usa-nato-hauptfeind-steht-im-eigenen-lager/

6 Freerk Huisken (2023). Frieden. Eine Kritik. Hamburg, S. 147

7 www.sozonline.de/2022/12/welchen-charakter-traegt-der-krieg-russlands-gegen-die-ukraine/

8 https://rev.org.ua/to-foreign-politicians-justice-for-ukrainian-workers/

9 https://www.akweb.de/autor-in/dietmar-lange/

10 https://communaut.org/de/fragmente-zum-krieg

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