Die Grünen als rechtes Feindbild

von Lucius Teidelbaum

Am 14. Februar 2024 fand in Biberach ein wutbürgerlicher Protest gegen eine Aschermittwoch-Veranstaltung der Grünen mit Jürgen Trittin, Ricarda Lang und Cem Özdemir statt, der es in die Tagesschau schaffte. Etwa 300 bis 400 Personen demonstrierten im Windschatten der Agrar-Proteste. Darunter waren auch extreme Rechte z.B. Reichsbürger. Es blieb nicht friedlich. Es wurden zehn Brände gelegt, die Scheibe eines ministeriellen Begleitfahrzeugs eingeschlagen und mehrere Polizeibeamte verletzt. Von den den Demonstrierenden wurde u.a. „Lügenpresse“ skandiert und ein Bild-Journalist bedroht. Ein Plakat trug die Aufschrift „Wers Land verkauft und Bauern fängt ist wert dass er am Galgen hängt!“. In der Folge musste die Veranstaltung abgebrochen und wurde zum Tagesschau-Thema.

Der Hass gegen Grüne scheint sich zu einem der Hauptantriebsmittel der extremen und teilweise auch der konservativen Rechten und diverser Wutbürger*innen entwickelt zu haben. Dabei schwankt man zwischen Verhöhnung und Dämonisierung. Es geht dabei nicht um eine rationale oder eine nur ein wenig verschärfte Debatte, sondern um eine Eskalation auf sprachlicher Ebene, der die Eskalation auf der physischene Ebene gefolgt ist wie die Ereignisse in Biberach veranschaulicht haben. Social Media allgemein und die einschlägigen rechten Telegram-Kanälen im besonderen laufen über vor Hass und Hetze gegen die Grünen.

Wahlweise werden in Schrift und Bild Grüne gerne mit dem Faschismus / Nationalsozialismus oder mit Kommunismus / Sozialismus gleich gesetzt. Die Begriffe fungieren dabei als inhaltsleere Schmähbegriffe für das Schlimmstmögliche in der Vorstellung der jeweiligen Benutzer*innen.

Die Grünen als Antipode der AfD

Natürlich gab es schon länger die Tendenz von Konservativen, sich über die „Müsli-Esser“ und „Krötenretter“ lustig zu machen. So lästerte Franz Josef-Strauß beispielsweise im Jahr 1987: „Grüne Ideen gedeihen nicht in den Quartieren der Arbeiter. Sie gedeihen in den Luxusvillen der Schickeria“. Die Abneigung von konservativen und alternativen Milieus beruhte damals durchaus auf Gegenseitigkeit. Inzwischen bedient sich auf parlamentarischer Ebene besonders die extrem rechte Partei „Alternative für Deutschland“ (AfD) des Feindbilds Grün und hat es immer weiter ausgebaut. Im September 2019 initiierten sie unter dem Motto „Grüne stoppen – Umwelt schützen“ eine Kampagne gegen die Grünen.

Im Wahlkampf zur Bundestagswahl 2021 startete im August unter dem Hashtag #GrünerMist eine weitere Kampagne gegen die Partei Bündnis 90/Die Grünen. Verantwortlich zeichnete sich der ehemalige CSU-Politiker David Bendels mit seiner Agentur „Conservare Communications GmbH“. Angeblich gab es in mehr als 50 Städten an über 3.500 Standorten Plakate, die die Grünen mit Stichworten wie „Klimasozialismus“, „Ökoterror“, „Wohlstandsvernichtung“, „Industrievernichtung“ oder „Arbeitsplatzvernichtung“ in Verbindung bringen sollten. Die Kosten für die Kampagne wurden auf mindestens 500.000 EUR geschätzt. Woher das Geld stammt ist unklar.1 Bendels war bereits als Vorsitzender des „Vereins zur Erhaltung der Rechtsstaatlichkeit und bürgerlichen Freiheiten“, zeitweise in Stuttgart beheimatet, durch finanzstarke Kampagnen für die AfD aufgefallen.

Die Neonazi-Splitterpartei „Der III. Weg“ gab sich noch radikaler und sorgte 2021 für Schlagzeilen als sie „Hängt die Grünen“ in Sachsen und Bayern plakatierte. In der Folge kam es zu Prozessen gegen den mutmaßlich Verantwortlichen, zuletzt mit einer Verurteilung im März 2023 gegen einen Funktionär der Splitterpartei zu einer Geldstrafe in Höhe von 4.800 Euro.2

Inzwischen gibt es eine rechte strömungsübergreifende Einigung darauf, dass die Grünen der ideelle Hauptfeind sind. Die AfD ist dabei ein maßgeblicher Akteur. Das Risiko potenzielle Wähler*innen zu verschrecken ist gering, denn Untersuchungen über das Verhalten von Wähler*innen zeigen, dass zwischen AfD und den Grünen bei vielen Wahlen der geringste Austausch von Wähler*innen zwischen Volksparteien existiert. In seinem 2022 erschienenen Buch „Stadt, Land, Frust“ zeigt der Autor Lukas Haffert auf, dass die geografische Identität mit der Wahlpräferenz für Grüne oder AfD korreliert. Er konstatiert: „Grüne und AfD bildeten damit bereits 2017 die klaren Pole des politischen Stadt-Land-Gegensatzes.“ (Seite 48)

Besonders erfolgreich sind die Grünen laut Haffert in Metropolen, Uni- und Verwaltungsstädten. Damit fungieren die Grünen als urbaner Gegenpol bzw. als Partei der Zentren.

Die Grünen werden hier allgemein auch zu einer Projektionsfläche einer extrem rechten und konservativen Großstadt- bzw. Berlin-Feindlichkeit. Allerdings überzeugt Haffert mit der ausschließlichen Verortung der Grünen-Wahlerfolge in den Städten mit Blick auf Baden-Württemberg nur bedingt. Vergangene Landtagswahlen in Baden-Württemberg zeigte dass unter dem Einbezug weiterer Faktoren (z.B. eines konservativen Kandidaten wie Winfried Kretschmann) Grüne auch auf dem Land erfolgreich sein können.

Die Grüne Partei ist gewissermaßen ein dankbarer Gegner. Sie ist Teil der Ampelregierung, in Westdeutschland auch in der Fläche vertreten und gleichzeitig riskiert man durch rhetorische Angriffe auf sie nichts. Wählerwanderungen nach Wahlen zeigen regelmäßig, dass der Austausch zwischen AfD und Grünen eher gering ist. Somit hat die AfD bei der Beschimpfung der Grünen bzw. grüner Kern-Milieus nicht viel zu verlieren.

Ex-AfD-Parteivorsitzender Jörg Meuthen aus Kehl warnte in einem Interview mit der „Tagesstimme“ am 3. Juni 2019: „Als AfD sind wir die Antipode zu den Grünen, die unter dem Deckmantel der Ökologie eine quasitotalitäre Gesellschaft aufbauen wollen, in der sukzessive alle Freiheiten und Freuden der Menschen beschnitten werden. In einer solchen Welt möchten wir nicht leben. Diesen grünen Ökoideologen geht es ja auch gar nicht wirklich um Umwelt und Klima, sondern darum, den Menschen Angst zu machen und ihnen gleichzeitig die Schuld für die angebliche Klimamisere zuzuweisen.“

Von Meuthen stammt aus einer Parteitagsrede auch die Formulierung „linksgrün versifft“. Auffällig ist hier, dass politische Positionen der Grünen als Ideologie oder Irrsinn markiert werden während die eigenen Positionen als „normal“ oder „gesunder Menschenverstand“ verstanden und damit essentialisiert werden. Damit immunisiert man sich gegen Kritik, denn gegen den „gesunden Menschenverstand“ lässt sich nur schwer diskutieren.

Moralische Panik ante portas

Die Grünen werden politisch angefeindet, aber auch kulturell. Sie stehen stellvertretend für ein Milieu, was zwar nicht ökonomisch aber kulturell fortschrittlich eingestellt ist.

Sie werden deshalb auch gerne mit fortschrittlichen und feministischen Strömungen assoziiert. Zum Beispiel wird ihnen das Sprachgendern zugeordnet, dass sie zwar auch vertreten, aber neben vielen anderen. Hier spielt sich der Kulturkampf von rechts vor allem auf einer symbolischen Ebene ab. Zwar wird auch die „Sprachverhunzung“ kritisiert, aber sie ist aus rechter Perspektive eher ein Mosaikstein im Weltuntergangsgemälde. Es steht aus rechter Perspektive symptomatisch für einen allgemeinen Werte- und Sittenzerfall.

Tatsächlich steht zum Beispiel das Sprachgendern im Zusammenhang mit einem gesellschaftlichen Wertewandel, der Frauen und Nicht-Heterosexualitäten sichtbarer macht. Doch sind diese Veränderungen aus rechter und teilweise auch aus konservativer Sicht Teil von einem allgemeinen Untergang und Zerfall. Für diesen „Untergang des Abendlandes“ werden die Grünen als vermeintlich Verantwortliche oder Stellvertreter markiert und stellvertretend angefeindet. Sie werden aus rechter Perspektive zum Endgegner im Kulturkampf.

Insofern geht es aus rechter Sicht nicht so sehr um kleine Veränderungen in der Sprache, sondern die Ängste vor gesellschaftlichen Veränderungen, die als negativ bewertet werden. Die Gendersternchen sind nur die Symptom für etwas, was als Entwertung der traditionellen Werte verstanden wird. Letztendlich geht es damit auch um die Angst vor dem Verlust von Privilegien, die bisher als Selbstverständlichkeiten galten.

Die Verbreitung solcher Ängste wird auch als „moralische Panik“ bezeichnet. Akteure wie die AfD schüren diese Panik künstlich mit bewussten Lügen und Übertreibungen.

Die Grünen als Instrument einer Verschwörung

Gerade in den Kreisen der Post-Pandemie-Leugner*innen und Teilen der AfD sieht man die Grünen vor allem als Instrument geheimnisvoller Hintergrundmächte, die das Ziel haben Deutschland zu schaden. Ihnen wird dabei oft mangelnde Vaterlandsliebe und eine bewusste Zerstörung Deutschlands vorgeworfen. Die Grünen beteiligen sich an diesem Zerstörungswerk, weil sie angeblich zu wenig patriotisch seien. Hier schimmert auch das alte antikommunistische Bild des vaterlandslosen Gesellen durch. Den Grünen wird eine fehlende Loyalität gegenüber Deutschland unterstellt und das wird entsprechend negativ bewertet. In früheren Zeiten wurden ganz unterschiedlichen Gruppen unterstellt nicht loyal gegenüber ihrem Vaterland zu sein: KatholikInnen (Ultramontanismus), Arbeiter*innen (als Diener*innen Moskaus und des Weltproletariats), Sinti und Roma (Spionage-Vorwurf), sowie als „evergreen“ Juden und Jüdinnen.

Gleichzeitig wird den Grünen eine Art bewusster Vernichtungswillen unterstellt. D.h. die rechte Analyse der Wirtschaftspolitik von Robert Habeck geht nicht von Irrtümern aus, sondern von einer gezielten destruktiven Motivation, die wahlweise aus seinem fehlenden Patriotismus resultiert, aus seiner ideologischen Agenda oder weil er in Wahrheit geheimnisvollen Hintergrundmächten dient, die Deutschland gegenüber feindlich eingestellt sind. So oder so, in dieser Vorstellung will er der deutschen Wirtschaft und damit Deutschland bewusst schaden.

Das inzwischen aus Verbotsangst selbst aufgelöste neurechte „Institut für Staatspolitik“ (IfS) brachte 2019 die Studie „Die Grünen. Deutschfeinde auf der Regierungsbank“. Das IfS und seine Nachfolgestruktur ist der wichtigste Ideologie-Lieferant des Höcke-Flügels der AfD.

Auch die Bezeichnung „Antideutsche“ wurde in diesem Zusammenhang wiederbelebt. Ursprünglich war der Begriff die Selbstbezeichnung für eine Strömung innerhalb der radikalen Linken gewesen, die als Gegenspieler*innen und Kritiker*innen des traditionellen Antiimperialismus auftraten. Von Rechten wird die Bezeichnung inzwischen auf Personen und Gruppen angewandt, denen unterstellt wird Deutschland bewusst schaden zu wollen.

Für den ehemaligen Vorsitzenden des Inlandsgeheimdienst „Bundesverfassungsschutz“ Hans-Georg Maaßen scheint die Annahme einer ökosozialistischen Verschwörung offenbar Hauptmotiv bei der Gründung seiner Werteunion-Partei gewesen zu sein. Maaßen schrieb in einer Kolumne auf www.weltwoche.ch am 12. September 2022 zur Partei Bündnis 90/Die Grünen: „Wie werden die grünen Fanatiker mit Leuten umgehen, die – wie ich – nicht damit einverstanden sind, in Zukunft nur noch Fahrrad zu fahren und die zugeteilten Kilowattstunden nutzen zu können, sondern die selbst entscheiden wollen, wie sie leben? Werden sie zur Umerziehung in Deradikalisierungs-Lager kommen, oder reicht die blosse Ausgrenzung wie bisher aus? Der Fanatismus und die Rücksichtslosigkeit der Grünen machen mir Angst und erinnern an den Fanatismus der chinesischen Kulturrevolution und an die Roten Khmer.“

Wer dahinter stecken soll, wird oft nur angedeutet, manchmal aber auch ausgeschrieben. So schrieb etwa der Buchautor Michael Grandt in seinem Buch „Junge globale Führerin“, welches 2021 im Kopp-Verlag mit Sitz in Rottenburg erschienen ist, dass Annalena Baerbock: Wunschkandidatin des Globalisten Klaus Schwab sei.

Im Zusammenhang mit dem Ukraine-Krieg werden die Grünen besonders aus dem Milieu der Post-Corona-Proteste angefeindet. Statt aufgegebene antimilitaristische Standpunkte zu kritisieren, werden die Grünen als faschistisch und NS-Wiedergänger angegriffen. Die sprachliche und bildliche Analogisierung der Grünen mit dem Nationalsozialismus oder der Wehrmacht hat in diesen Kreisen Konjunktur.

Zum Teil werden damit auch Narrative aus der russischen Kriegspropaganda übernommen, die die ukrainische Regierung und teilweise die deutsche als faschistisch darstellt. Auch einige Menschen aus der Friedensbewegung schließen sich diesem Zerrbild an und erweist dem rational argumentierenden Flügel der Friedensbewegung damit einen Bärendienst.

Während die Grünen an der einen Stelle dafür angefeindet werden ihre ursprüngliche pazifistische Kern-Position geräumt zu haben, werden sie an anderer Stelle für ihre ökologischen Positionen angegriffen. In diesem Fall, weil sie angeblich der parlamentarische Arme der Klimagerechtigkeitsbewegung seien. Zumeist wird der menschengemachte Klimawandel gleichzeitig geleugnet. Da er nicht stattfindet, so die Logik, stecke etwas anderes hinter den Klimaschutz-Maßnahmen: Eine Verschwörung. Entweder geht es wieder um die bewusste Zerstörung der Industrie Deutschlands oder sie sind Teil einer weltweiten Verschwörung.

Die Vorwürfe von rechts stellen in diesem Fall eine Art Spiegelbild der Kritik der Klimagerechtigkeitsbewegung an den Grünen dar. Während die Rechten den Grünen vorwerfen, sie würden einen destruktive, unnötige oder überzogene Klimaschutz-Politik verfolgen, kritisieren Klimaschützer*innen das viel zu zaghafte Handeln der Grünen und ihre ständige Kompromiss-Bereitschaft gegenüber SPD und FDP.

Eskalierender Hass

In den Jahren 2022 und 2023 gab es laut Auskunft der Bundesregierung mit Abstand die meisten Angriffe auf Parteimitglieder und Repräsentant*innen der Grünen: 2022 waren es 575, 2023 sogar schon 1.219. Bei 2.790 Angriffen auf Parteimitglieder im Jahr 2023 insgesamt, richteten sich damit 46% gegen Repräsentant*innen der Grünen.3

Dass Vertreter*innen der Grünen angegriffen werden ist die fast schon logische Konsequenz von der rechten Hetze gegen Grüne. Diese werden nicht als politische Gegner*innen gesehen, sondern als der Feind des Volkes. Beständige Hetze gegen Grüne in den rechten bis extrem rechten Medien und auf „Social Media“-Kanälen führen zur gesteigerten Wahrscheinlichkeit von Angriffen, seien sie verbal oder körperlich. Analog zum Begriff „stochastischer Terrorismus“ könnte man von „stochastischer Gewalttätigkeit“ sprechen. Mit „stochastischer Terrorismus“ beschreibt die Autor*innen Mark S. Hamm und Ramón Spaaij „die Nutzung von Massenmedien, um willkürliche Akte ideologisch motivierter Gewalt zu provozieren, die statistisch vorhersehbar, aber individuell nicht vorhersehbar sind“.

Rechte oder konservative MeinungsführerInnen markieren die Grünen oder einzelne Grünen-Politiker*innen als Feind*innen und irgendjemand schreibt Drohungen oder greift an. Als Angriffspunkte wird dabei gerne auch auf Äußerlichkeiten, Gender oder Migrationsgeschichte gezielt. Besonders die Frauen und queeren Menschen bei den Grünen sind einem starken Sexismus bzw. einer starken Queerfeindlichkeit ausgesetzt. Frauen wie Ricarda Lang werden zusätzlich noch auf Grund ihres Äußeren beleidigt. Das gibt es zwar auch bei Männern, aber sehr viel seltener, da an Männer weniger Ansprüche in Bezug auf ihren Körper gestellt werden.

Fazit: bashing von rechts statt differenzierter Kritik

Die Grünen sind in den letzten Jahren zum ideellen Gesamtfeind der gesamten politischen Rechten von AfD bis WerteUnion geworden. Sie haben damit spätestens mit dem Regierungswechsel im Dezember 2021 wurde aus „Merkel muss weg“ ein „FCK GRN“.

In den letzten Jahren und verstärkt durch den Regierungswechsel auf Bundesebene haben sich die Grünen als enorm wirkmächtiges Feindbild der konservativen und extremen Rechten etabliert. Dabei geht es nicht so sehr um politische Konkurrenzen, inhaltliche Gegensätze oder Kritik an der Realpolitik der Grünen. Vielmehr fungieren die Grünen als eine Art idealer ‘Endgegner’ im Kulturkampf von rechts. Sie nehmen dabei eine Stellvertreter-Position ein. Stellvertretend in den Grünen werden gesellschaftliche Veränderungen angegriffen bzw. Veränderungsängste bekämpft. Was hier stattfindet ist ein klassisches bashing.

Etablierte Konservative beteiligen sich an diesem bashing. So nutzen etwa Unions-Politiker wie Friedrich Merz oder Markus Söder diese Ängste und schließen sich in Talkshow-Kommentaren oder Bierzelt-Reden dem Feindbild Grüne an, weil sie in ihrem Publikum eine breite Zustimmung vermuten oder sie selber teilen. Die Meister-Populistin Sahra Wagenknecht mit ihrer linkskonservativen Partei-Neugründung stimmt ebenfalls in diesen Chor mit ein.

So meinte sie 2022: „Für mich sind die Grünen die heuchlerischste, abgehobenste, verlogenste, inkompetenteste und gemessen an dem Schaden, den sie verursachen, derzeit auch die gefährlichste Partei, die wir aktuell im Bundestag haben.“4

In den Reden für ihr neu gegründetes „Bündnis Sahra Wagenknecht“ gehört die Markierung des Establishment als „hippe Großstadtbubble“, deren Leben sich zwischen Bioladen, Lastenfahrrad und Hafermilchtee abspiele, zum Standard. Das ist eher Kabarett-Polemik und bietet nur wenig Analyse.

Dabei wäre eine differenzierte Kritik von grünem Regierungshandeln durchaus vonnöten, denn keinesfalls dürfen Grüne über Kritik erhaben sein. Aber Kritik ist etwas anderes als Anfeindung und bashing, weil hier rational und differenziert argumentiert wird. Auch radikale Kritik an den Grünen ist legitim. Aus Teilen der Klimagerechtigkeitsbewegung oder von Geflüchteten-Unterstützungsorganisationen gibt es eine solche Kritik. Allerdings fehlt es ihr an Reichweite, vermutlich auch weil ihr die populistischen Verkürzungen fehlen.

1 Felix Huesmann: AfD-nahe Firma startet Schmutzkampagne gegen die Grünen, Redaktionsnetzwerk Deutschland, 11.08.2021, https://www.rnd.de/politik/afd-nahe-firma-startet-negativkampagne-gegen-die-gruenen-im-wahlkampf-2RNXQDIPIBAEZGWDDXMKOEB4KA.html

2 dpa/cp/LTO-Redaktion: “Hängt die Grünen!” Wahlplakate. “III. Weg”- Funktionär verurteilt, „Legal Tribune Online“, 24.03.2023, https://www.lto.de/recht/nachrichten/n/agzwickau-26Ds120Js2186521-haengt-die-gruenen-wahlplakate-volksverhetzung

3 Angriffe auf Parteirepräsentanten im Jahr 2023, 01.02.2024, https://www.bundestag.de/presse/hib/kurzmeldungen-988578

4 Sie füllen eine Lücke, „Die Zeit“, 26.01.2024, https://www.zeit.de/politik/deutschland/2024-01/buendnis-sahra-wagenknecht-politische-ausrichtung-aufruf