Technik als Religion

Elon Musk und die Sehnsüchte des kapitalistischen Subjekts

Von Nikolaus Gietinger

(zuerst erschienen bei Disposable Times)

Mit Steve Jobs Präsentation des iPhones im Jahre 2007 entstand eine neue Religion: die Religion des Silicon Valley. Sie konnte sich zusammen mit Nationalismus, Verschwörungsideologien und Esoterik in die Riege der modernen Religionen einreihen. In dieser Religion, die immer mehr Propheten und Missionare zu uns herabsendet, wird für ein höheres Ziel gearbeitet: Die Weltrettung. Die Prediger versprechen Innovationen, lockere Start-Up Atmosphäre und Spaß auf der Arbeit. Nicht zuletzt wird eine abstrakte Technik angebetet, die alle Probleme unserer Zeit lösen soll. Die Jünger der Elon-Musk-Sekte zeichnen sich vor allem durch Autoritäre Unterwürfigkeit und ekstatische Lobpreisung der Gaben des heiligen Elons aus. Resistent gegen jegliche Kritik und mit der inbrünstigen Überzeugung, dass die Dreifaltigkeit aus Vater Musk, seinem Sohn dem Elektroauto und dem heiligen Geist der »Technik« uns alle von unseren Umweltsünden befreien wird. Die Gruppenidentität wird dabei aufrechterhalten, indem man alle Kritiker als neidische und vor allem nichts-tuende Nörgler abtut.

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Wer vom Kapitalismus nicht reden will, sollte von Nachhaltigkeit schweigen

Vortrag und Diskussion mit Lothar Galow-Bergemann

Samstag, 25. März 2023, 15.00 Uhr Wien

Büro für Selbstorganisierung: Dornerplatz 4, 1170 Wien

Eine Veranstaltung im Rahmen der Power to the People Konferenz – Gegenkonferenz zur European Gas Conference

Immer weniger Menschen glauben an den Kapitalismus und immer mehr wissen, dass es „nicht so weitergehen“ kann. Aber der Ausstieg ist schwer. Solange unser Lebensunterhalt vom Verkauf unserer Arbeitskraft abhängt, sitzen wir in der Falle: Geht es nämlich nicht „so weiter“, ist unser Einkommen gefährdet, von dem wir leben. Wollen wir die Wirtschaftsweise überwinden, die uns in diese Sackgasse geführt hat, müssen wir verstehen, was Kapital-Ismus ist und aus gescheiterten Versuchen lernen.

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Linke Fesselspiele

Eine Auseinandersetzung mit Ingar Soltys Argumentation zum „Linken Bellizismus“

von Justus Cider

zuerst erschienen bei Disposable Times

Die Haltung zum Ukraine-Krieg prägt die linke politische Debatte nun seit mehr als einem Jahr. Die einen halten den Krieg für eine imperialistische Konfrontation zwischen Russland und der NATO, die anderen für den Angriffskrieg einer neoautoritären, chauvinistischen Diktatur. Und viele stehen irgendwo in der Mitte zwischen den beiden Positionen. Um Letztere ging es wohl, als Ingar Solty in der Jungen Welt einen vielbeachteten Text zum „linken Bellizismus“ veröffentlicht hat, der die Argumentation linker Befürwortung von Waffenlieferungen dekonstruieren will. 

Solty ist Referent für Friedens- und Sicherheitspolitik bei der Rosa-Luxemburg-Stiftung. Er ist seit vielen Jahren in den entsprechenden sozialen Bewegungen aktiv und kann wohl als einer derer gelten, von denen wir in dieser Frage eine fundierte Expertise erwarten dürfen. 

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Das Phänomen Palmer

Der Tragödie dritter Teil: Die Wiederwahl von Boris Palmer zum OB

von Lucius Teidelbaum, Tübingen

Am 23. Oktober 2022 wurde in Tübingen Boris Palmer zum dritten Mal und im ersten Wahlgang mit 52,4% der Stimmen erneut zum Tübinger Oberbürgermeister gewählt, diesmal als unabhängiger Kandidat. Bei einer Wahlbeteiligung von immerhin 62,6% – der Durchschnitt liegt bei derartigen Wahlen bei 44%.

Die reibungslose Wiederwahl Palmers lässt auch die lokale Linke ratlos zurück. Denn Palmer wurde trotz zahlreicher rassistischer, transfeindlicher und homophober Äußerungen in einer Stadt wieder gewählt, die gemeinhin als linksliberale Stadt gilt. Allerdings war der Wiedereinzug Palmers ins Rathaus für Kenner*innen der Tübinger Verhältnisse nur wenig überraschend. Gleichzeitig offenbarte sein Wahlsieg eine Schwäche der Linken, weil er veranschaulichte, dass auch in einer westdeutschen Universitätsstadt ein reaktionärer Politiker wie Palmer Mehrheiten erringen kann.

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Jenny Marx: Klatschen und Zischen

Die Theaterkritikerin Jenny Marx und die Leidenschaft der Proleten für die dramatische Kunst

von Lara Wenzel

zuerst erschienen in Neues Deutschland

„Was eine solche Frau, mit so scharfem und so kritischem Verstande, mit einem politisch so sicheren Takt, mit solch einer leidenschaftlichen Energie, solch großer Kraft der Hingabe, in der revolutionären Bewegung geleistet hat, das hat sich nicht an die Öffentlichkeit vorgedrängt, ist niemals in den Spalten der Presse erwähnt worden.“

Herzlichste Worte fand Friedrich Engels für die gerade verschiedene Jenny Marx, die am 2. Dezember 1881 einem Krebsleiden erlag. Die 1814 als Johanna Bertha Julie Jenny von Westphalen Geborene gab ihre gesellschaftliche Stellung auf, um sich mit dem vier Jahre jüngeren Karl Marx zu vermählen, mit dem sie seit Kindertagen bekannt war. 45 Jahre unterstützte sie hingebungsvoll ihren Mann, kümmerte sich um Kinder und Haushalt und übertrug seine unleserlichen Manuskripte. Später schreibt sie über die anregende Zeit als Kopistin: „Die Erinnerung an die Tage, an denen ich in Karls kleinem Stübchen saß, seine kritzligen Aufsätze kopierte, gehört zu den glücklichsten meines Lebens.“

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Hupen unterm Hakenkreuz

Clownerie war im Nationalsozialismus beliebt – und keineswegs unpolitisch

von Lara Wenzel

zuerst erschienen in Neues Deutschland vom 10.02.2023

Im Nationalsozialismus gab es viel zu lachen. Unterbrochen vom Fliegeralarm boten Akrobaten und Musiker auf Varieté- und Zirkusbühnen ihre Kunst dar und im Kino liefen die harmlosen Abenteuer von Micky Mouse, zu denen Walter Benjamin schon 1931 schrieb: »In diesen Filmen bereitet sich die Menschheit darauf vor, die Zivilisation zu überleben.« In der Unterhaltungskultur unter dem NS-Regime fehlte zwar das Obszöne und Kritisch-Aufreizende der Weimarer Republik, doch viele Tanzlokale und Kinos änderten ihr Programm nur wenig. Revuetheater wie der Wintergarten und die Scala in Berlin richteten sich weiterhin auf »heiter stimmende Breitenwirkung« ein, wie es der Kulturwissenschaftler Jost Hernand in seinem Buch »Kultur in finsteren Zeiten« (2010) beschreibt. Ihr »unpolitisches« Programm verfolgte die Strategie, großen Teilen der noch sozialdemokratisch und kommunistisch eingestellten Gesellschaft Zerstreuung zu bieten. »In diesem Sinne hatte Goebbels schon im März 1933 gesagt: ›Die tendenziöseste Kunst ist die, deren Schöpfer behaupten, sie habe keine‹«, zitiert Hernand.

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Hauptstadt der Liebe. Ein Beitrag zum Valentinstag

von Minh Schredle

(zuerst erschienen in Kontext: Wochenzeitung Ausgabe 619 am 8. Februar 2023)

Rechtzeitig zum Valentinstag hat die Diamantenfabrik berechnet, welche deutschen Städte besonders romantisch sind. Stuttgart belegt einen Spitzenplatz, müsste aber eigentlich noch weiter vorne liegen.

Es gibt nicht nur Industrieromantik, sondern auch eine Romantikindustrie. „Den Heiratsantrag machen Sie Ihrer Partnerin natürlich mit einem Diamant-Verlobungsring. Das ist einfach so“, informiert der Juwelenhändler Baunat und zeichnet in einem Blogbeitrag die Erfolgsgeschichte einer Marketingkampagne nach. Demnach beutelte der Börsencrash von 1929 auch die Schmuckproduzenten, weil sich angehende Bräute in diesen schwierigen Zeiten lieber mit Nützlichem als mit Luxus beschenken ließen. Das in London angesiedelte Unternehmen De Beers, heute für etwa ein Drittel der Weltproduktion von Rohdiamanten verantwortlich, konnte dabei nicht tatenlos zusehen und die beauftragte Agentur N.W. Ayer & Son hatte schließlich den rettenden Einfall: Nämlich sentimentale Gefühle geschickter für Werbezwecke zu instrumentalisieren.

„Eine emotionale Bedeutung für Diamanten“, schreibt Baunat, „war ein Wettbewerbsvorteil, den kein anderes Produkt in Anspruch nehmen oder herausfordern konnte.“ Bei den Ambitionen wäre daher Bescheidenheit deplatziert: Es galt, „eine Situation zu schaffen, in der sich fast jeder, der einen Antrag macht, gezwungen fühlt, diesen mit einem Diamant-Verlobungsring zu festigen.“ Weiterlesen

Extraschrille Alarmglocken

Gemessen am Ausmaß der Mietmisere erscheint es handzahm, den großen Immobilienkonzernen nur ihren Wohnungsbestand wegnehmen zu wollen.

von Minh Schredle

(zuerst erschienen in Jungle World 4/2023 vom 26. Januar 2023)

»So laut wie jetzt haben die Alarmglocken des Wohnungsmangels lange nicht mehr geschrillt«, sagte Lukas Siebenkotten, der Präsident des Deutschen Mieterbunds, kürzlich den Zeitungen der Funke-Mediengruppe und warnte vor einem »ungeahnten Desaster«. Der Begriff »ungeahnt« wirkt deplatziert – denn die weitere Zuspitzung der Misere am Wohnungsmarkt kündigt sich schon lange an.

Nach einer Auswertung des Statistischen Bundesamts, die sich noch auf Daten aus dem Jahr 2021 bezieht, war jede achte Person, die in einer deutschen Mietwohnung lebt, mit ihren Wohnkosten überlastet. Eine Überlastung liegt demzufolge vor, wenn 40 Prozent des verfügbaren Haushaltseinkommens für Miete und Nebenkosten, inklusive Strom, verbraucht werden müssen. Und diese Zahlen beziehen sich auf 2021 – im darauffolgenden Jahr sind die Energiepreise bekanntlich regelrecht explodiert.

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Voll auf die Presse

Durchsuchungen bei „Radio Dreyeckland“

von Minh Schredle

(zuerst erschienen in Kontext: Wochenzeitung Ausgabe 617 am 25. Januar 2023)

Ein halbes Jahr nach Veröffentlichung eines Textes hat die Berichterstattung ein Nachspiel: Gleich drei Hausdurchsuchungen gab es in Freiburg. Die Staatsanwaltschaft Karlsruhe hatte eine Verlinkung in einem Artikel von „Radio Dreyeckland“ als Werbung für eine verbotene Vereinigung interpretiert.

Zuerst habe er gedacht, da wären Einbrecher in seiner Wohnung, sagt der Journalist Fabian Kienert – und lässt wissen, dass es schönere Dinge gibt, als morgens um 6:45 Uhr von der Polizei geweckt zu werden. Die Staatsmacht ist in seine Wohnung eingedrungen, um zu klären, ob er der Autor eines Textes ist, der drei Hausdurchsuchungen am 17. Januar dieses Jahres rechtfertigen soll.

Verstehen lässt sich der Vorgang nur, wenn man die inzwischen fünf Jahre alte Vorgeschichte kennt. Denn auf vielen Umwegen handelt es sich um eine Spätfolge der Ausschreitungen beim G20-Gipfel 2017 in Hamburg.

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Entzogene Lebensgrundlagen

Über den Zusammenhang von Umweltzerstörung, strukturellem Elend und massenhaften Fluchtbewegungen

Vortrag und Diskussion mit Minh Schredle

Montag 30. Januar, 19.00 Uhr (Online)

bei krisis-Kritik der Warengesellschaft

Zoom-Meeting: https://us02web.zoom.us/j/87886449547?pwd=RGdSK0ZxSHphYnFTT21LY01wQTY4UT09
Meeting-ID: 878 8644 9547
Kenncode: 265918

Es ist das Zeitalter der großen Rekorde: Jahr für Jahr erreicht der weltweite Ressourcenverbrauch historische Höchststände, ebenso übertrumpfen sich bei der globalen Verschuldung immer neue Spitzenwerte, und nie waren seit der Gründung der Vereinten Nationen mehr Menschen auf der Flucht. Wo Erdregionen unbewohnbar werden, tendieren legitimationsideologische Erklärungsmodelle dazu, den Opfer dieser Entwicklungen die Verantwortung für ihr Leid anzudichten und sie ihrem Schicksal zu überlassen. In Leitmedien wie dem „Spiegel“ plädieren Autor:innen inzwischen in offenherzigem Zynismus dafür, die „klimarobusten“ Wohlstandszentren abzuschotten, denn ohne Triage werde es nicht gehen und darauf gelte es sich nun, ganz pragmatisch, vorzubereiten.

Wo Jahrzehnte lang Ignoranz gegenüber schrillenden Alarmsignalen vorherrschte, hat sich also herumgesprochen, dass seit geraumer Zeit lodernde Krisenherde nun komplett eskalieren – und da verschiedene Katastrophen mitunter als nicht mehr abwendbar empfunden werden, greift in Teilen der Gesellschaft eine Rette-sich-wer-kann-Mentalität um sich. Eine andere populäre Bewältigungsstrategie, die insbesondere im parteipolitischen Spektrum überwältigende Mehrheiten hinter sich vereint, ist die hoffnungslose Hoffnung auf „grünes Wachstum“, die sich sogar bei selektiver Blindheit gegenüber der vorliegenden empirischen Evidenz immer schlechter schönlügen lässt.

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Lenins Sozialismus

von Nikolaus Gietinger

zuerst erschienen bei Disposable Times

Lenin ist wieder en vogue. Theoretiker wie Andreas Malm graben den Anführer der russischen Revolution von 1917 wieder aus. In ihren Augen kann uns Lenin helfen, den Kapitalismus abzuschaffen und den Klimawandel zu bekämpfen. Es bleibt jedoch fraglich, ob Lenin uns heute noch etwas zu sagen hat. Im Gegenteil, mit seinem Arbeitsfetisch und seinem Lob der preußischen Disziplin stand Lenin fest auf dem Boden der kapitalistischen Produktionsweise und der Naturzerstörung.

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Entzogene Lebensgrundlagen

Der Zusammenhang von Umweltzerstörung, strukturellem Elend und massenhaften Fluchtbewegungen

Vortrag und Diskussion mit Minh Schredle

Donnerstag, 2. März 2023, 19.30 Uhr Stuttgart

Laboratorium, Wagenburgstr.147

Ein Rekord jagt den nächsten: Der Ressourcenverbrauch erreicht Jahr für Jahr historische Höchstwerte, ebenso überbieten sich bei der globalen Verschuldung permanent Spitzenwerte und nie waren seit der Gründung der Vereinten Nationen mehr Menschen auf der Flucht. Wo Erdregionen unbewohnbar werden, tendieren legitimationsideologische Erklärungsmodelle dazu, die Opfer dieser Entwicklungen für ihr Leid selbst verantwortlich zu machen und ihrem Schicksal zu überlassen.

Inzwischen hat sich allgemein herumgesprochen, dass diverse Krisenherde eskalieren und auch in den Wohlstandszentren der Welt machen sich die Konsequenzen immer deutlicher bemerkbar. Die politischen Diskurse dominiert allerdings noch die Tendenz, die ausufernde Umweltzerstörung und sich häufende Wirtschaftskrisen als von einander getrennte Problembereiche zu behandeln. In diesem Vortrag soll hingegen der Versuch unternommen werden, die gegenwärtig auftretenden ökologischen und ökonomischen Verwüstungen als Folge eines historischen Prozesses zu beleuchten, in dessen Verlauf der blinde Wachstumszwang endloser Kapitalakkumulation an die Schranken seiner Entwicklungsfähigkeit stößt und dabei immer mehr Menschen die Lebensgrundlagen entzieht.

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Auf Sand gebaut

Die globale Arbeitsökonomie und die WM in Katar

von Nikolaus Gietinger

Versão em português

zuerst erscheinen in Jungle World 46/2022 vom 17.November 2022

In den Golfstaaten arbeiten Millionen von Wanderarbeiter:innen, allerdings nicht im Hauptgeschäft mit Öl oder Gas. Sie schuften für die sinnlosen Prestigebauten der futuristischen Wüstenstädte.

Die Liste der Skandale bei der Ausrichtung der Fifa-Fußballweltmeisterschaft der Männer im islamischen Wüstenstaat Katar ist lang: Das Emirat ist bekannt für diverse Menschenrechtsverletzungen, der Bericht »Freedom in the World 2021« der US-amerikanischen NGO Freedom House bewertet das Land mit nur 25 von 100 Punkten als »nicht frei«. Homosexualität steht ­unter Strafe, das auf der Sharia beruhende Gesetzbuch in Katar sieht dafür sieben Jahre Haft vor. Homosexuellen Muslimen droht sogar die Todesstrafe, auch wenn sie hierfür noch nie vollstreckt wurde. Gütigerweise hat ­Katar aber angekündigt, dass Regenbogenflaggen während der WM erlaubt sein werden.

Neben den Korruptionsvorwürfen, die sich um die Vergabe der WM an Katar ranken, ist auch die Situation der Wanderarbeiter:innen, die dort am Bau der Infrastruktur für die WM beteiligt sind, ein vieldiskutiertes Thema. Eine Dokumentation über die menschen­unwürdigen Arbeits- und Unterbringungsbedingungen folgt auf die nächste und alle halbe Jahre muss bilanziert werden, dass sich daran trotz anderslautender Versprechungen nichts gebessert hat. Die UN und verschiedene NGOs fordern völlig zu Recht, dass die sklavereiähnlichen Zustände abgeschafft werden müssen. Was allerdings häufig auf der Strecke bleibt, ist eine Analyse der Gründe für das Gastarbeitersystem, welches nicht nur in Katar besteht, sondern in allen Staaten des Gulf Cooperation Council (GCC), dem Bahrain, Kuwait, Oman, Katar, Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate angehören.

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Construindo sobre areia

A economia global do trabalho e a Copa do Mundo no Catar

por Nikolaus Gietinger

Deutsche Version

Publicado pela primeira vez por krisis Kritik der Warengesellschaft

Milhões de migrantes trabalham nos Estados do Golfo, mas não no negócio principal de petróleo ou gás. Eles trabalham arduamente nos prédios de ostentação sem sentido das cidades futuristas do deserto.

A lista de escândalos em torno da realização da Copa do Mundo masculina da Fifa no país desértico e islâmico do Catar é longa: o emirado é conhecido por inúmeras violações de direitos humanos e relatório “Freedom in the World 2021”, da ONG norte-americana Freedom House, classifica o país como “não livre”. A homossexualidade é punida com sete anos de prisão segundo a lei do Catar, baseada na Sharia. Muçulmanos homossexuais enfrentam até a pena de morte, ainda que nunca tenha sido realizada para esse fim. O Catar anunciou amigavelmente que as bandeiras do arco-íris serão permitidas durante a Copa do Mundo.

Além das denúncias de corrupção em torno da escolha do Catar para a Copa do Mundo, a situação dos migrantes envolvidos na construção da infraestrutura para o torneio também é um tema muito discutido. A ONU e várias ONGs exigem, com razão, a abolição de condições análogas à escravidão. No entanto, o que muitas vezes fica no esquecimento é uma análise das razões do sistema de trabalho dos imigrantes, que existe não apenas no Catar, mas em todos os países do Conselho de Cooperação do Golfo (GCC), que inclui Bahrein, Kuwait, Omã, Catar, Arábia Saudita e os Emirados Árabes Unidos.

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Der „vereinzelte Einzelne“ auf der Straße

von Nikolaus Gietinger

zuerst erschienen bei Disoposable Times

Adam Smiths berühmte Metapher der „unsichtbaren Hand des Marktes“ ist zu einem geflügelten Wort geworden. Wenn alle Menschen ihr rationales und privates Interesse verfolgen würden, so die Implikation, trüge jeder zum allgemeinen Wohl bei. Eine Auffassung, die von Karl Marx kritisiert wurde. Er wies daraufhin, dass diese Beziehung auch von der anderen Seite betrachtet werden kann: Durch die einzelnen voneinander isolierten Handlungen und dem Verfolgen des eigenen Interesses hemmen sich alle gegenseitig, und dadurch auch die Ziele der Gesellschaft.

Ein schlagendes Beispiel dafür wäre der motorisierte Individualverkehr, also vor allem das Auto. Auf den Straßen verfolgt jeder, isoliert von den anderen Verkehrsteilnehmer:innen, sein individuelles Ziel, um von A nach B zu kommen. Aus der Sicht des Einzelnen völlig rational.

Das Resultat dieser isolierten Tatsache ist jedoch alles andere als rational. Jeder kennt das Gefühl im Stau auf der Autobahn, im Berufsverkehr zu stecken oder einen Parkplatz suchen zu müssen. So breite Straßen, so viele Parkplätze und doch reicht es nie aus, immer stört irgendwas den reibungslosen Ablauf. Verkehrswissenschaftler:innen zerbrechen sich die Köpfe: Es werden mehr Straßen gebaut, sie werden breiter, länger, besser. Doch es hilft nichts: Der Stau wird immer länger. Weiterlesen

Klima, Konferenzen und Knast: Und wer genau ist hier brutal?

Über verzweifelte junge Menschen und deren Verleumder auf der Autobahn Richtung Klimahölle

von Minh Schredle

(zuerst erschienen in Kontext: Wochenzeitung Ausgabe 608 am 23. November 2022)

Die Klimazerstörung geht weiter, haben die Vereinten Nationen beschlossen. Hierzulande werden verzweifelte Protestformen gegen den gewohnten Wahnsinn in Terror-Nähe gerückt und Aktivist:innen landen ohne Gerichtsurteil im Knast. „Entlarvend“ findet das der Regisseur Volker Lösch.

„Der größte Erfolg von Scharm al-Scheich war, dass es keine Rückschritte gab“, kommentiert der Journalist Bernhard Pötter das Resultat der UN-Klimakonferenz in Ägypten mit über 20.000 Beteiligten (darunter übrigens mehr Lobbyist:innen fossiler Konzerne als Abgesandte aus den zehn am stärksten vom Klimawandel betroffenen Ländern). Annalena Baerbock, nicht nur als grüne Außenministerin, sondern auch als deutsche Chefverhandlerin vor Ort, zeigte sich erleichtert, dass wenigstens das Festhalten am 1,5-Grad-Ziel „verteidigt“ werden konnte. Auch wenn es sich weiterhin nur um eine Absichtserklärung handelt.

Extreme Dürrephasen und sich häufende Waldbrände in Europa, Flutkatastrophen, die wie in Pakistan ein Drittel des Landes unter Wasser setzen, oder eine Viertelmillion Kinder, die im vergangenen Jahr wegen Ernteausfällen am Horn von Afrika verhungert sind – all diese durch den Klimawandel beförderten Katastrophen, die sich schon heute bemerkbar machen, scheinen noch nicht ausreichend Motivation zu liefern, auf globaler Ebene Nägel mit Köpfen zu machen. Das mediale Entsetzen über das Scheitern der Konferenz hielt sich dennoch in Grenzen. Sind das alle schon zu sehr gewöhnt?

Jedenfalls war die Aufregung größer, als vor Kurzem Glasscheiben beschmutzt wurden. Weiterlesen

Arbeit, Wachstumszwang und Autoritarismus

Zum inneren Zusammenhang der Multikrise und möglichen Auswegen

Vortrag und Diskussion mit Lothar Galow-Bergemann

Montag, 12. Dezember 2022, 19.30 Uhr, Rostock

Eine Veranstaltung von Antifa United Rostock

Café Median, Niklotstraße 5, 18057 Rostock

Die Erde erwärmt sich unaufhörlich, die Ozeane werden vermüllt. Hunger und Armut wachsen, selbst in den reicheren Weltregionen. Eine Zoonose und Pandemie folgt auf die nächste. Kriege und Kriegsgefahr werden immer bedrohlicher. Noch nie waren so viele Menschen auf der Flucht.

Es mangelt nicht an Konferenzen und Beschlüssen „zur Nachhaltigkeit“. Doch eine Wirtschaftsweise, der unendliches Wachstum, maximaler Profit und steigende Aktienkurse wichtiger sind als das Leben künftiger Generationen, schafft Probleme, die sie selbst nicht lösen, sondern nur weiter vertiefen kann.

Weltweit kämpfen viele Menschen gegen die Folgen an. Die Einsicht, dass Umweltkrise, soziales Elend, rassistische und sexistische Unterdrückung miteinander zusammenhängen, verbreitet sich. Immer weniger Menschen finden sich mit Diskriminierung ab, immer mehr fordern das Recht ein, ohne Angst verschieden sein zu können. Sie verlangen, „dass es nicht mehr so weitergeht“.

Aber viele bestehen auch explizit darauf, „dass es so weitergeht“. Je tiefer die Krise, desto mehr klammern sie sich an das, was keine Perspektive mehr hat. Anstatt darüber nachzudenken, was sie eigentlich denken, behaupten sie lieber, sie dürften „nicht mehr sagen, was sie denken“. Rassistische, sexistische, antisemitische und nationalistische Reaktionen verschärfen die Krise weiter. Verschwörungsphantasien verbreiten sich. Hass und Hetze gegen Klimaaktivist*innen und „Woke“ wirken bis in die „Mitte der Gesellschaft“. Ein neu-alter Autoritarismus wächst heran. In ihm gärt rohe Gewalt.

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Audio: Revolution für das Leben

Buchvorstellung und Diskussion mit Eva von Redecker

im Gespräch mit Nisha Toussaint-Teachout, Fridays for Future, Florian Zarnetta, Stellv. Landesvorsitzender der Jusos Baden-Württemberg und Franziska Sander, Emanzipation und Frieden

Online am 21. Juli 2022

Krieg, Klimakatastrophe – die Zukunft wirkt nicht gerade einladend. Trotzdem gibt es in den letzten Jahren neue und hoffnungsvolle soziale Kämpfe. Der Vortrag geht auf Klimakativismus, die Black Lives Matter Bewegung und den Feminismus (insbesondere in Lateinamerika) ein. Trotz ihrer unterschiedlichen Schwerpunkte eint diese Bewegungen der utopische Bezug auf die Kategorie “Leben”. Sie protestieren gegen eine bestimmte Form der Herrschaft, nämlich die “Sachherrschaft”, die Teile des Lebens zur Sache degradiert und der Zerstörung preisgibt. Damit eröffnen sie zumindest die Möglichkeit einer bewohnbaren Zukunft.

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Hilfloses Kleben, ratlose Staaten

Klimaschutz und Protest

Von Minh Schredle

(zuerst erschienen in Kontext: Wochenzeitung Ausgabe 606 am 09. November 2022)

Die 27. Klimakonferenz der Vereinten Nationen soll erreichen, was die 26 vorangegangenen nicht vermochten. Auch die jüngeren Protestaktionen der „Letzten Generation“ zeugen vor allem von zur Schau gestellter Hilfslosigkeit.

Nachdem ein Betonmischer in Berlin eine Radfahrerin überfahren hat, die in der Zwischenzeit ihren Verletzungen erlag, stand für den liberalen Bundestagsabgeordneten Alexander Graf Lambsdorff schnell fest, wer die Schuld an dem tragischen Unfall trägt: „Das erste Todesopfer des ‚Aufstands der Letzten Generation'“, twitterte der stellvertretende Vorsitzende der FDP-Fraktion – der sich bei seiner Urteilsfindung nicht gedulden wollte, bis belastbare Fakten vorliegen.

Am 2. November hatten sich zwei Aktivisten auf einer Schilderbrücke über der A100 festgeklebt. Die Polizei blockierte daraufhin zwei von drei Spuren unter der Brücke, um die Personen zu entfernen. Durch den dabei entstandenen Stau habe sich der Rettungseinsatz verzögert, sagte Feuerwehr-Sprecher Rolf Erbe der Deutschen Presse-Agentur. Nicht nur für Medien wie die „Bild“-Zeitung stand damit fest: „Das ist AUCH EURE SCHULD, ihr Klima-Kleber!“ Auch für einen Sprecher der Berliner Gewerkschaft der Polizei war „spätestens jetzt“ klar, dass man sich „vom Märchen des harmlosen Protests verabschieden“ solle. Und Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) betonte, „wenn Straftaten begangen werden und andere Menschen gefährdet werden, ist jede Grenze legitimen Protests überschritten“, das habe „mit einer demokratischen Auseinandersetzung überhaupt nichts zu tun“.

Zwei Tage später war in der „Süddeutschen Zeitung“ zu lesen, der Klimaprotest habe „keinen Einfluss auf Versorgung des Unfallopfers“ gehabt. Jedenfalls kommt die behandelnde Notärztin hier zu der Einschätzung, dass die Rettung der verunglückten Radfahrerin durch den Stau nicht beeinträchtigt worden sei.

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