Kritik des Neuen Materialismus

Vortrag und Diskussion mit Nick Gietinger

Dienstag 14. November, 18.00 Uhr, Frankfurt/Main
Random White House, AfE-Turm-Gedächtnis-Gasse

Eine Veranstaltung von Kritik am Campus im Rahmen der Vortragsreihe zur Einführung in ideologiekritische Themen im Wintersemester 2023/24 an der Universität Frankfurt.

Der Neue Materialismus ist seit einigen Jahren in aller Munde innerhalb des akademischen Betriebs. Oftmals wird ihm zugesprochen den „alten“ Materialismus ergänzen oder gar ersetzen zu können. Was die theoretischen Prämissen und Fallstricke einiger Theorien sind, die sich unter dem Neuen Materialismus verbergen, soll in der Veranstaltung aufgezeigt werden. Es geht um die Frage: „Inwiefern taugt der Neue Materialismus zur Gesellschaftskritik?“

Wir freuen uns auf eine interessante Diskussion. Vorwissen ist keines nötig.

Nick Gietinger hat zum Thema des Vortrags einen Text verfasst: Idealistischer Materialismus. Bruno Latour und die Prämissen einer unkritischen Theorie

Moishe Postone und die Weiterführung der Kritischen Theorie

Workshop von Nikolaus Gietinger

auf der Zweiten Marxistischen Arbeitswoche

Sonntag, 28.Mai 2023, 11.00 bis 12.30 Uhr, Frankfurt/Main

Im Schatten des Aktivismus der 70er Jahre entstand in Frankfurt eine theoretische Tradition, die Marx‘ Werttheorie in den Fokus rückte. Einer dieser Theoretiker war Moishe Postone. Seine Lesart von Marx fokussierte sich auf die »abstrakte Herrschaft« der Arbeit im Kapitalismus und kritisierte den orthodoxen Marxismus dafür, den zentralen Widerspruch des Kapitalismus vor allem zwischen den Klassen zu sehen. Mit seiner originellen Lesart von Marx kritisierte Postone sowohl den traditionellen Marxismus als auch poststrukturalistische Theorieansätze. Zentral war, und damit blieb er der Frankfurter Schule treu, das Festhalten am Widerspruch der kapitalistischen Totalität, welcher über den Klassenwiderspruch hinausgeht. Laut Postone führe der Fokus auf den Klassenkampf zu einer Affirmation der Arbeit. Sein emanzipatorischer Anspruch zielt jedoch auf die Abschaffung der Arbeit.

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Technik als Religion

Elon Musk und die Sehnsüchte des kapitalistischen Subjekts

Von Nikolaus Gietinger

(zuerst erschienen bei Disposable Times)

Mit Steve Jobs Präsentation des iPhones im Jahre 2007 entstand eine neue Religion: die Religion des Silicon Valley. Sie konnte sich zusammen mit Nationalismus, Verschwörungsideologien und Esoterik in die Riege der modernen Religionen einreihen. In dieser Religion, die immer mehr Propheten und Missionare zu uns herabsendet, wird für ein höheres Ziel gearbeitet: Die Weltrettung. Die Prediger versprechen Innovationen, lockere Start-Up Atmosphäre und Spaß auf der Arbeit. Nicht zuletzt wird eine abstrakte Technik angebetet, die alle Probleme unserer Zeit lösen soll. Die Jünger der Elon-Musk-Sekte zeichnen sich vor allem durch Autoritäre Unterwürfigkeit und ekstatische Lobpreisung der Gaben des heiligen Elons aus. Resistent gegen jegliche Kritik und mit der inbrünstigen Überzeugung, dass die Dreifaltigkeit aus Vater Musk, seinem Sohn dem Elektroauto und dem heiligen Geist der »Technik« uns alle von unseren Umweltsünden befreien wird. Die Gruppenidentität wird dabei aufrechterhalten, indem man alle Kritiker als neidische und vor allem nichts-tuende Nörgler abtut.

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Lenins Sozialismus

von Nikolaus Gietinger

zuerst erschienen bei Disposable Times

Lenin ist wieder en vogue. Theoretiker wie Andreas Malm graben den Anführer der russischen Revolution von 1917 wieder aus. In ihren Augen kann uns Lenin helfen, den Kapitalismus abzuschaffen und den Klimawandel zu bekämpfen. Es bleibt jedoch fraglich, ob Lenin uns heute noch etwas zu sagen hat. Im Gegenteil, mit seinem Arbeitsfetisch und seinem Lob der preußischen Disziplin stand Lenin fest auf dem Boden der kapitalistischen Produktionsweise und der Naturzerstörung.

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Auf Sand gebaut

Die globale Arbeitsökonomie und die WM in Katar

von Nikolaus Gietinger

Versão em português

zuerst erscheinen in Jungle World 46/2022 vom 17.November 2022

In den Golfstaaten arbeiten Millionen von Wanderarbeiter:innen, allerdings nicht im Hauptgeschäft mit Öl oder Gas. Sie schuften für die sinnlosen Prestigebauten der futuristischen Wüstenstädte.

Die Liste der Skandale bei der Ausrichtung der Fifa-Fußballweltmeisterschaft der Männer im islamischen Wüstenstaat Katar ist lang: Das Emirat ist bekannt für diverse Menschenrechtsverletzungen, der Bericht »Freedom in the World 2021« der US-amerikanischen NGO Freedom House bewertet das Land mit nur 25 von 100 Punkten als »nicht frei«. Homosexualität steht ­unter Strafe, das auf der Sharia beruhende Gesetzbuch in Katar sieht dafür sieben Jahre Haft vor. Homosexuellen Muslimen droht sogar die Todesstrafe, auch wenn sie hierfür noch nie vollstreckt wurde. Gütigerweise hat ­Katar aber angekündigt, dass Regenbogenflaggen während der WM erlaubt sein werden.

Neben den Korruptionsvorwürfen, die sich um die Vergabe der WM an Katar ranken, ist auch die Situation der Wanderarbeiter:innen, die dort am Bau der Infrastruktur für die WM beteiligt sind, ein vieldiskutiertes Thema. Eine Dokumentation über die menschen­unwürdigen Arbeits- und Unterbringungsbedingungen folgt auf die nächste und alle halbe Jahre muss bilanziert werden, dass sich daran trotz anderslautender Versprechungen nichts gebessert hat. Die UN und verschiedene NGOs fordern völlig zu Recht, dass die sklavereiähnlichen Zustände abgeschafft werden müssen. Was allerdings häufig auf der Strecke bleibt, ist eine Analyse der Gründe für das Gastarbeitersystem, welches nicht nur in Katar besteht, sondern in allen Staaten des Gulf Cooperation Council (GCC), dem Bahrain, Kuwait, Oman, Katar, Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate angehören.

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Construindo sobre areia

A economia global do trabalho e a Copa do Mundo no Catar

por Nikolaus Gietinger

Deutsche Version

Publicado pela primeira vez por krisis Kritik der Warengesellschaft

Milhões de migrantes trabalham nos Estados do Golfo, mas não no negócio principal de petróleo ou gás. Eles trabalham arduamente nos prédios de ostentação sem sentido das cidades futuristas do deserto.

A lista de escândalos em torno da realização da Copa do Mundo masculina da Fifa no país desértico e islâmico do Catar é longa: o emirado é conhecido por inúmeras violações de direitos humanos e relatório “Freedom in the World 2021”, da ONG norte-americana Freedom House, classifica o país como “não livre”. A homossexualidade é punida com sete anos de prisão segundo a lei do Catar, baseada na Sharia. Muçulmanos homossexuais enfrentam até a pena de morte, ainda que nunca tenha sido realizada para esse fim. O Catar anunciou amigavelmente que as bandeiras do arco-íris serão permitidas durante a Copa do Mundo.

Além das denúncias de corrupção em torno da escolha do Catar para a Copa do Mundo, a situação dos migrantes envolvidos na construção da infraestrutura para o torneio também é um tema muito discutido. A ONU e várias ONGs exigem, com razão, a abolição de condições análogas à escravidão. No entanto, o que muitas vezes fica no esquecimento é uma análise das razões do sistema de trabalho dos imigrantes, que existe não apenas no Catar, mas em todos os países do Conselho de Cooperação do Golfo (GCC), que inclui Bahrein, Kuwait, Omã, Catar, Arábia Saudita e os Emirados Árabes Unidos.

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Der „vereinzelte Einzelne“ auf der Straße

von Nikolaus Gietinger

zuerst erschienen bei Disoposable Times

Adam Smiths berühmte Metapher der „unsichtbaren Hand des Marktes“ ist zu einem geflügelten Wort geworden. Wenn alle Menschen ihr rationales und privates Interesse verfolgen würden, so die Implikation, trüge jeder zum allgemeinen Wohl bei. Eine Auffassung, die von Karl Marx kritisiert wurde. Er wies daraufhin, dass diese Beziehung auch von der anderen Seite betrachtet werden kann: Durch die einzelnen voneinander isolierten Handlungen und dem Verfolgen des eigenen Interesses hemmen sich alle gegenseitig, und dadurch auch die Ziele der Gesellschaft.

Ein schlagendes Beispiel dafür wäre der motorisierte Individualverkehr, also vor allem das Auto. Auf den Straßen verfolgt jeder, isoliert von den anderen Verkehrsteilnehmer:innen, sein individuelles Ziel, um von A nach B zu kommen. Aus der Sicht des Einzelnen völlig rational.

Das Resultat dieser isolierten Tatsache ist jedoch alles andere als rational. Jeder kennt das Gefühl im Stau auf der Autobahn, im Berufsverkehr zu stecken oder einen Parkplatz suchen zu müssen. So breite Straßen, so viele Parkplätze und doch reicht es nie aus, immer stört irgendwas den reibungslosen Ablauf. Verkehrswissenschaftler:innen zerbrechen sich die Köpfe: Es werden mehr Straßen gebaut, sie werden breiter, länger, besser. Doch es hilft nichts: Der Stau wird immer länger. Weiterlesen