Fallstricke der Emanzipation

Autoritäres und Regressives in der Linken gestern und heute

Vortrag und Diskussion mit Lothar Galow-Bergemann

Dienstag, 16. April 2024, 19.30 Uhr, Köln

Bottmühle, Severinswall 32, 50678 Köln

Eine Veranstaltung von Polaris Gruppe für materialistische Gesellschaftskritik, SJ – Die Falken KV Köln und StAVV Studierendenausschuss

Alle Verhältnisse umzuwerfen, in denen der Mensch ein erniedrigtes, ein geknechtetes, ein verlassenes, ein verächtliches Wesen ist. Besser lassen sich Anspruch und Programm menschlicher Emanzipation nicht auf den Punkt bringen. Wenn der Begriff Links Sinn hat, dann diesen. Oft sehen linke Theorie und Praxis jedoch ganz anders aus. Was längst überwunden sein sollte, lebt auch in vielen linken und linksradikalen Strukturen und Denkweisen fort: Die Herrschaft von Zwangsgemeinschaften und von Menschen über andere Menschen.

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Audio: Thesen zum Verhältnis von Religion und Moderne

von Lothar Galow-Bergemann

Modern sein kann auch, was vor der Moderne entstand – Religiöse Versprechen haben Vorteile vor den kapitalistischen – Religion steht für Unterwerfung und für Auflehnung – Religion könnte den Kapitalismus überleben – Gott und Wert sind keine Allesschlucker – Emanzipatorisches ist nicht integrierbar. (Die Textversion erschien im Krisis-Beitrag 2/2021 „Die Gretchenfrage neu gestellt. Über das Verhältnis von Kapitalismus, Religion und Religionskritik im 21. Jahrhundert“ )

Das Freie Radio 17grad Medien für den Rest hat den Text in der Sendung Religion und Moderne vertont, wofür wir uns ebenso herzlich bedanken wie für die Bereitstellung dieser Audiodatei.

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Benjamin Blümchen und der Kampf der Klassen

Eine Parodie mit Lara Wenzel & Matheus Hagedorny (Leipzig)

Mittwoch, 10. April 2024, 19.30 Uhr, Esslingen/Neckar

KOMMA Jugend und Kultur, Maille 5-9, 73728 Esslingen

Eine gemeinsame Veranstaltung von KOMMA Jugend und Kultur, DGB-Kreisverband Esslingen-Göppingen, Jusos Esslingen, Grüne Jugend Esslingen, Fridays for Future, Kreisjugendring Esslingen e.V. und Emanzipation und Frieden

Benjamin Blümchen ist ein sprechender Elefant im Neustädter Zoo. Immer wieder schlüpft er in neue Rollen und probiert Berufe aus. Doch seine Treue gilt dem Zoo, der sich mehr schlecht als recht über Wasser hält.
Als die Belegschaft mit Streik droht, weiß er weder ein noch aus. Unterstützt er den Arbeitskampf um Zoowärter Karl, Würstchenbräter:in Noa und Verwaltungsmitarbeiterin Anette? Oder hält er sich an Zoodirektor Herr Tierlieb, der ihm sonst seine Zuckerstückchenration kürzen will? Wird Benjamin aus dem Verblendungszusammenhang befreit werden? Das Publikum wird mitentscheiden, wie der Arbeitskampf politisch umgesetzt wird.

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Schikane als Balsam für die bürgerliche Seele

Arbeitsminister Hubertus Heil plant den Bürgergeld-Entzug für Arbeitsunwillige. Eine Spiegel-Kolumnistin führt unter Verweis auf die Studienlage aus, dass die Maßnahme nichts bringen wird  und bezeichnet sie dennoch als „notwendig“ – damit sich die Arbeitenden besser fühlen.

von Minh Schredle

[zuerst erschienen bei Disposable Times]

14 Jahre nach Inkrafttreten der Harz-IV-Reformen urteilte das Bundesverfassungsgericht im Januar 2019 über die Rechtmäßigkeit von Sanktionen zur Durchsetzung sogenannter Mitwirkungspflichten, die der deutsche Staat Erwerbslosen und Sozialhilfe-Empfänger:innen auferlegt. Gängig und sogar gesetzlich zwingend vorgeschrieben war es zu diesem Zeitpunkt, die staatlichen Leistungen, mit denen ein menschenwürdiges Existenzminimum gesichert werden sollte, schrittweise zu kürzen: Beim ersten Regelverstoß gegen die Mitwirkungspflichten – zum Beispiel durch die Ablehnung einer als zumutbar eingestuften Beschäftigung – um 30 Prozent, beim zweiten Mal um 60 Prozent und schließlich um 100 Prozent.

Das Bundesverfassungsgericht stellte damals klar, dass die Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums ein Grundrecht darstelle. „Die den Anspruch fundierende Menschenwürde steht allen zu und geht selbst durch vermeintlich ‚unwürdiges‘ Verhalten nicht verloren“, hieß es in der Urteilsbegründung, die die damalige Sanktionspraxis als teilweise verfassungswidrig einstufte: Die Kürzungen von 60 und 100 Prozent der Bezüge wurden für rechtswidrig erklärt.

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Sticker: Free Gaza from Hamas

Alle unsere Sticker sind unter der Creative Commons Attribution-NonCommercial 4.0 International Public License frei verfügbar, um sie z.B. selbst in den Druck zu geben. Siehe hier.

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Das Sklavenschiff und die Entstehung des Kapitalismus

Buchrezension von Nele Fuchs

(zuerst erschienen bei krisis am 21. November 2023)

In seinem Buch „Das Sklavenschiff“ beschreibt der Historiker Marcus Rediker die grausamen Zustände auf den Sklavenschiffen des 18. Jahrhunderts. Durch mitreißende Erzählungen lässt er die Leser∙innen am unvorstellbaren Leid der Verschleppten und Versklavten auf den Schiffen teilhaben. Rediker setzt eine Vielzahl von Biografien wie ein Mosaik zusammen und beschreibt damit jenes Instrument, ohne das die Sklaverei und die Entwicklung des globalen Kapitalismus nicht möglich gewesen wäre: das Sklavenschiff.

Im literarischen Stil wird Geschichte from below erzählt, inspiriert von E. P. Thompsons The Making of the English Working Class. Es geht um die gewaltsame Einhegung von Menschen in den Kapitalismus, die mit verzweifelten Akten des Widerstandes versuchten, dem zu entkommen. Hungerstreik, Selbstmord und Revolte gehörten auf den Sklavenschiffen genauso zum Alltag, wie der Terror des despotischen Kapitäns und die bestialische Gewalt der Besatzung gegen die Versklavten.

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Dein Bauch gehört mir

Zum patriar­chalen Kern des Autori­tarismus

Vortrag und Diskussion mit Larissa Schober

Donnerstag, 7. März 2024, 19.30 Uhr, Stuttgart

Laboratorium, Wagenburgstr.147

Es war ein politisches Erdbeben, als der Oberste Gerichtshof der USA am 24. Juni 2022 Roe vs. Wade aufhob. Das Grundsatz­urteil garantierte bis dato das Recht auf Abtreibung. Die Entscheidung war jedoch nur der vorläufige Höhepunkt einer langen Entwicklung und kam nicht überraschend. Genauso wenig ist es Zufall, dass die autoritären Bewegungen, die weltweit auf dem Vormarsch sind, als erstes die Rechte von Frauen und Queers attackieren. Es geht dabei nicht um religiöse Gefühle oder Identitätspolitik, sondern um den Beginn eines autoritären Umbau der Gesellschaft – denn Geschlechterverhältnisse und autoritärer Charakter sind eng verknüpft. Der Vortrag gibt einen Überblick über die aktuellen Entwicklungen sowohl in den USA als auch in Deutschland und zeigt auf, was Patriarchat und Autoritarismus miteinander zu tun haben.

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Audio: Konformistische Rebellen des kapitalistischen Patriarchats

Eine materialistische Kritik von Männern und Männlichkeit

Vortrag von Kim Posster

gehalten am 15. Juni 2023 in Stuttgart

Wenn heute von Männlichkeit die Rede ist, geht es meist um unterschiedliche Identitätsentwürfe oder kulturelle Vorstellungen. Von besonderem Interesse scheint dabei zu sein, welche Männlichkeit denn nun die „gute“ oder wenigstens „bessere“ wäre und was dafür Männer an ihrer eigenen Männlichkeit zu ändern hätten.

Dagegen soll es im Vortrag darum gehen, Männlichkeit grundsätzlich als patriarchale Subjektivität zu bestimmen. Als ein bestimmtes Verhältnis, das die Einzelnen im kapitalistischen Patriarchat zu sich selbst, anderen und der Welt einnehmen, welches schon immer auf Zwang, Herrschaft und geschlechtlicher Abspaltung beruht. Dabei soll gezeigt werden, wie Männlichkeit einerseits notwendig aus den abstrakten Vergesellschaftungsformen unter Staat und Kapital entsteht und gleichzeitig nicht zu haben ist, ohne den misogynen Souvernitätswahn der Einzelnen, die wir Männer nennen.

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Eritrea: Der lange Arm des Regimes und die Hölle, in die Geflüchtete abgeschoben werden sollen

Zu Hintergründen der Krawalle in Stuttgart

von Minh Schredle

(zuerst erschienen in Kontext: Wochenzeitung Ausgabe 656 am 25. Oktober 2023)

Die Flucht aus Eritrea ist noch nicht das Ende der Verfolgung. Der Machtapparat des Diktators hat seine Landsleute auch im Ausland im Blick. Aster Ghidey traut sich als eine der wenigen, ihre Kritik öffentlich zu äußern – und ist frustriert, dass Aufmerksamkeit erst nach Gewaltexzessen folgt.

Augenblicklich schlägt die Stimmung um, die Heiterkeit ist verflogen. Der Wirt möchte in nichts verwickelt werden und lächelt zwar noch. Aber plötzlich wirkt es nicht mehr wärmend. Leider kann er nichts über die Lage in Eritrea sagen, bringt er mit zusammengepressten Lippen hervor – und bittet, ihn nicht zu zitieren, keine Details über sein Lokal zu nennen oder sonstige Informationen öffentlich zu machen, über die er identifiziert werden könnte.

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Fallstricke der Emanzipation

Autoritäres und Regressives in der Linken gestern und heute

Vortrag und Diskussion mit Lothar Galow-Bergemann

Montag, 13. November 2023, 19 Uhr, Wien

[Neuer Ort:] Kunststankstelle Ottakring, Grundsteingasse 45, 1160 Wien

Eine Veranstaltung von encommun.at

Alle Verhältnisse umzuwerfen, in denen der Mensch ein erniedrigtes, ein geknechtetes, ein verlassenes, ein verächtliches Wesen ist. Besser lassen sich Anspruch und Programm menschlicher Emanzipation nicht auf den Punkt bringen. Wenn der Begriff Links Sinn hat, dann diesen. Oft sehen linke Theorie und Praxis jedoch ganz anders aus. Was längst überwunden sein sollte, lebt auch in vielen linken und linksradikalen Strukturen und Denkweisen fort: Die Herrschaft von Zwangsgemeinschaften und von Menschen über andere Menschen.

Das kann sich in Männlichkeitskult und sexistischem Verhalten äußern, in der Vorliebe fürs Agitieren statt fürs Argumentieren oder in der Vorstellung, antifaschistische Akteur*innen seien stets im Recht, was auch immer sie tun. Aber auch im Glauben, man sei zur „Führung der Arbeiterklasse“ berufen. Der Griff in die Mottenkiste staatssozialistischer Parteidiktaturen und Sympathie für autoritäre Führergestalten wie Lenin liegen da oft nahe. Der Glaube, „die Klasse und das Volk“ brauche eigentlich nur die richtigen Führer, korreliert zudem mit zwei ebenso absurden wie folgenreichen Fehleinschätzungen: Nationalsozialismus und Antisemitismus seien die Folge rechter Verführungskünste und bürgerlich-rechtsstaatliche Verhältnisse seien letztlich ebenfalls „faschistisch“.

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Alana, Anthroposophie und Anne Frank

Der Gründer des »dm«-Konzernes und Rudolf Steiners Antisemitismus

Von Thomas Tews

(zuerst erschienen am 15. Juli 2023 – 25 Tammuz 5783 bei haGalil.com)

Vor 50 Jahren gründete der bekennende Anthroposoph Götz W. Werner den Drogeriekonzern »dm«. An Rudolf Steiners krudem, teils antisemitischen Weltbild scheint er sich nicht gestört zu haben.

Am 28. August 1973 eröffnete Götz W. Werner (1944–2022) den ersten »dm«-Laden in Karlsruhe. Einige Jahre später präsentierte »dm« mit der Kindertextilmarke »Alana« seine erste Eigenmarke. Heute ist »dm« Deutschlands umsatzstärkster Drogeriekonzern, in dessen deutschlandweit über 2.000 Filialen täglich bis zu zwei Millionen Menschen einkaufen.

Firmengründer Werner war ein überzeugter Anhänger der von Rudolf Steiner (1861–1925) begründeten Anthroposophie. In seiner 2013 erschienenen Autobiografie beschrieb er die Bedeutung der Anthroposophie für sein Unternehmertum: »Ich entdeckte die Anthroposophie als eine Fundgrube für meine Tagesproblematik, aber auch für meine mittel- und langfristigen Überlegungen. … Die Anthroposophie wurde für mich als Unternehmer das, was dem Architekt die Statik ist.«

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Fallstricke der Emanzipation

Autoritäres und Regressives in der Linken gestern und heute

Vortrag und Diskussion mit Lothar Galow-Bergemann

Freitag, 28. Juli 2023, 15 Uhr, Mellnau (Hessen)

Eine Veranstaltung von krisis Kritik der Warengesellschaft

im Rahmen von Krise. Kritik. Kapitalismus. Wertkritisches Sommercamp der Gruppe Krisis von Mo. 24. – So. 30. Juli 2023

Alle Verhältnisse umzuwerfen, in denen der Mensch ein erniedrigtes, ein geknechtetes, ein verlassenes, ein verächtliches Wesen ist. Besser lassen sich Anspruch und Programm menschlicher Emanzipation nicht auf den Punkt bringen. Wenn der Begriff Links Sinn hat, dann diesen. Oft sehen linke Theorie und Praxis jedoch ganz anders aus. Was längst überwunden sein sollte, lebt auch in vielen linken und linksradikalen Strukturen und Denkweisen fort: Die Herrschaft von Zwangsgemeinschaften und von Menschen über andere Menschen.

Das kann sich in Männlichkeitskult und sexistischem Verhalten äußern, in der Vorliebe fürs Agitieren statt fürs Argumentieren oder in der Vorstellung, antifaschistische Akteur*innen seien stets im Recht, was auch immer sie tun. Aber auch im Glauben, man sei zur „Führung der Arbeiterklasse“ berufen. Der Griff in die Mottenkiste staatssozialistischer Parteidiktaturen und Sympathie für autoritäre Führergestalten wie Lenin liegen da oft nahe. Der Glaube, „die Klasse und das Volk“ brauche eigentlich nur die richtigen Führer, korreliert zudem mit zwei ebenso absurden wie folgenreichen Fehleinschätzungen: Nationalsozialismus und Antisemitismus seien die Folge rechter Verführungskünste und bürgerlich-rechtsstaatliche Verhältnisse seien letztlich ebenfalls „faschistisch“.

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CSD in Freiburg: Antifa als Publikumsmagnet?

Trotz eines Boykotts durch drei Schwulen- und Lesbenverbände wurde der CSD am vergangenen Wochenende zum größten, den es je in Freiburg gab

von Minh Schredle

(zuerst erschienen in Kontext: Wochenzeitung Ausgabe 639 am 28. Juni 2023)

Das vermummte Schwarzwaldmädel war zu viel: Nachdem sich der Freiburger CSD zur Antifa bekannte, boykottierten ihn drei Schwulen- und Lesbenverbände. Dennoch wurde der CSD am vergangenen Samstag der größte, den Freiburg je erlebt hat.

Screenshot @csdfreiburg

Die Reaktion kam spät, war aber heftig: Knapp zwei Monate nachdem das Logo für den diesjährigen Christopher-Street-Day (CSD) in Freiburg publik geworden war, zeigten sich der Lesben- und Schwulenverband Baden-Württemberg (LSVD BW) und die Interessengemeinschaft CSD Stuttgart „entsetzt“. Am 21. Juni begründeten beide Organisationen in einer gemeinsamen Pressemitteilung ihren Boykott der Demonstration. Denn beworben wurde die Veranstaltung unter anderem mit einem Schwarzwaldmädel, das neben einem regenbogenbunten Bollenhut auch eine Sturmmaske trägt. Daneben zu sehen: ein leicht abgewandeltes Logo der Antifaschistischen Aktion. „Wir können als familienorientierter Verband an keiner Veranstaltung teilnehmen, die offen für Linksradikalismus wirbt oder im direkten Zusammenhang mit gewaltbereiten Gruppierungen steht“, erklärte Kersin Rudat aus dem Vorstand des LSVD BW. Beide Zusammenschlüsse kritisierten, „dass solch eine Provokation auch krasse Gegenreaktionen erzeugen und rechtsextreme Gruppierungen erst recht locken könnte“. Und Detlef Raasch vom CSD Stuttgart betonte: „Wir lehnen jede Art von Radikalismus strikt ab.“ Bemerkenswert sind diese Aussagen vor dem Hintergrund der Historie des Christopher-Street-Days.

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Autobahn und Recht und Freiheit

Conrad Kunze hat eine Kulturgeschichte des deutschen Automobilismus verfasst

von Lara Wenzel

(zuerst erschienen in Neues Deutschland)

Auf der menschenleeren Autobahn dahinheizen, ohne Tempolimit, ohne Hindernis, das ist die libertäre Freiheitsfantasie, die viele Pkw-Fans verteidigen. Mit gedrosselter Geschwindigkeit durch die deutsche Landschaft fahren? Das wäre wie Sex mit Kondom. Da spürt man ja gar nichts. Eine Beschränkung der Geschwindigkeit auf 130 km/h könnte 1,9 Millionen Tonnen CO2 jährlich einsparen, errechnete das Bundesumweltamt, und Unfälle reduzieren. Doch das greift die individuelle Freiheit der fossilen Maskulinisten und ihre faschistisch geprägte Männlichkeit an, erläutert Conrad Kunze in seinem Buch »Deutschland als Autobahn. Eine Kulturgeschichte von Männlichkeit, Moderne und Nationalismus«.

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„Alles wird besser“ Wirklich?

Eine Auseinandersetzung mit liberalen Fortschrittserzählungen anhand des einflußreichen Buches „Factfullness“ von Hans Rosling

Von Julian Bierwirth

(zuerst erschienen bei Disposable Times unter dem Titel Faktencheck: Hans Rosling)

„Don’t worry about a thing,
Cause every little thing gonna be all right.
Singin‘: Don’t worry about a thing,
Cause every little thing gonna be all right!“
(Bob Marley)

Faktencheck mit Hans Rosling

Hans Roslings Factfulness ist ein Buch mit einer Botschaft: die Bedingungen in der kapitalistischen Spätmoderne werden besser und besser. Zwar haben viele Menschen noch abstruse Ideen über schier unüberwindbare gesellschaftliche Hierarchien im Kopf und glauben, globalen Trends gegenüberzustehen, die zielsicher dafür sorgen, dass die Dinge immer schlimmer werden. Tatsächlich spielen beide Vorstellungen ja durchaus eine große Rolle, nicht zuletzt aus der Perspektive von kapitalismuskritischen Krisentheoretiker*innen. Gefragt, ob die Dinge in der Welt a) immer besser, b) immer schlechter oder c) gleichbleibend gut oder schlecht seien, antworten sie zielsicher mit b) – immer schlechter.

Das, so versichert und Hans Rosling, sei aber ein Trugschluss. Sicher gebe es Dinge, die sich verschlechterten. Aber in the long run, im Großen und Ganzen, entwickele sich die Sache doch in die richtige Richtung. Mit einem Satz: dass Versprechen des Liberalismus wirkt! Weiterlesen

Wie ich die Ostermärsche ernst nehmen könnte

Kurze Kritik und Vorschlag für ein Plakat

von Lothar Galow-Bergemann

Weltweit wächst ein alt-neuer Autoritarismus. Die Putins, Trumps, Erdogans, Orbans, Le Pens, Höckes und Co stützen sich auf Massen von Menschen, die rassistisch, sexistisch, nationalistisch, antisemitisch, homophob und transphob – kurz inhuman – auf die Krise reagieren.

Die globale autoritäre Welle erwächst aus der globalen kapitalistischen Krise. Sie macht sich in allen Ländern und Kontinenten breit. Die platte Rede vom guten Westen und dem bösen Rest der Welt verbietet sich. Aber dass man keine Angst haben muss, von einer Geheimpolizei in Folterkeller verschleppt oder von der Regierung vergiftet zu werden, ist von riesengroßem Wert für demokratische und emanzipatorische Bewegungen. Ohne demokratische Rechte und Freiheiten keine sozial-ökologische Transformation, kein Ausstieg aus dem Kapital-ismus.

Autoritäre hassen diese Freiheiten. Frech bezeichnen sie ihre Gegner als Faschisten und sich selbst als Antifaschisten. Man kennt es von der AfD. Auch das Putinregime spielt auf diesem Klavier. Dabei nimmt es zunehmend selbst faschistoide Züge an. Weiterlesen

Kapitalismus, Arbeit und Antisemitismus

Vortrag und Diskussion mit Lothar Galow-Bergemann

Dienstag, 18. April 2023, 18.30 Uhr, Halle (Saale)

Hochschullernwerkstatt Erziehungswissenschaften der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, Haus 31, Franckeplatz 1, 06110 Halle (Saale)

Ein Vortrag im Rahmen der Veranstaltungsreihe „Cash Rules Everything Around Me“ der GEW-Hochschulgruppe an der MLU

Lebenslänglich arbeiten-müssen-um-Geld-zu-verdienen-damit-wir-leben-können ist das höchste Gesetz der bürgerlichen Gesellschaft. Wer das für „natürlich“ hält, kann sich nicht vorstellen, dass daraus gesellschaftliche Krisen erwachsen. Näherliegender erscheint das Wirken dunkler Mächte. Krise und Verschwörungsglaube sind Geschwister. Das Gefühl, „die Gierigen“ bedrohten „uns ehrlich Arbeitende“, entlädt sich schlimmstenfalls im antisemitischen Vernichtungswahn. Die Nazis setzten „die Gierigen“ mit „den Juden“ gleich. Doch auch wer das nicht tut, kann sich in einer gefährlichen Nähe zum Antisemitismus befinden, ohne sich darüber im Klaren zu sein.

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Technik als Religion

Elon Musk und die Sehnsüchte des kapitalistischen Subjekts

Von Nikolaus Gietinger

(zuerst erschienen bei Disposable Times)

Mit Steve Jobs Präsentation des iPhones im Jahre 2007 entstand eine neue Religion: die Religion des Silicon Valley. Sie konnte sich zusammen mit Nationalismus, Verschwörungsideologien und Esoterik in die Riege der modernen Religionen einreihen. In dieser Religion, die immer mehr Propheten und Missionare zu uns herabsendet, wird für ein höheres Ziel gearbeitet: Die Weltrettung. Die Prediger versprechen Innovationen, lockere Start-Up Atmosphäre und Spaß auf der Arbeit. Nicht zuletzt wird eine abstrakte Technik angebetet, die alle Probleme unserer Zeit lösen soll. Die Jünger der Elon-Musk-Sekte zeichnen sich vor allem durch Autoritäre Unterwürfigkeit und ekstatische Lobpreisung der Gaben des heiligen Elons aus. Resistent gegen jegliche Kritik und mit der inbrünstigen Überzeugung, dass die Dreifaltigkeit aus Vater Musk, seinem Sohn dem Elektroauto und dem heiligen Geist der »Technik« uns alle von unseren Umweltsünden befreien wird. Die Gruppenidentität wird dabei aufrechterhalten, indem man alle Kritiker als neidische und vor allem nichts-tuende Nörgler abtut.

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Hupen unterm Hakenkreuz

Clownerie war im Nationalsozialismus beliebt – und keineswegs unpolitisch

von Lara Wenzel

zuerst erschienen in Neues Deutschland vom 10.02.2023

Im Nationalsozialismus gab es viel zu lachen. Unterbrochen vom Fliegeralarm boten Akrobaten und Musiker auf Varieté- und Zirkusbühnen ihre Kunst dar und im Kino liefen die harmlosen Abenteuer von Micky Mouse, zu denen Walter Benjamin schon 1931 schrieb: »In diesen Filmen bereitet sich die Menschheit darauf vor, die Zivilisation zu überleben.« In der Unterhaltungskultur unter dem NS-Regime fehlte zwar das Obszöne und Kritisch-Aufreizende der Weimarer Republik, doch viele Tanzlokale und Kinos änderten ihr Programm nur wenig. Revuetheater wie der Wintergarten und die Scala in Berlin richteten sich weiterhin auf »heiter stimmende Breitenwirkung« ein, wie es der Kulturwissenschaftler Jost Hernand in seinem Buch »Kultur in finsteren Zeiten« (2010) beschreibt. Ihr »unpolitisches« Programm verfolgte die Strategie, großen Teilen der noch sozialdemokratisch und kommunistisch eingestellten Gesellschaft Zerstreuung zu bieten. »In diesem Sinne hatte Goebbels schon im März 1933 gesagt: ›Die tendenziöseste Kunst ist die, deren Schöpfer behaupten, sie habe keine‹«, zitiert Hernand.

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