Die Rationalisierung der Kopfarbeit schreitet voran

Der KI-Boom führt zu Arbeitsplatzverlusten bei Büroberufe

Für viele Freelancer:innen macht sich der KI-Boom bereits durch Auftragsflauten bemerkbar, auch Festangestellte sind gefährdet. Das betrifft vor allem Graphikdesigner, Programmierer, Manager, Journalisten und Synchronsprecher.

Von Minh Schredle

»AI first«: Unter diesem Motto kündigte Luis von Ahn, der Geschäftsführer des Anbieters der weltweit meistgenutzten Sprachlern-App Duolingo, Ende April eine strategische Neuausrichtung an. Immer mehr Aufgaben, die bislang Menschen erledigt haben, sollen im Unternehmen von nun an KI-Programme übernehmen, bis hin zur Erstellung von Lernmaterialien. Die Beschäftigten von Duolingo hätten keinen Anlass zur Sorge, schrieb er in einer E-Mail an die Belegschaft. Allerdings werde nun schrittweise damit aufgehört, solche Aufträge an externe Mit­arbeiter:innen zu vergeben, die auch von einer KI bewältigt werden können. Zudem würden neue Stellen nur noch dort geschaffen, wo keine weitergehende Automatisierung von Arbeit möglich sei. Bei der Einstellung von neuen Arbeitskräften spielten KI-Kenntnisse eine wichtige Rolle.

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Wer vom Kapitalismus nicht reden will, sollte von Nachhaltigkeit schweigen

Warum wir mit „unserer Wirtschaft“ nie eine nachhaltige Gesellschaft erreichen werden

Vortrag und Diskussion mit Lothar Galow-Bergemann

Mittwoch, 11. Juni 2025, 18.00 Uhr, Tübingen

Universität Tübingen, HS O7, Alte Archäologie, Wilhelmstr. 9

Eine Veranstaltung der Verfassten Studierendenschaft der Universität Tübingen

Immer noch mehr Autos, noch mehr Plastik im Meer, noch höhere Finanzgebirge, noch mehr CO2. Unsere Wirtschaft beruht auf dem Zwang zu ewigem Wachstum. Eine Megamaschine unterwirft Mensch und Natur ihrem Diktat. Die Klimakrise ist der sichtbarste Ausdruck.

Alle sind für Klimaschutz, aber die globale Erwärmung nimmt unaufhörlich zu. Alle sind für soziale Gerechtigkeit, aber Kinder- und Altersarmut wachsen. Alle wünschen sich mehr freie Zeit zum Leben, aber müssen immer mehr und länger arbeiten. Niemand will die Krise, aber keiner kriegt sie in den Griff. Wunsch und Wirklichkeit gehen so weit auseinander, weil das herrschende Wirtschaftssystem existentiellen Herausforderungen nicht gewachsen ist. Klima- und Coronakrise demonstrieren eindrücklich: Unendliches Wachstum ist ihm wichtiger als Mensch und Natur, maximaler Profit wichtiger als Gesundheit und Lebensqualität, steigende Aktienkurse wichtiger als das Leben künftiger Generationen.

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Proibição da AfD: já é um começo

por Lothar Galow-Bergemann

Muito obrigado ao Marcos Barreira pela tradução

publicado originalmente em alemão

A memória está desaparecendo novamente. Quando, no ano passado, foram divulgados os planos para a “remigração” de milhões de pessoas, centenas de milhares saíram às ruas contra a extrema direita. Mas foi apenas um breve interlúdio. Como se nada tivesse acontecido, a AfD continua crescendo rapidamente, tem uma grande bancada no Bundestag e alimenta esperanças justificáveis de entrar em breve nos governos estaduais. Não há sinais de que essa tendência possa ser interrompida ou mesmo revertida.

As manifestações foram em vão? Não. Elas deram um sinal de mudança em partes da sociedade. Mas, para poder intervir de forma eficaz na política, é preciso chegar a um consenso sobre uma exigência central, na qual se concentrar. Foi isso que faltou ao movimento da primavera de 2024. Dada a situação atual, essa exigência teria sido a proibição do AfD. Enquanto isso, o movimento perdeu força: no domingo passado, pessoas em todo o país saíram às ruas para exigir a proibição da AfD, mas a participação ficou muito aquém das expectativas dos organizadores: em Heidelberg, cerca de 450 pessoas; em Freiburg, 2.000 em vez das 5.000 esperadas; em Stuttgart, apenas cerca de 200.

A AfD não é de forma alguma a única responsável pela guinada à direita na política e na sociedade. Mas ela é sua ponta de lança. Sua crescente aceitação faz com que as barreiras ainda existentes na política e na sociedade continuem a ruir a cada dia. Em seu rastro, gangues nazistas se tornam mais numerosas, confiantes e agressivas. O número quase incontável de “casos isolados” de incidentes de extrema direita na polícia que vieram a público é apenas a ponta do iceberg. Só agora começa a ficar clara a dimensão do movimento extremista e seus planos de golpe. O misterioso desaparecimento de arsenais da polícia e das Forças Armadas também indica que planos concretos de golpe estão sendo elaborados. Podemos adivinhar a qual partido todos esses atores se sentem ligados. Eles precisam ser desarmados. Só o Estado pode fazer isso e é isso que se deve cobrar dele.

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AfD-Verbot: Es wäre ein Anfang

von Lothar Galow-Bergemann

versão em português

Die Erinnerung verblasst schon wieder. Als letztes Jahr die Pläne zur „Remigration“ von Millionen Menschen bekannt wurden, gingen Hunderttausende auf die Straßen gegen rechts. Doch es blieb nur ein kurzes Zwischenspiel. Als ob nichts geschehen wäre, legt die AfD seitdem weiter rasant zu, sitzt mit einer Riesenfraktion im Bundestag und macht sich berechtigte Hoffnungen auf den baldigen Einzug in Landesregierungen. Dass dieser Trend gestoppt, gar umgedreht werden könnte, ist nicht in Sicht.

Waren die Demos umsonst? Nein. Sie gaben ein Aufbruchssignal in Teile der Gesellschaft. Aber um wirksam in den politischen Betrieb intervenieren zu können, muss man sich auf eine zentrale Forderung verständigen, auf die man zuspitzt. Daran mangelte es der Bewegung vom Frühjahr 2024. Nach Lage der Dinge wäre das die Forderung nach dem Verbot der AfD gewesen. Inzwischen hat die Bewegung an Fahrt verloren: Vergangenen Sonntag gingen bundesweit Menschen für ein AfD-Verbot auf die Straße, doch die Beteiligung blieb teils deutlich hinter den Erwartungen der Veranstalter:innen: In Heidelberg etwa 450, in Freiburg 2.000 statt der erhofften 5.000, in Stuttgart nur etwa 200.

Die AfD steht bei Weitem nicht allein für den Rechtsruck in Politik und Gesellschaft. Aber sie ist seine Speerspitze. Ihre zunehmende Akzeptanz lässt die teilweise noch vorhandenen Brandmauern in Politik und Gesellschaft täglich weiter bröckeln. In ihrem Windschatten treten Nazibanden immer zahlreicher, selbstbewusster und aggressiver auf. Die kaum noch überschaubare Zahl bekannt gewordener „Einzelfälle“ von extrem rechten Vorfällen in der Polizei ist nur die Spitze des Eisbergs. Erst langsam tritt das Ausmaß der Reichsbürgerszene und ihrer Putschpläne zutage. Auch das mysteriöse Verschwinden von Waffenbeständen bei Polizei und Bundeswehr deutet darauf hin, dass sehr konkret an Umsturzplänen gearbeitet wird. Bitte dreimal raten, welcher Partei sich all diese Akteure verbunden fühlen. Sie müssen entwaffnet werden. Das kann nur der Staat und das ist von ihm zu verlangen.

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“Nie wieder!” heißt auch: Aus linken Fehlern lernen

Essentials eines erfolgreicheren Antifaschismus

Vortrag und Diskussion mit Lothar Galow-Bergemann

Samstag, 31. Mai 2025, 13.00 bis 15.00 Uhr, Gorleben

Beluga-Dreieck

Eine Veranstaltung im Rahmen des MSNT – Das solidarische Festival im Wendland während der Kulturellen Landpartie

Jahrzehntelang hat man sich in Deutschland damit gebrüstet, wie viel man aus der Geschichte gelernt habe. Doch wäre der Nationalsozialismus wirklich aufgearbeitet, gäbe es den Aufstieg der AfD nicht. Das offizielle „Nie wieder!“ vermag weniger denn je den braunen Dreck zu kaschieren, der über Generationen hinweg an Stamm- und Küchentischen weitergegeben wurde und heute wieder in großen Teilen der Gesellschaft kursiert. Menschenfeindliches, rassistisches und antisemitisches Denken und Handeln erfasst zunehmend auch die selbstgefällige „Mitte der Gesellschaft“, die sich „fern von allen Extremen“ wähnt. Nie seit 1945 war die autoritär-faschistische Gefahr so groß wie heute.

Doch auch in der Linken sind Nationalsozialismus und Antisemitismus oft immer noch nicht verstanden. Die Behauptung „das Volk wurde damals von den Nazis verführt“ traut den Menschen nicht zu, handelnde Subjekte zu sein. Das ist kompatibel mit der Überzeugung, man selbst sei zur „Führung der Arbeiterklasse“ berufen. Autoritarismus gibt es auch von Links. Besonders ausgeprägt erscheint er derzeit in dogmatischen „roten Gruppen“, die sich offen auf Führergestalten wie Lenin, Stalin und Mao berufen. Ganz so, als ob deren blutige Rezepte, die Millionen Menschenleben auf dem Gewissen haben, nicht längst desaströs gescheitert seien. Schon die „revolutionären“ Parolen der alten KPD blamierten sich 1933 auf dramatische Weise. Waren die K-Gruppen der 70er Jahre nur noch deren billiger Abklatsch, so sind ihre heutigen Wiedergänger nichts als der Abklatsch vom Abklatsch des Gescheiterten.

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Fallstricke der Emanzipation

Autoritäres und Regressives in der Linken gestern und heute

Vortrag und Diskussion mit Lothar Galow-Bergemann

Mittwoch, 14. Mai 2025, 18.00 Uhr, Jena

Carl Zeiss Straße 3, Seminarraum 317

Eine Veranstaltung der Linksjugend Jena

  • Der Vortrag ist mittlerweile HIER zu hören

Alle Verhältnisse umzuwerfen, in denen der Mensch ein erniedrigtes, ein geknechtetes, ein verlassenes, ein verächtliches Wesen ist. Besser lassen sich Anspruch und Programm menschlicher Emanzipation nicht auf den Punkt bringen. Wenn der Begriff Links Sinn hat, dann diesen. Oft sehen linke Theorie und Praxis jedoch ganz anders aus. Was längst überwunden sein sollte, lebt auch in vielen linken und linksradikalen Strukturen und Denkweisen fort: Die Herrschaft von Zwangsgemeinschaften und von Menschen über andere Menschen.

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Wer vom Kapitalismus nicht reden will, sollte von Nachhaltigkeit schweigen

Warum wir mit „unserer Wirtschaft“ nie eine nachhaltige Gesellschaft erreichen werden

Vortrag und Diskussion mit Lothar Galow-Bergemann

DIE VERANSTALTUNG FÄLLT LEIDER AUS

Dienstag, 13. Mai 2025, 19.00 Uhr, Osnabrück

Universität Osnabrück, Gebäude15, Raum 128, Seminarstraße 20

Eine Veranstaltung des AStA Universität Osnabrück

Immer noch mehr Autos, noch mehr Plastik im Meer, noch höhere Finanzgebirge, noch mehr CO2. Unsere Wirtschaft beruht auf dem Zwang zu ewigem Wachstum. Eine Megamaschine unterwirft Mensch und Natur ihrem Diktat. Die Klimakrise ist der sichtbarste Ausdruck.

Alle sind für Klimaschutz, aber die globale Erwärmung nimmt unaufhörlich zu. Alle sind für soziale Gerechtigkeit, aber Kinder- und Altersarmut wachsen. Alle wünschen sich mehr freie Zeit zum Leben, aber müssen immer mehr und länger arbeiten. Niemand will die Krise, aber keiner kriegt sie in den Griff. Wunsch und Wirklichkeit gehen so weit auseinander, weil das herrschende Wirtschaftssystem existentiellen Herausforderungen nicht gewachsen ist. Klima- und Coronakrise demonstrieren eindrücklich: Unendliches Wachstum ist ihm wichtiger als Mensch und Natur, maximaler Profit wichtiger als Gesundheit und Lebensqualität, steigende Aktienkurse wichtiger als das Leben künftiger Generationen.

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Die Rückschrittskoalition

Der Koalitionsvertrag von SPD und Union

von Minh Schredle

In ihrem Koalitionsvertrag kündigen Union und SPD die Demontage des Bürgergelds und des Rechts auf Asyl an. Mit weiteren Kürzungen im Sozialbereich ist zu rechnen.

Angela Merkel (CDU) warb in ihrem letzten Wahlkampf für „ein Deutschland, in dem wir gut und gerne leben“. Im Vergleich dazu scheint ihr Parteikollege Friedrich Merz eher bemüht zu sein, die Erwartungen herunterzuschrauben. „Wir wollen ein Land sein, das es einfach wieder besser macht“ – so fasste der wohl baldige Bundeskanzler vergangene Woche die Absichten hinter dem Entwurf eines Koalitionsvertrags zwischen CDU, SPD und CSU zusammen.

Das wichtigste Ziel der neuen Koalitionäre sei es, „Deutschland in neuer Geschwindigkeit zu neuer Stärke führen“, heißt es im Koalitionsvertrag. Die Rhetorik des Papiers fällt insgesamt durch einen aggressiven Unterton auf: Neben diversen „Qualitätsoffensiven“ kündigen die mutmaßlichen Koalitionäre unter anderem eine „KI-Offensive“, „Sicherheitsoffensive“, „Investitionsoffensive“, eine „Offensive für Luft- und Raumfahrt“, „Fachkräfteoffensive“, „Anerkennungsoffensive“, „Rückführungsoffensive“, eine „Traineroffensive“ („Der Trainerberuf muss attraktiver werden“) sowie eine „Steuerentlastungs- und Entbürokratisierungsoffensive“ an.

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“Nie wieder!” heißt auch: Aus linken Fehlern lernen

Essentials eines erfolgreicheren Antifaschismus

Vortrag und Diskussion mit Lothar Galow-Bergemann

Dienstag, 6. Mai 2025, 18.00 Uhr, Hannover

UJZ Kornstraße, Kornstraße 28 – 30

Eine Veranstaltung von mata Hannover

Jahrzehntelang hat man sich in Deutschland damit gebrüstet, wie viel man aus der Geschichte gelernt habe. Doch wäre der Nationalsozialismus wirklich aufgearbeitet, gäbe es den Aufstieg der AfD nicht. Das offizielle „Nie wieder!“ vermag weniger denn je den braunen Dreck zu kaschieren, der über Generationen hinweg an Stamm- und Küchentischen weitergegeben wurde und heute wieder in großen Teilen der Gesellschaft kursiert. Menschenfeindliches, rassistisches und antisemitisches Denken und Handeln erfasst zunehmend auch die selbstgefällige „Mitte der Gesellschaft“, die sich „fern von allen Extremen“ wähnt. Nie seit 1945 war die autoritär-faschistische Gefahr so groß wie heute.

Doch auch in der Linken sind Nationalsozialismus und Antisemitismus oft immer noch nicht verstanden. Die Behauptung „das Volk wurde damals von den Nazis verführt“ traut den Menschen nicht zu, handelnde Subjekte zu sein. Das ist kompatibel mit der Überzeugung, man selbst sei zur „Führung der Arbeiterklasse“ berufen. Autoritarismus gibt es auch von Links. Besonders ausgeprägt erscheint er derzeit in dogmatischen „roten Gruppen“, die sich offen auf Führergestalten wie Lenin, Stalin und Mao berufen. Ganz so, als ob deren blutige Rezepte, die Millionen Menschenleben auf dem Gewissen haben, nicht längst desaströs gescheitert seien. Schon die „revolutionären“ Parolen der alten KPD blamierten sich 1933 auf dramatische Weise. Waren die K-Gruppen der 70er Jahre nur noch deren billiger Abklatsch, so sind ihre heutigen Wiedergänger nichts als der Abklatsch vom Abklatsch des Gescheiterten.

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Audio: Radikale Arbeitszeitverkürzung – Für ein besseres Leben. Gegen Rechts.

Vortrag von Lothar Galow-Bergemann

gehalten am 3. April 2025 in Erfurt

Wir sollen „mehr Bock“ haben auf „Arbeit, Leistung, Wachstum und Wettbewerb“, um „unseren Wohlstand zu sichern“. Doch was für ein „Wohlstand“ soll das sein? Schuften ohne Ende? Für noch mehr Autos? Noch mehr Plastik im Meer? Noch mehr CO2? Noch höhere Finanzgebirge? Ständiger Stress, kaum Zeit für’s Leben? Sich dann auch noch anhören müssen, wir würden „zu viel krankmachen“? Und am Ende Minirente mit 75? Wer hat darauf schon Bock?

„Wirtschaftswachstum“ ist der moderne Gott, dem wir alle dienen müssen. Wir arbeiten für eine Megamaschine, die unendlich Geld anhäuft und Mensch und Natur ihrem Diktat unterwirft. Die Klimakrise ist ihr ebenso geschuldet wie die wachsende Kluft zwischen Reich und Arm, Vernachlässigung von Gesundheit, Bildung und Sozialem, unbezahlbare Wohnungen und Renten.

Computer und Roboter könnten uns viel Arbeit abnehmen. Aber wir sollen immer mehr arbeiten, weil die Megamaschine Konkurrenz statt Kooperation von uns verlangt. Niemand vertritt dieses Prinzip brutaler als Autoritäre und Faschisten. Die Rechtsentwicklung fällt nicht vom Himmel, sie erwächst aus der Ellenbogenlogik „unserer Wirtschaft“.

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“Nie wieder!” heißt auch: Aus linken Fehlern lernen

Essentials eines erfolgreicheren Antifaschismus

Vortrag und Diskussion mit Lothar Galow-Bergemann

Mittwoch, 7. Mai 2025, 18.15 Uhr, Göttingen

Universität, Platz-der-Göttinger-Sieben, Zentrales Hörsaalgebäude (ZHG 007)

Eine Veranstaltung des AStA Uni Göttingen

Jahrzehntelang hat man sich in Deutschland damit gebrüstet, wie viel man aus der Geschichte gelernt habe. Doch wäre der Nationalsozialismus wirklich aufgearbeitet, gäbe es den Aufstieg der AfD nicht. Das offizielle „Nie wieder!“ vermag weniger denn je den braunen Dreck zu kaschieren, der über Generationen hinweg an Stamm- und Küchentischen weitergegeben wurde und heute wieder in großen Teilen der Gesellschaft kursiert. Menschenfeindliches, rassistisches und antisemitisches Denken und Handeln erfasst zunehmend auch die selbstgefällige „Mitte der Gesellschaft“, die sich „fern von allen Extremen“ wähnt. Nie seit 1945 war die autoritär-faschistische Gefahr so groß wie heute.

Doch auch in der Linken sind Nationalsozialismus und Antisemitismus oft immer noch nicht verstanden. Die Behauptung „das Volk wurde damals von den Nazis verführt“ traut den Menschen nicht zu, handelnde Subjekte zu sein. Das ist kompatibel mit der Überzeugung, man selbst sei zur „Führung der Arbeiterklasse“ berufen. Autoritarismus gibt es auch von Links. Besonders ausgeprägt erscheint er derzeit in dogmatischen „roten Gruppen“, die sich offen auf Führergestalten wie Lenin, Stalin und Mao berufen. Ganz so, als ob deren blutige Rezepte, die Millionen Menschenleben auf dem Gewissen haben, nicht längst desaströs gescheitert seien. Schon die „revolutionären“ Parolen der alten KPD blamierten sich 1933 auf dramatische Weise. Waren die K-Gruppen der 70er Jahre nur noch deren billiger Abklatsch, so sind ihre heutigen Wiedergänger nichts als der Abklatsch vom Abklatsch des Gescheiterten.

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Der Dank für die Ernte

Ausländische Saisonarbeiter werden in Deutschland oft um ihren Lohn betrogen

von Minh Schredle

Eine Viertelmillion Saisonarbeiter:innen arbeiten jedes Jahr auf ­deutschen Äckern. Das Arbeitsrecht wird dabei systematisch umgangen. Der jüngste Bericht der Initiative Faire Landarbeit legt einen Schwerpunkt auf die Wucherpreise, die viele Saison­arbeiter:innen für Unterkunft und Verpflegung zahlen müssen.

Der Münchner Bezirk Altstadt-Lehel gilt als eine der exklusivsten Wohngegenden der Republik. Wer hier zur Miete lebt, muss laut Immobilenscout 24 durchschnittlich 24,13 Euro pro Quadratmeter zahlen. Es gibt aber durchaus Möglichkeiten, in Deutschland noch teurer unterzukommen – zum Beispiel in einem Container neben Spargelackern und Erdbeerfeldern. „Wuchermieten für Unterkünfte sind in der Landwirtschaft zur Normalität geworden“, bilanziert die Initiative Faire Landarbeit (IFL) in ihrem jüngst veröffentlichten Jahresbericht für 2024. Demnach arbeiten pro Jahr circa eine Viertelmillion Menschen aus dem Ausland auf deutschen Feldern – und viele von ihnen zahlen dabei Mietpreise von 30 bis 60 Euro pro Quadratmeter.

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„Mehr Bock auf Arbeit“? Nein danke.

Für ein besseres Leben. Gegen Rechts.

Vortrag und Diskussion mit Lothar Galow-Bergemann

Dienstag, 22. April 2025, 18.15 Uhr, Halle (Saale)

MLU Halle | Lernwerkstatt Erziehungswissenschaften | Haus 31 | Raum 020
Franckeplatz 1

Eine Veranstaltung der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft Sachsen-Anhalt

Wir sollen „mehr Bock“ haben auf „Arbeit, Leistung, Wachstum und Wettbewerb“, um „unseren Wohlstand zu sichern“. Doch was für ein „Wohlstand“ soll das sein? Schuften ohne Ende? Für noch mehr Autos? Noch mehr Plastik im Meer? Noch mehr CO2? Noch höhere Finanzgebirge? Ständiger Stress, kaum Zeit für’s Leben? Sich dann auch noch anhören müssen, wir würden „zu viel krankmachen“? Und am Ende Minirente mit 75? Wer hat darauf schon Bock?

„Wirtschaftswachstum“ ist der moderne Gott, dem wir alle dienen müssen. Wir arbeiten für eine Megamaschine, die unendlich Geld anhäuft und Mensch und Natur ihrem Diktat unterwirft. Die Klimakrise ist ihr ebenso geschuldet wie die wachsende Kluft zwischen Reich und Arm, Vernachlässigung von Gesundheit, Bildung und Sozialem, unbezahlbare Wohnungen und Renten.

Computer und Roboter könnten uns viel Arbeit abnehmen. Aber wir sollen immer mehr arbeiten, weil die Megamaschine Konkurrenz statt Kooperation von uns verlangt. Niemand vertritt dieses Prinzip brutaler als Autoritäre und Faschisten. Die Rechtsentwicklung fällt nicht vom Himmel, sie erwächst aus der Ellenbogenlogik „unserer Wirtschaft“.

Kampf gegen Rechts kann erfolgreich sein, wenn er sich mit dem Wunsch von immer mehr Menschen nach wesentlich mehr Zeit für ein erfülltes und sinnvolles Leben verbündet. Kämpfe um radikale Arbeitszeitverkürzung und gesellschaftliche Selbstorganisation sind der Schlüssel für humanes und naturverträgliches Wirtschaften. Gewerkschaften können eine zentrale Rolle dabei spielen, wenn sie ihr großes Potential als Massenorganisationen der Fachkräfte für den stofflichen Umbau erkennen und mobilisieren.

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40.000 leben weiter

Chris Grodotzki, „Kein Land in Sicht“

von Minh Schredle

Vor zehn Jahren startete Sea-Watch Rettungsmissionen für Geflüchtete im Mittelmeer. Der Fotograf und Journalist Chris Grodotzki begleitete das Projekt von Anbeginn zu Land und zu See. Zum Jubiläum veröffentlicht er ein Buch, das bislang unbekannte Einblicke bietet. 

Etwas Außergewöhnliches muss passiert sein, wenn sich die Springer-Presse für Menschlichkeit begeistert. „Das war nicht peinlich, sondern stark“, bilanzierte die „Welt“, nachdem eine Sendung der ARD-Talkshow „Günter Jauch“ eine überraschende Wende genommen hatte: Im April 2015 – gerade waren bei einem Unglück im Mittelmeer mindestens 844 Menschen ertrunken – fragt Moderator Jauch: „Das Flüchtlingsdrama: Was ist unsere Pflicht?“ Eingangs verläuft die Diskussion erwartbar. Der Ex-Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) will Schleusern entschlossen das Handwerk legen; Roger Köppel, Chefredakteur der rechtspopulistischen Schweizer „Weltwoche“, verortet die Schuld für die Todesfälle bei „politischen Eliten“, die illegale Migration nicht unterbänden. Den Kontrapunkt verkörpert Heribert Prantl. Er prangert um diese Zeit in seinen Kolumnen für die „Süddeutsche Zeitung“ an, Europa schütze sich „vor Flüchtlingen mit toten Flüchtlingen“. Das Urteil des Juristen: „Diese Union tötet; sie tötet durch Unterlassung, durch unterlassene Hilfeleistung.“

Die Gäste auf dem Podium beharken sich also mit bekannten Standpunkten, „Jauch ließ die Streithähne weitgehend machen, so geht Debatte in Deutschland“, rezensiert der „Spiegel“. Aus den gewohnten Bahnen gerät der TV-Abend erst, als zum Ende der Sendung hin Spezialgast Harald Höppner eingeführt wird: als Mann, der ein Schiff – die Sea-Watch – gekauft hat und losfahren will, um Menschen in Seenot zu retten. Jauch fragt süffisant, ob das uralte Fischerboot denn überhaupt seetauglich sei. Doch der Gast geht darauf nicht ein, fordert stattdessen eine Schweigeminute und setzt sie gegen Widerworte des Moderators durch: „Deutschland sollte eine Minute Zeit haben, um dieser Menschen zu gedenken. Jetzt. Bitte.“ Das macht so viel Eindruck, dass sogar Köppel die Klappe hält.

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Radikale Arbeitszeitverkürzung als Zukunftsprojekt

Workshop mit Lothar Galow-Bergemann

Montag, 7. April 2025, Lohr

IG Metall Bildungszentrum

im Rahmen des Seminars Arbeitszeitverkürzung: Die 4-Tage-Woche im Betrieb

Immer noch mehr Autos, noch mehr Plastik im Meer, noch höhere Finanzgebirge, noch mehr CO2. Wir arbeiten für eine Megamaschine, die Mensch und Natur ihrem Diktat unterwirft. Die Klimakrise ist der sichtbarste Ausdruck. Doch auch die Kluft zwischen Reich und Arm wächst, Gesundheit, Bildung und Soziales werden vernachlässigt, Wohnen und Rentensystem werden unbezahlbar.

Gleichzeitig leiden immer mehr Menschen unter dem Arbeitsdruck und wollen raus aus der Mühle. Da klingt es wie ein Hohn, wenn Politik und Arbeitgeber noch „mehr Bock auf Arbeit“ verlangen. Arbeiten ohne Ende, womöglich noch mit 75? Viele haben andere Vorstellungen von einem erfüllten Leben. Und warum sollen wir eigentlich immer länger arbeiten, obwohl die Computer und Roboter immer besser werden?

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CDU und AfD: Kulturkampf verbindet

von Minh Schredle

„Correctiv“, die Amadeu Antonio Stiftung und die Omas gegen rechts: Beim Kulturkampf gegen links haben CDU und AfD gemeinsame Feindbilder. Auf europäischer Ebene gab es bereits eine Zusammenarbeit von rechts und ganz rechts, um Klimaschutz-Initiativen zu schwächen. 

Es war im Februar 2018: Nach der Bundestagswahl knapp fünf Monate zuvor hatte sich noch keine neue Regierung gebildet, die AfD war erstmals ins Parlament eingezogen und ihre Fraktion formulierte eine Kleine Anfrage zum Bundesprogramm „Demokratie leben!“. Dieses wurde 2014 unter Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) ins Leben gerufen, war beim sozialdemokratisch geführten Familienministerium angesiedelt und erklärte als Ziel, sich für eine wehrhafte Demokratie und gegen Extremismus einzusetzen. Doch wohin Geld fließt, war von Anfang an umstritten. So bemängelte FAZ-Autor Markus Wehner nach den Ausschreitungen rund um den G20-Gipfel im Juli 2017, dass die Regierung zu wenig nach links schaue. Der Bundesrechnungshof kritisierte in einem Prüfbericht, dass die Förderziele im Programm nicht hinreichend konkret bestimmt seien. Auch die AfD störte sich an „Demokratie leben!“ – wenn auch mit anderem Zungenschlag und geradezu obsessiv. 

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Audio: „Dass der deutsche Arbeitswahn bröckelt ist eine tolle Sache“

Interview mit Lothar Galow-Bergemann

mit Radio Dreyeckland am 25. Februar 2025

Politik und Unternehmerverbände verlangen „mehr Bock auf Arbeit“. Aber immer mehr Menschen haben keinen Bock mehr. Sie zweifeln am Sinn ihrer Arbeit und stellen sich unter einem erfüllten Leben etwas anderes vor als jahrzehntelanges Schuften für eine Minirente mit 75. Die Kluft zwischen den Zwängen der Kapitalverwertung und den Wünschen vieler Menschen birgt die Chance auf erfolgreiche Kämpfe für ein besseres Leben.

Das Interview entstand mit Blick auf die Veranstaltung „Genug geschuftet. Radikale Arbeistzeitverkürzung als Baustein für ein besseres Leben“ am 27. Februar 2025

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Industrie und Sozialpartnerschaft: Zeitenwende für Gewerkschaften

von Minh Schredle (Interview)

Die erfolgreichsten Wachstumskritiker unserer Zeit heißen Friedrich Merz und Christian Lindner – sagt der Soziologe Klaus Dörre. Ein Gespräch über die sabotierte Antriebswende, Arbeitnehmerrechte unter Beschuss und Spanferkel, für die keine Zeit mehr bleibt.

Herr Dörre, im wirtschaftsliberalen Lager häufen sich die Stimmen, dass Deutschland radikale Reformen brauche, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Mit Blick auf die Interessen von Arbeitnehmern ist das wohl als Drohung zu verstehen?

Ja, ganz klar. Gegenwärtig erleben wir so etwas wie eine Zeitenwende in den organisierten Arbeitsbeziehungen. Nach der Krise 2007 bis 2009, in den zehn Jahren der Prosperität danach, sah es so aus, als würde sich der deutsche Sozialkapitalismus, für den sozialer Friede eine Produktivkraft ist, noch einmal berappeln. Aus heutiger Sicht muss ich sagen: Diese Einschätzung hat sich nicht bewahrheitet. Stattdessen praktizieren Unternehmen eine Art Niederwerfungsstrategie gegenüber den Gewerkschaften, wie wir sie bis dato nur aus den angelsächsischen Staaten kannten. Nicht im Sinne von vollständiger Entgewerkschaftung, sondern so, dass Gewerkschaften in einem Ausmaß geschwächt werden, dass sie außer als willfährige Krisenmanager zu nichts anderem mehr zu gebrauchen sind.

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Radikale Arbeitszeitverkürzung – Für ein besseres Leben. Gegen Rechts.

Vortrag und Diskussion mit Lothar Galow-Bergemann

Donnerstag, 3. April 2025, 18.30 Uhr, Erfurt

filler, Schillerstraße 44

Eine Veranstaltung von Bildungskollektiv BiKo e.V. im Rahmen der Reihe „Kämpfe um, im und gegen den Sozialstaat“

  • Der Vortrag ist mittlerweile HIER nachzuhören

Wir sollen „mehr Bock“ haben auf „Arbeit, Leistung, Wachstum und Wettbewerb“, um „unseren Wohlstand zu sichern“. Doch was für ein „Wohlstand“ soll das sein? Schuften ohne Ende? Für noch mehr Autos? Noch mehr Plastik im Meer? Noch mehr CO2? Noch höhere Finanzgebirge? Ständiger Stress, kaum Zeit für’s Leben? Sich dann auch noch anhören müssen, wir würden „zu viel krankmachen“? Und am Ende Minirente mit 75? Wer hat darauf schon Bock?

„Wirtschaftswachstum“ ist der moderne Gott, dem wir alle dienen müssen. Wir arbeiten für eine Megamaschine, die unendlich Geld anhäuft und Mensch und Natur ihrem Diktat unterwirft. Die Klimakrise ist ihr ebenso geschuldet wie die wachsende Kluft zwischen Reich und Arm, Vernachlässigung von Gesundheit, Bildung und Sozialem, unbezahlbare Wohnungen und Renten.

Computer und Roboter könnten uns viel Arbeit abnehmen. Aber wir sollen immer mehr arbeiten, weil die Megamaschine Konkurrenz statt Kooperation von uns verlangt. Niemand vertritt dieses Prinzip brutaler als Autoritäre und Faschisten. Die Rechtsentwicklung fällt nicht vom Himmel, sie erwächst aus der Ellenbogenlogik „unserer Wirtschaft“.

Kampf gegen Rechts kann erfolgreich sein, wenn er sich mit dem Wunsch von immer mehr Menschen nach wesentlich mehr Zeit für ein erfülltes und sinnvolles Leben verbündet. Kämpfe um radikale Arbeitszeitverkürzung und gesellschaftliche Selbstorganisation sind der Schlüssel für humanes und naturverträgliches Wirtschaften. Gewerkschaften können eine zentrale Rolle dabei spielen, wenn sie ihr großes Potential als Massenorganisationen der Fachkräfte für den stofflichen Umbau erkennen und mobilisieren.

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