Das Kapital verlangt Schmerzen

Die Bundesregierung will 30 Milliarden Euro einsparen und stellt zur Diskussion, wie viel Sozialstaat noch bezahlbar sei. Der Arbeitgeberpräsident fordert »schmerzhafte« Maßnahmen.

von Minh Schredle

Die deutschen Wirtschaftsverbände zeigen sich ungeduldig. Anfang Juli kündigte Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) im Interview mit der ARD einen „Herbst der Reformen“ an. Schon am 22. August veröffentlichte Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger noch in der parlamentarischen Sommerpause eine Pressemitteilung. Dulger monierte, er könne keine Reformen, sondern lediglich einen „Herbst der Kommissionen“ erkennen, dabei brauche es nun „teils schmerzhafte, aber notwendige Maßnahmen“. Man dürfe sich „hier nicht wegducken“, es mangele „an Politikern, die die Dinge ansprechen und eine ehrliche Debatte anstoßen“.

Als einzige positive Ausnahme erwähnt Dulger Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche (CDU). Diese hatte Ende Juli gemahnt: „Der Kipppunkt rückt immer näher.“ Gemeint war nicht der Klimawandel, sondern die angebliche Belastungsgrenze der deutschen Sicherungssysteme.

Weiterlesen

Jenseits des Wirtschafts­kriegs

Das Weiße Haus will Brasilien mit Zöllen politisch erpressen

von Marcos Barreira

Die Strafzölle, die US-Präsident Donald Trump gegen Brasilien verhängt hat, sind politisch motiviert und sollen Druck auf Regierung und Justiz des Landes ausüben, das Verfahren gegen den ehemaligen Präsidenten Jair Bolsonaro wegen Putschversuchs einzustellen. Zur Popularität der Bolsonaristen in Brasilien trägt das nicht bei.

Rio de Janeiro. Unter den Ländern, gegen die der US-Präsident Donald Trump nach Ende der Frist für den Abschluss eines Handelsabkommens am 30. Juli per Dekret Strafzölle verhängt hat, muss Brasilien den höchsten Zollsatz hinnehmen: Bis zu 50 Prozent betragen die Zölle auf brasilianische Produkte seit Mittwoch. Die Verfügung, die die Regierung Trump erlassen hat, sieht demnach ein zusätzlichen Zollsatz von 40 Prozent auf den bereits seit April geltenden Basiszollsatz von zehn Prozent vor. Am stärksten betroffen sind Kaffee und Rindfleisch, die zu den meistverkauften brasilianischen Produkten in den USA gehören.

Weiterlesen

Fallstricke der Emanzipation

Autoritäres in der Linken und antifaschistische Essentials heute

Vortrag und Diskussion mit Lothar Galow-Bergemann

Mittwoch, 24. September 2025, 19.00 Uhr Saarbrücken

Veranstaltungsraum der Commune, Eingang Rotenhofstrasse 1

Eine Veranstaltung der Linksjugend [’solid] Saarland

Alle Verhältnisse umzuwerfen, in denen der Mensch ein erniedrigtes, ein geknechtetes, ein verlassenes, ein verächtliches Wesen ist. Besser lassen sich Anspruch und Programm menschlicher Emanzipation nicht auf den Punkt bringen. Wenn der Begriff Links Sinn hat, dann diesen. Oft sehen linke Theorie und Praxis jedoch ganz anders aus. Was längst überwunden sein sollte, lebt auch in vielen linken und linksradikalen Strukturen und Denkweisen fort: Die Herrschaft von Zwangsgemeinschaften und von Menschen über andere Menschen.

Weiterlesen

“Nie wieder!” heißt auch: Aus linken Fehlern lernen

Essentials eines erfolgreicheren Antifaschismus

Vortrag und Diskussion mit Lothar Galow-Bergemann

Freitag, 5. September 2025, 15.00 Uhr, Kassel

Philipp-Scheidemann-Haus, Holländische Straße 74

Eine Veranstaltung im Rahmen von Nach dem Rechten sehen. Offenes Festival für politische Bildung, Aufklärung und Sensibilisierung in Kassel

Jahrzehntelang hat man sich in Deutschland damit gebrüstet, wie viel man aus der Geschichte gelernt habe. Doch wäre der Nationalsozialismus wirklich aufgearbeitet, gäbe es den Aufstieg der AfD nicht. Das offizielle „Nie wieder!“ vermag weniger denn je den braunen Dreck zu kaschieren, der über Generationen hinweg an Stamm- und Küchentischen weitergegeben wurde und heute wieder in großen Teilen der Gesellschaft kursiert. Menschenfeindliches, rassistisches und antisemitisches Denken und Handeln erfasst zunehmend auch die selbstgefällige „Mitte der Gesellschaft“, die sich „fern von allen Extremen“ wähnt. Nie seit 1945 war die autoritär-faschistische Gefahr so groß wie heute.

Doch auch in der Linken sind Nationalsozialismus und Antisemitismus oft immer noch nicht verstanden. Die Behauptung „das Volk wurde damals von den Nazis verführt“ traut den Menschen nicht zu, handelnde Subjekte zu sein. Das ist kompatibel mit der Überzeugung, man selbst sei zur „Führung der Arbeiterklasse“ berufen. Autoritarismus gibt es auch von Links. Besonders ausgeprägt erscheint er derzeit in dogmatischen „roten Gruppen“, die sich offen auf Führergestalten wie Lenin, Stalin und Mao berufen. Ganz so, als ob deren blutige Rezepte, die Millionen Menschenleben auf dem Gewissen haben, nicht längst desaströs gescheitert seien. Schon die „revolutionären“ Parolen der alten KPD blamierten sich 1933 auf dramatische Weise. Waren die K-Gruppen der 70er Jahre nur noch deren billiger Abklatsch, so sind ihre heutigen Wiedergänger nichts als der Abklatsch vom Abklatsch des Gescheiterten.

Weiterlesen

Fallstricke der Emanzipation

Autoritäres und Regressives in der Linken gestern und heute

Vortrag und Diskussion mit Lothar Galow-Bergemann

Donnerstag, 24. Juli 2025, 19.30 Uhr, Landau/Pfalz

Marock Bar, Martin-Luther- Straße 25

Alle Verhältnisse umzuwerfen, in denen der Mensch ein erniedrigtes, ein geknechtetes, ein verlassenes, ein verächtliches Wesen ist. Besser lassen sich Anspruch und Programm menschlicher Emanzipation nicht auf den Punkt bringen. Wenn der Begriff Links Sinn hat, dann diesen. Oft sehen linke Theorie und Praxis jedoch ganz anders aus. Was längst überwunden sein sollte, lebt auch in vielen linken und linksradikalen Strukturen und Denkweisen fort: Die Herrschaft von Zwangsgemeinschaften und von Menschen über andere Menschen.

Weiterlesen

Verwerflichkeit und Weltverbrennung – Justiz gegen Klima-Aktivismus

von Minh Schredle

Auch im seit 14 Jahren grün regierten Baden-Württemberg verursacht der Klimawandel einen rasanten Artenschwund. Währenddessen geht die Justiz überhart gegen Aktivist:innen vor.

Er könne gar nicht „unbefangen durch die Gegend gehen“, bekannte Winfried Kretschmann einmal bei einem Waldspaziergang mit der Presse. Das war im März 2021 bei Sigmaringen, kurz vor der Landtagswahl in Baden-Württemberg. Der amtierende Ministerpräsident, heute 77 Jahre alt, zog noch ein letztes Mal als Spitzenkandidat für die Grünen ins Rennen. Allerdings konnte der studierte Biologe zwei Wochen vor der Stimmabgabe nicht ausschließlich über Politik reden – zu groß war seine Begeisterung, als er einen scharlachroten Kelchbecherling entdeckte. Der Pilz sei „eine botanische Rarität“, freute sich Kretschmann gegenüber den Damen und Herren von der Presse: „Wenn Sie den gesehen haben, dann ist der Tag gerettet.“

An der Authentizität seiner Begeisterung für seltene Arten besteht kein Zweifel, weltweit dürften wohl nur wenige Regierungschefs vergleichbar fundierte Kenntnisse über die heimische Flora und Fauna vorweisen können. Um den grünen Ministerpräsidenten für dessen Einsatz für den Erhalt der Biodiversität zu würdigen, benannte die Entomologin Marina Moser 2023 eine neu entdeckte Wespenart nach ihm (Aphanogmus kretschmanni). Damit scheinen die Ausgangsbedingungen für den Erhalt biologischer Vielfalt eigentlich ideal: Eine grün-geführte Landesregierung mit einem fürs Thema begeisterten Oberhaupt in einer der reichsten Regionen der Welt – und dennoch weisen auch hier die Langzeitbeobachtungen einen alarmierend Trend auf.

Weiterlesen

“Nie wieder!” heißt auch: Aus linken Fehlern lernen

Essentials eines erfolgreicheren Antifaschismus

Vortrag und Diskussion mit Lothar Galow-Bergemann

Mittwoch, 16. Juli 2025, Dresden

AZ Conni, Rudolf-Leonhard-Straße 39

Eine Veranstaltung der DGB Jugend Sachsen und der ver.di Jugend in Kooperation mit der RLS Sachsen und der Rosa-Luxemburg-Stiftung: Gesellschaftsanalyse und politische Bildung e.V.

Jahrzehntelang hat man sich in Deutschland damit gebrüstet, wie viel man aus der Geschichte gelernt habe. Doch wäre der Nationalsozialismus wirklich aufgearbeitet, gäbe es den Aufstieg der AfD nicht. Das offizielle „Nie wieder!“ vermag weniger denn je den braunen Dreck zu kaschieren, der über Generationen hinweg an Stamm- und Küchentischen weitergegeben wurde und heute wieder in großen Teilen der Gesellschaft kursiert. Menschenfeindliches, rassistisches und antisemitisches Denken und Handeln erfasst zunehmend auch die selbstgefällige „Mitte der Gesellschaft“, die sich „fern von allen Extremen“ wähnt. Nie seit 1945 war die autoritär-faschistische Gefahr so groß wie heute.

Doch auch in der Linken sind Nationalsozialismus und Antisemitismus oft immer noch nicht verstanden. Die Behauptung „das Volk wurde damals von den Nazis verführt“ traut den Menschen nicht zu, handelnde Subjekte zu sein. Das ist kompatibel mit der Überzeugung, man selbst sei zur „Führung der Arbeiterklasse“ berufen. Autoritarismus gibt es auch von Links. Besonders ausgeprägt erscheint er derzeit in dogmatischen „roten Gruppen“, die sich offen auf Führergestalten wie Lenin, Stalin und Mao berufen. Ganz so, als ob deren blutige Rezepte, die Millionen Menschenleben auf dem Gewissen haben, nicht längst desaströs gescheitert seien. Schon die „revolutionären“ Parolen der alten KPD blamierten sich 1933 auf dramatische Weise. Waren die K-Gruppen der 70er Jahre nur noch deren billiger Abklatsch, so sind ihre heutigen Wiedergänger nichts als der Abklatsch vom Abklatsch des Gescheiterten.

Weiterlesen

Fallstricke der Emanzipation

Autoritäres und Regressives in der Linken gestern und heute

Vortrag und Diskussion mit Lothar Galow-Bergemann

Donnerstag, 10. Juli 2025, 19.30 Uhr, Berlin

Bajszel – Emser Straße 8/9, 12051 Berlin

Eine Veranstaltung von Theorie, Kritik & Aktion | Berlin [TKA]

  • Leider kann die Veranstaltung zum vorgesehenen Termin nicht stattfinden. Sie wird zu einem späteren Zeitpunkt nachgeholt.

Alle Verhältnisse umzuwerfen, in denen der Mensch ein erniedrigtes, ein geknechtetes, ein verlassenes, ein verächtliches Wesen ist. Besser lassen sich Anspruch und Programm menschlicher Emanzipation nicht auf den Punkt bringen. Wenn der Begriff Links Sinn hat, dann diesen. Oft sehen linke Theorie und Praxis jedoch ganz anders aus. Was längst überwunden sein sollte, lebt auch in vielen linken und linksradikalen Strukturen und Denkweisen fort: Die Herrschaft von Zwangsgemeinschaften und von Menschen über andere Menschen.

Weiterlesen

Sehnsucht nach Anerkennung

Zur politischen Ökonomie antidemokratischer Bewegungen

Vortrag und Diskussion mit Julian Bierwirth

Dienstag, 1. Juli 2025, 18:15 Uhr, Göttingen

Uni Göttingen, ZHG 007

Warum gewinnen autoritäre und neurechte Bewegungen auf globaler Ebene immer mehr an Einfluss? Welche Feindbilder, national-religiöse Erweckungsphantasien und patriarchale Ideale haben diese Strömungen gemeinsam? Und in welchem Zusammengang steht das Erstarken dieser Bewegungen mit den globalen Ökonomischen Umbrüchen, die den Kapitalismus in den vergangenen 40 Jahren fundamental verändert haben. Es soll gezeigt werden, wie die Verbreitung autoritärer und verschwörungstheoretischer Deutungen als Reaktion auf jene sozialen, politischen und wirtschaftlichen Desintegrationsprozesse verstanden werden kann, die durch den Übergang von klassischen Arbeits- und Produktionsverhältnissen hin zu digitalisierten und wissensbasierten Ökonomien ausgelöst wurden.

Weiterlesen

Hauptsache machen

Die Letzte Generation heißt nun Neue Generation – und wirkt ratlos

Ein neuer Name ersetzt keine politische Analyse: Die Letzte Generation heißt jetzt Neue Generation. Von ihren Forderungen scheinen die Klimaschützer selbst nur so halb überzeugt zu sein.

von Minh Schredle

Ohne vorherige Anklage landete Lars Werner im Gefängnis. Das war im November 2022. Der Göttinger war damals 30 Jahre alt und hatte seinen Beruf als Psychologe aufgegeben, um sich Vollzeit dem Klimaschutz zu verschreiben.

Am 3. November hatte er sich mit 13 Vertreter:innen der Letzten Generation auf einer Münchner Straße festgeklebt. Einen Tag später wurden alle Beteiligten in der JVA Stadelheim inhaftiert – möglich gemacht durch das bayerische Polizeiaufgabengesetz. Das wurde einst mit der Begründung eingeführt, man müsse Terrorismus besser bekämpfen können. Es erlaubt der bayerischen Landespolizei allerdings ganz allgemein, von ihr als »Gefährder« eingestufte Personen auch ohne Gerichtsverhandlung 30 Tage in präventiven Gewahrsam zu nehmen.

Weiterlesen

Wohin kippt der Kapitalismus? Sommercamp der Gruppe krisis

Krise, autoritäre Bedrohung und soziale Kämpfe

Mittwoch, 9. bis Sonntag, 13. Juli, Berlin

  • fällt leider aus wegen Sturmschäden auf dem Gelände – eine Ersatzveranstaltung ist in Planung

u.a. mit Julian Bierwirth, Leo Roepert, Minh Schredle, Max Sattler, Norbert Trenkle, Cordula Trunk, Ernst Lohoff, Jonna Klick, Lothar Galow-Bergemann, Lara Wenzel, Nick Gietinger, Karl-Heinz Lewed, Veronika Kracher

Zum ausführlichen PROGRAMM auf der Seite von krisis – Kritik der Warengesellschaft

Die Vertrauensfrage: Populismus im Rechtsstaat

von Minh Schredle

Nachdem Geflüchtete rechtswidrig an der deutschen Grenze zurückgewiesen wurden, delegitimieren führende Regierungspolitiker Gerichtsbeschlüsse. Fatal ist das, weil ein Verfassungsstaat eine Vertrauensbasis braucht – und nun elementare Grundsätze der Rechtsstaatlichkeit für billige Symbolpolitik geopfert werden. 

Der Militärputsch ist aus der Mode gekommen. Im Interview mit der „Zeit“ beschreibt der Jurist Friedrich Zillessen, dass die Autoritären von früher „oft alle Regeln über Bord geworfen“ hätten, um an die Macht zu gelangen. Heute, wo erneut eine autoritäre Welle über den Globus schwappt, habe sich diese Strategie verändert. „Man versucht, die Demokratie aus den Institutionen heraus zu schwächen.“ Das geschieht nicht auf einen Schlag, nicht durch den einen Schlüsselmoment, der alles verändert – sondern durch tausend kleine Nadelstiche, die sich in einer schleichenden Erosion demokratischer Werte und Grundsätze bemerkbar machen. 

Weiterlesen

Audio: Antisemitismus und die AfD

Buchvorstellung von Stefan Dietl

gehalten am 12. Mai 2025 in Stuttgart

Antisemitismus ist in der AfD allgegenwärtig. Immer wieder attackiert die Partei unter Rückgriff auf antisemitische Stereotype prominente Vertreterinnen jüdischen Lebens, teilen führende AfD-Funktionärinnen antisemitische Verschwörungserzählungen oder relativieren die Verbrechen des Nationalsozialismus. Trotz der zahlreichen einschlägigen Skandale in ihrer noch jungen Parteiengeschichte wird dem Antisemitis­mus in der Analyse der AfD jedoch kaum Beachtung geschenkt.

Weiterlesen

Pride-Flagge im Stuttgarter Sunny High Club: Nazis trauen sich immer mehr

von Minh Schredle

Rechtsextreme Straftaten nahmen zuletzt drastisch zu. Auch im multikulturell geprägten Bad Cannstatt sind die Folgen zu spüren. Nach einem Angriff auf den queeren Club Sunny High will die linksalternative Szene klarmachen, dass sie sich nicht einschüchtern lässt.

Sie hätten die „größte Pride-Flagge gekauft, die im Handel erhältlich ist“, verkündet Moderatorin Charlotte von Bonin freudestrahlend auf der Bühne auf dem Cannstatter Bahnhofsvorplatz. Etwa 250 größtenteils junge Menschen haben sich hier mit bunten Fahnen und kreativen Plakaten versammelt, um nach rechtsextremen Angriffen auf das Kulturzentrum Prisma klarzumachen: „Wir sind hier, wir bleiben da, wir sind queere Antifa!“ Ein größeres Transparent erteilt Nazis Cannstatt-Verbot.

Trotz vieler Zumutungen, die Stuttgart für seine Bevölkerung in petto hat, gehört es bislang zu den Vorzügen der politischen Kultur in der Landeshauptstadt, dass Rechtsextreme im öffentlichen Raum nur eine Randerscheinung sind. In der jungen Vergangenheit haben sich allerdings die Vorfälle gehäuft und dabei an Intensität gewonnen. Sinnbildlich ist die Demonstration „Gemeinsam für Deutschland“, die vergangenen März in der Innenstadt auflief: Mit dabei waren die Neonazi-Gruppen „Der Störtrupp“, „Unitas Germanica“ und „Pforzheim Revolte“. Sie machten keinerlei Anstalten, sich zu kostümieren oder ihre Gesinnung sonstwie zu verschleiern, sondern traten klar erkennbar mit einschlägigen Symbolen auf. So etwas hat es hier in den vergangenen Jahrzehnten eigentlich nicht gegeben.

Weiterlesen

Die Rationalisierung der Kopfarbeit schreitet voran

Der KI-Boom führt zu Arbeitsplatzverlusten bei Büroberufe

Für viele Freelancer:innen macht sich der KI-Boom bereits durch Auftragsflauten bemerkbar, auch Festangestellte sind gefährdet. Das betrifft vor allem Graphikdesigner, Programmierer, Manager, Journalisten und Synchronsprecher.

Von Minh Schredle

»AI first«: Unter diesem Motto kündigte Luis von Ahn, der Geschäftsführer des Anbieters der weltweit meistgenutzten Sprachlern-App Duolingo, Ende April eine strategische Neuausrichtung an. Immer mehr Aufgaben, die bislang Menschen erledigt haben, sollen im Unternehmen von nun an KI-Programme übernehmen, bis hin zur Erstellung von Lernmaterialien. Die Beschäftigten von Duolingo hätten keinen Anlass zur Sorge, schrieb er in einer E-Mail an die Belegschaft. Allerdings werde nun schrittweise damit aufgehört, solche Aufträge an externe Mit­arbeiter:innen zu vergeben, die auch von einer KI bewältigt werden können. Zudem würden neue Stellen nur noch dort geschaffen, wo keine weitergehende Automatisierung von Arbeit möglich sei. Bei der Einstellung von neuen Arbeitskräften spielten KI-Kenntnisse eine wichtige Rolle.

Weiterlesen

Audio: Fallstricke der Emanzipation

Autoritäres und Regressives in der Linken gestern und heute

Vortrag von Lothar Galow-Bergemann

gehalten am 14. Mai 2025 in Jena

Anmoderation: Radio F.R.E.I. Erfurt

Alle Verhältnisse umzuwerfen, in denen der Mensch ein erniedrigtes, ein geknechtetes, ein verlassenes, ein verächtliches Wesen ist. Besser lassen sich Anspruch und Programm menschlicher Emanzipation nicht auf den Punkt bringen. Wenn der Begriff Links Sinn hat, dann diesen. Oft sehen linke Theorie und Praxis jedoch ganz anders aus. Was längst überwunden sein sollte, lebt auch in vielen linken und linksradikalen Strukturen und Denkweisen fort: Die Herrschaft von Zwangsgemeinschaften und von Menschen über andere Menschen.

Das kann sich in Männlichkeitskult und sexistischem Verhalten äußern, in der Vorliebe fürs Agitieren statt fürs Argumentieren oder in der Vorstellung, antifaschistische Akteur*innen seien stets im Recht, was auch immer sie tun. Aber auch im Glauben, man sei zur „Führung der Arbeiterklasse“ berufen. Der Griff in die Mottenkiste staatssozialistischer Parteidiktaturen und Sympathie für autoritäre Führergestalten wie Lenin liegen da oft nahe. Der Glaube, „die Klasse und das Volk“ brauche eigentlich nur die richtigen Führer, korreliert zudem mit zwei ebenso absurden wie folgenreichen Fehleinschätzungen: Nationalsozialismus und Antisemitismus seien die Folge rechter Verführungskünste und bürgerlich-rechtsstaatliche Verhältnisse seien letztlich ebenfalls „faschistisch“.

Weiterlesen

Spielregeln und Freiräume bei Baden-Württembergs Polizei

Von Minh Schredle

Plötzlich hatte der Beamte eine Bestnote: Im Untersuchungsausschuss zur Beförderungspraxis bei Baden-Württembergs Polizei zeigt sich, dass Seilschaften im gehobenen Dienst eine Selbstverständlichkeit sind.

Am Anfang war die Zielvorstellung: Für das Amt des ranghöchsten Polizisten im Lande hatte Baden-Württembergs Innenminister Thomas Strobl (CDU) einen klaren Wunschkandidaten. Damit sein Protegé Andreas Renner im November 2020 als Inspekteur der Polizei (IdP) antreten konnte, beauftragte der Minister das Landespolizeipräsidium damit, ein „rechtskonformes Verfahren“ durchzuführen. Das war allerdings nicht so einfach: Denn eigentlich sollen im öffentlichen Dienst die bestqualifizierten Bewerber:innen zum Zug kommen, das Grundgesetz definiert in Artikel 33 alle Deutschen hätten entsprechend ihrer „Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung gleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amte“. Im Fall von Andreas Renner erwies sich dieser Anspruch als Problem: denn im Vergleich zu potenziellen Kontrahent:innen hatte er zu schlechte Noten.

Dass der Minister dennoch bekam, wen er wollte, lag an verwaltungsrechtlichen Kunstgriffen, die zwar eindeutig dem Fairnessgebot in der Verfassung zuwiderlaufen, sich aber offenbar in einer rechtlichen Grauzone bewegen.

Weiterlesen

Proibição da AfD: já é um começo

por Lothar Galow-Bergemann

Muito obrigado ao Marcos Barreira pela tradução

publicado originalmente em alemão

A memória está desaparecendo novamente. Quando, no ano passado, foram divulgados os planos para a “remigração” de milhões de pessoas, centenas de milhares saíram às ruas contra a extrema direita. Mas foi apenas um breve interlúdio. Como se nada tivesse acontecido, a AfD continua crescendo rapidamente, tem uma grande bancada no Bundestag e alimenta esperanças justificáveis de entrar em breve nos governos estaduais. Não há sinais de que essa tendência possa ser interrompida ou mesmo revertida.

As manifestações foram em vão? Não. Elas deram um sinal de mudança em partes da sociedade. Mas, para poder intervir de forma eficaz na política, é preciso chegar a um consenso sobre uma exigência central, na qual se concentrar. Foi isso que faltou ao movimento da primavera de 2024. Dada a situação atual, essa exigência teria sido a proibição do AfD. Enquanto isso, o movimento perdeu força: no domingo passado, pessoas em todo o país saíram às ruas para exigir a proibição da AfD, mas a participação ficou muito aquém das expectativas dos organizadores: em Heidelberg, cerca de 450 pessoas; em Freiburg, 2.000 em vez das 5.000 esperadas; em Stuttgart, apenas cerca de 200.

A AfD não é de forma alguma a única responsável pela guinada à direita na política e na sociedade. Mas ela é sua ponta de lança. Sua crescente aceitação faz com que as barreiras ainda existentes na política e na sociedade continuem a ruir a cada dia. Em seu rastro, gangues nazistas se tornam mais numerosas, confiantes e agressivas. O número quase incontável de “casos isolados” de incidentes de extrema direita na polícia que vieram a público é apenas a ponta do iceberg. Só agora começa a ficar clara a dimensão do movimento extremista e seus planos de golpe. O misterioso desaparecimento de arsenais da polícia e das Forças Armadas também indica que planos concretos de golpe estão sendo elaborados. Podemos adivinhar a qual partido todos esses atores se sentem ligados. Eles precisam ser desarmados. Só o Estado pode fazer isso e é isso que se deve cobrar dele.

Weiterlesen

AfD-Verbot: Es wäre ein Anfang

von Lothar Galow-Bergemann

versão em português

Die Erinnerung verblasst schon wieder. Als letztes Jahr die Pläne zur „Remigration“ von Millionen Menschen bekannt wurden, gingen Hunderttausende auf die Straßen gegen rechts. Doch es blieb nur ein kurzes Zwischenspiel. Als ob nichts geschehen wäre, legt die AfD seitdem weiter rasant zu, sitzt mit einer Riesenfraktion im Bundestag und macht sich berechtigte Hoffnungen auf den baldigen Einzug in Landesregierungen. Dass dieser Trend gestoppt, gar umgedreht werden könnte, ist nicht in Sicht.

Waren die Demos umsonst? Nein. Sie gaben ein Aufbruchssignal in Teile der Gesellschaft. Aber um wirksam in den politischen Betrieb intervenieren zu können, muss man sich auf eine zentrale Forderung verständigen, auf die man zuspitzt. Daran mangelte es der Bewegung vom Frühjahr 2024. Nach Lage der Dinge wäre das die Forderung nach dem Verbot der AfD gewesen. Inzwischen hat die Bewegung an Fahrt verloren: Vergangenen Sonntag gingen bundesweit Menschen für ein AfD-Verbot auf die Straße, doch die Beteiligung blieb teils deutlich hinter den Erwartungen der Veranstalter:innen: In Heidelberg etwa 450, in Freiburg 2.000 statt der erhofften 5.000, in Stuttgart nur etwa 200.

Die AfD steht bei Weitem nicht allein für den Rechtsruck in Politik und Gesellschaft. Aber sie ist seine Speerspitze. Ihre zunehmende Akzeptanz lässt die teilweise noch vorhandenen Brandmauern in Politik und Gesellschaft täglich weiter bröckeln. In ihrem Windschatten treten Nazibanden immer zahlreicher, selbstbewusster und aggressiver auf. Die kaum noch überschaubare Zahl bekannt gewordener „Einzelfälle“ von extrem rechten Vorfällen in der Polizei ist nur die Spitze des Eisbergs. Erst langsam tritt das Ausmaß der Reichsbürgerszene und ihrer Putschpläne zutage. Auch das mysteriöse Verschwinden von Waffenbeständen bei Polizei und Bundeswehr deutet darauf hin, dass sehr konkret an Umsturzplänen gearbeitet wird. Bitte dreimal raten, welcher Partei sich all diese Akteure verbunden fühlen. Sie müssen entwaffnet werden. Das kann nur der Staat und das ist von ihm zu verlangen.

Weiterlesen