Enough sweating!

by Lothar Galow-Bergemann

In a study worth reading, sociologist Steffen Liebig examines models of working time reduction from a social and ecological perspective

german version

[This article published on January 20, 2022 is translated from the German on the Internet.]
published in Jungle World, January 20, 2022

For decades, trade unions have made little progress in demanding a reduction of working hours. After the struggles of the 1980s over the 35-hour week, a leaden calm settled over the country for what felt like an eternity. The temporary introduction of a four-day week at VW between 1994 and 2006 gave rise to certain hopes, but these were soon abandoned. All in all, there was a threat of regression. Although hardly a trade union conference went by without a new standard for working hours being demanded in eloquent and well-founded terms, the results were not forthcoming. Those who for decades have only been able to make demands and move practically nothing are obviously in crisis. This shows the dwindling power of the trade unions under the conditions of global competition between locations and technologically driven productivity growth. Weiterlesen

Why are there so few reasonable and so much absurd Corona protests?

Speech by Lothar Galow-Bergemann

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Tradução em português

at the vigil „Cross-thinkers“ get in the way – stop anti-Semitic conspiracy ranting! on April 17, 2021.
(This article published on 4/27/2021 is translated from the German on the Internet.]

Along with the Covid 19 pandemic, hair-raising and dangerous conspiracy fantasies are spreading. People are fabricating about secret plans by evil billionaires to implant microchips in them and about a „Merkel dictatorship“ acting on their behalf. The belief that they are at the mercy of malicious, greedy and unimaginably powerful dark forces is just as deep-seated in them as the conviction that they themselves are in legitimate resistance to it. More and more frequently, open anti-Semitism is also expressed, which insinuates that „the Jews“ are the real masterminds of evil.

Unfortunately, it cannot be said that what we are currently witnessing at the demonstrations of the alleged „lateral thinkers“ has nothing to do with the rest of society. After all, at the latest since the financial and economic crisis of 2008, a great many people believe that „it’s all the fault of those up there.“ Criticism of society is confused with anger at „greedy billionaires“, „pack of lies“ and „lying press“. This works in right-wing, left-wing and „alternative“ milieus just as well as in the supposedly „good middle of society. Weiterlesen

Class struggle is too little

by Lothar Galow-Bergemann

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(This article published on January 23, 2020 is translated from the German on the Internet.] Published in Jungle World #4/2020, January 23, 2020.

Many leftists, who for decades focused on identity politics and forgot about the social question, are practicing self-criticism for good reason, because by doing so they left the interpretation of important social conflicts to liberals, conservatives and fascists. Even if some have lost sight of the working class – it exists and class struggles are necessary. But class struggle today can at best achieve makeshift and unstable successes for individual groups of the working class; it can no longer provide lasting answers to the social question. Because the constraints of capital exploitation block the solution of all decisive questions for the future, social struggles today must directly pose – theoretically as well as practically – the system question. And it is precisely here that the problems with the class struggle begin. The class interest of the working class has long since turned out to be the system-immanent interest of those who depend on the sale of their labor power. There is a lack of system-busting potential. Weiterlesen

Zwischen „Profitgier“ und „Weltverschwörung“

Was falscher Antikapitalismus mit Antisemitismus zu tun hat

Vortrag und Diskussion mit Lothar Galow-Bergemann

Mittwoch, 18. Mai 2022, 19.00 Uhr, Berlin

k-fetisch Wildenbruchstraße 86 · Ecke Weserstraße · Neukölln

Eine Veranstaltung von Antifaschistisches Berliner Bündnis gegen den Al Quds-Tag

Klima, Corona, Krieg und Hunger – die Krisen jagen sich. Sie haben viel mit der herrschenden Wirtschaftsweise zu tun – dem Kapitalismus. Unendliches Wachstum ist ihm wichtiger als Mensch und Natur, maximaler Profit wichtiger als Gesundheit und Lebensqualität, steigende Aktienkurse wichtiger als das Leben künftiger Generationen. Der Kapitalismus hat uns in eine Sackgasse geführt. Viele sind gegen ihn, doch haben sie ihn auch verstanden?

Gesellschaftskritik wird oft mit Wut auf „die Schuldigen“, „Lügenpack“ und „Lügenpresse“ verwechselt. Viele phantasieren – z.B. im Zusammenhang mit der Covid-19-Pandemie – von einer Weltverschwörung „profitgieriger Milliardäre“, die die sie ins Unglück stürzen wollen. Die Nationalsozialisten setzten die eingebildeten „Gierigen und Mächtigen, die im Geheimen wirken und die Welt versklaven wollen“ mit „den Juden“ gleich. Doch auch wer das nicht tut, kann sich in einer gefährlichen Nähe zum Antisemitismus befinden, ohne sich darüber im Klaren zu sein.

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Arbeitsfetisch und Antisemitismus

von Lothar Galow-Bergemann

„Arbeit macht frei“ stand über dem Tor des Vernichtungslagers Auschwitz. Wie kamen die Nazis darauf? Ist Arbeit nicht etwas Sinnvolles, Gutes? Was hat sie ausgerechnet mit Auschwitz zu tun? Sehr viel. Denn Arbeit und sinnvolle Tätigkeit sind, ganz entgegen der landläufigen Meinung, zwei Paar Stiefel.

english translation

Die Arbeitsgesellschaft

Das höchste Gesetz in unserer Gesellschaft steht nirgends geschrieben, aber jede und jeder kennt es: Wir müssen unser Leben lang arbeiten, um Geld zu verdienen, damit wir leben können. Dieses Arbeiten und der positive Bezug darauf kommt uns vor wie ein Naturgesetz. Doch schon die Herkunft des Wortes „Arbeit“ in verschiedenen Sprachen sollte stutzig machen. Das altgriechische ponein (arbeiten) kommt von ponos (Mühe, Last), die französischen und spanischen Wörter für Arbeit travail /trabajo leiten sich aus dem vulgärlateinischen tripalare ab, was nichts anders heißt als „quälen, pfählen“. Russisch heißt Arbeit rabota, das kommt von rab, „der Sklave“. Und das germanische arba heißt schlicht „der Knecht“.

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Wer vom Kapitalismus nicht reden will sollte von Nachhaltigkeit schweigen

Warum wir mit „unserer Wirtschaft“ nie eine nachhaltige Gesellschaft erreichen werden

Vortrag und Diskussion mit Lothar Galow-Bergemann

Montag, 21. März 2022, 19.00 Uhr, 92237 Sulzbach-Rosenberg

CAPITOL – Bild & Bühne, Bayreuther Str.4

Alle sind für Klimaschutz, aber die globale Erwärmung nimmt unaufhörlich zu. Alle sind für soziale Gerechtigkeit, aber Kinder- und Altersarmut wachsen. Alle wünschen sich mehr freie Zeit zum Leben, aber müssen immer mehr und länger arbeiten. Niemand will die Krise, aber keiner kriegt sie in den Griff. Wunsch und Wirklichkeit gehen so weit auseinander, weil das herrschende Wirtschaftssystem existentiellen Herausforderungen nicht gewachsen ist. Klima- und Coronakrise demonstrieren eindrücklich: Unendliches Wachstum ist ihm wichtiger als Mensch und Natur, maximaler Profit wichtiger als Gesundheit und Lebensqualität, steigende Aktienkurse wichtiger als das Leben künftiger Generationen.

Immer weniger Menschen glauben an den Kapitalismus und wissen, dass es „nicht so weitergehen“ kann. Aber der Ausstieg ist schwer. Solange unser Lebensunterhalt vom Verkauf unserer Arbeitskraft abhängt, sitzen wir in der Falle: Geht es nämlich nicht „so weiter“, ist unser Einkommen gefährdet, von dem wir leben.

Die Überwindung der Wirtschaftsweise, die uns in diese Sackgasse geführt hat, ist buchstäblich zu einer Frage des Überlebens geworden. Eine grundlegende Neuorientierung ist angesagt. Denn eine ökologisch und sozial nachhaltige Gesellschaft ist machbar.

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Audio: Die modernen Wanderarbeiter*innen. Arbeitsmigrant*innen im Kampf um ihre Rechte.

Vortrag und Buchvorstellung von Stefan Dietl und Kathrin Birner

gehalten am 10. Februar 2022

Sie arbeiten in Schlachthöfen, in der Pflege, auf dem Bau, in der Logistikbranche oder der Landwirtschaft, aber auch im industriellen Sektor und ihre Ausbeutung bildet zunehmend die Grundlage des deutschen Exportmodells. Zeitlich befristete Arbeitsmigrant*innen, die regelmäßig für einige Wochen oder Monate ihre Heimat verlassen, um in Deutschland zu arbeiten.

Obwohl sie überall präsent sind und ohne sie die Produktion in zahlreichen Wirtschaftszweigen zum Erliegen kommen würde, bleiben sie doch meist gesellschaftlich unsichtbar. Gekennzeichnet ist die Arbeit dieser modernen Wanderarbeiter*innen durch lebensgefährliche Arbeitsbedingungen, systematischen Lohnraub und die Umgehung arbeitsrechtlicher Normen.

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Gesellschaft nach dem Geld

Werkstattbericht über das Forschungs­projekt und die Frage nach eigenen Transformationsvorstellungen

Workshop mit Simon Sutterlütti

Samstag, 14. Mai 2022, 10 Uhr, Online

Eine gemeinsame Veranstaltung von SolawiS – Solidarische Landwirtschaft Stuttgart, Fridays for Future Stuttgart und Emanzipation und Frieden

Link zur Teilnahme in Zoom

Link zum öffentlichen Stream

Seit 3 Jahren bauen wir nun schon eine Simulation wie eine ‚Gesellschaft ohne Geld‘ funktionieren könnte. Der Workshop stellt zuerst Forschungsprojekt, Schwierigkeiten und Ergebnisse vor, um dann in einem zweiten Teil noch einmal tiefer in Fragen der gesellschaftlichen Transformation einzutauchen: Welche Potentiale und Hindernisse gibt es hier? Welche Bedeutung haben Keimformen, soziale Bewegungen und Parlamente? Wie gehen wir mit dem Zeitdruck der Klimakrise um? Wie kann ich persönlich beitragen und mitwirken?

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Aufbauen, Umbauen, Commonisieren

Auf dem Weg zur Commons-Gesellschaft

Vortrag und Diskussion mit Simon Sutterlütti

Donnerstag, 5. Mai 2022, 19 Uhr, Online

Eine gemeinsame Veranstaltung von SolawiS – Solidarische Landwirtschaft Stuttgart, Fridays for Future Stuttgart und Emanzipation und Frieden

Link zur Teilnahme in Zoom

Link zum öffentlichen Stream

In Klimabewegung und DAX-Unternehmen, Landwirtschaft und freier Software, internationalen Verhandlungen und Fußballverein finden sich Commoning und Commons. Sie sind Keimformen einer neuen Lebens- und Wirtschaftsweise jenseits von Profit und Gegeneinander. Aber oft sind sie nur klein und kaum zu sehen. Wie kann die Commonslogik sich vergrößern und sogar gesellschaftlich verallgemeinern? Wie kann sie sich mit sozialen Bewegungen verbinden und etablierte Politik aufgreifen? Der Vortrag versucht einige Antworten zu geben, wie weltweites Teilen in die Welt kommen könnte.

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Planung und Produktion in Kapitalismus, Sozialismus und Commonismus

Vortrag und Diskussion mit Stefan Meretz

Donnerstag, 17. März 2022, 19:00 Uhr, Stuttgart

Altes Feuerwehrhaus, Saal im EG, Möhringer Str. 56, 70199 Stuttgart

Eine gemeinsame Veranstaltung von SolawiS – Solidarische Landwirtschaft Stuttgart, Fridays for Future Stuttgart und Emanzipation und Frieden

In allen Gesellschaften wird geplant, produziert und gepflegt, um menschliche Bedürfnisse zu befriedigen – dies jedoch auf sehr unterschiedliche Art und Weise. Der Vortrag gibt einen Überblick über drei große mögliche Varianten, von denen zwei auch schon historisch umgesetzt wurden: Kapitalismus und Sozialismus. Warum diese beiden näher miteinander verwandt sind als allgemein angenommen, zeigt der Vergleich mit dem Commonismus. Diese utopische Gesellschaft verallgemeinert den Ansatz der Commons, den wir aus Keimformen wie Freie Software, Solidarische Landwirtschaft, Miethäusersyndikat und vielem mehr kennen. Denn das ist eine Lehre der Geschichte: Jede neue Gesellschaft entsteht immer aus der vorhergehenden, die sie „aufhebt“, also sowohl fortträgt, überwindet wie in eine neue Qualität bringt. Dieser dreifache Schritt der Bewahrung, des Bruchs und der Neuentwicklung soll am Beispiel der gesellschaftlichen Planung diskutiert werden.

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Genug geschwitzt!

Der Soziologe Steffen Liebig untersucht in einer lesenswerten Studie Modelle von Arbeitszeitverkürzung aus sozialer und ökologischer Perspektive

von Lothar Galow-Bergemann

english translation

erschienen in Jungle World, 20. Januar 2022

Bei der Forderung nach Arbeitszeitverkürzung kommen die Gewerkschaften seit Jahrzehnten kaum voran. Nach den Kämpfen der achtziger Jahre um die 35-Stunden-Woche legte sich in dieser Frage eine gefühlte Ewigkeit lang bleierne Ruhe über das Land. Mit der vorübergehenden Einführung der Viertagewoche bei VW zwischen 1994 und 2006 verbanden sich gewisse Hoffnungen, die aber bald wieder aufgegeben werden mussten. Alles in allem drohten also eher Rückschritte. Zwar verging kaum ein Gewerkschaftstag, ohne dass wortreich und gut begründet ein neuer Arbeitszeitstandard verlangt worden wäre, die Ergebnisse aber blieben aus. Wer jahrzehntelang nur fordert und praktisch nichts bewegen kann, steckt offenkundig in der Krise. Darin zeigt sich die schwindende Macht der Gewerkschaften unter den Bedingungen globaler Standortkonkurrenz und technologisch bedingtem Produktivitätszuwachses.

Dabei könnte die gesteigerte Effizienz eigentlich für radikale Arbeitszeitverkürzungen genutzt werden. Funktionierte „die Wirtschaft“ nach vernünftigen Regeln, würde sie nicht aus endlich überflüssiger werdender Arbeit „überflüssige“ Menschen machen. Doch das herrschende Wirtschaftssystem erzeugt umgehend handfeste Krisen, wenn es nicht permanent wachsen und Profite generieren kann. Tut es das aber weiterhin, so stürzt es die Welt erst recht in die Krise. Nirgends wird dieses Dilemma deutlicher als im Umgang mit der globalen Erderwärmung. Weiterlesen

Rätselhaftes Geld: Inflations-Astrologie

„Renommierte Wirtschaftsexperten“ rühren mal wieder im Kaffeesatz

von Minh Schredle|

Zuerst erschienen in KONTEXT:Wochenzeitung Ausgabe 563 vom 12.01.2022

Am Monatsende ist das Konto leer und die Preise steigen: Was ist da los? Und wie soll das weitergehen? In dieser kniffligen Situation liefern die Inflationsprognosen der renommierten Wirtschaftsexperten ähnlich viel Erkenntnisgewinn wie das Horoskop der Woche.

Am Anfang war das Wort? „Inflation entsteht, wenn Menschen anfangen, über Inflation zu reden.“ So erklärte sich Otmar Issing im vergangenen Dezember die dramatischen Preissteigerungen in einem Gastbeitrag für die „Wirtschaftswoche“. Und Issing ist nicht irgendwer – er war Wirtschaftsweiser, Chefökonom der Bundesbank und der Europäischen Zentralbank (EZB), dann International Advisor von Goldman Sachs und zeitgleich Präsident des angesehenen Center for Financial Studies in Frankfurt, das er bis heute leitet. Kurz gesagt: Der Mann weiß, wie viel sich in der Ökonomie zur Kopfsache und Glaubensfrage erklären lässt. Und worauf es jetzt ankommt. Issing: „Es kommt darauf an, dass die Bürger und die Finanzmärkte nicht das Vertrauen in die Entschlossenheit der Zentralbanken verlieren, die Inflation (in der Regel bei etwa zwei Prozent) mittelfristig zu stabilisieren.“

In eine ähnliche Kerbe schlägt das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) : Die „Gefahr droht von psychologischer Seite“, erklärt das DIW im Oktober 2021, nämlich „von den Erwartungen, zu der auch gerade die alarmistische Berichterstattung beiträgt“. Wenn alle davon ausgehen, dass die Preise weiter steigen, „werden die Menschen Käufe vorziehen und höhere Löhne fordern“, so die Sorge, und „Unternehmen wiederum werden auf ihre Preise aufschlagen, wenn sie damit rechnen, höhere Löhne und höhere Erzeugerpreise zahlen zu müssen.“ Inflation, so lernen wir, ist also Kopfsache.

Eine Strategie zur Krisenbewältigung lässt sich mit diesen Handreichungen leicht auf die Beine stellen: Wenn am Monatsende keine Kohle mehr auf dem Konto ist und der durchschnittliche Warenkorb immer leerer wird, kommt bitte bloß nicht auf die Idee, höhere Löhne zu fordern. Redet am besten nicht über die Geldentwertung – das macht es nur schlimmer – und wenn es doch unbedingt sein muss, dann flüstert wenigstens, damit es niemand mitbekommt. Weiterlesen

Die Gretchenfrage neu gestellt

Über das Verhältnis von Kapitalismus, Religion und Religionskritik im 21. Jahrhundert

Mit Texten von Julian Bierwirth, Lothar Galow-Bergemann, Karl-Heinz Lewed, Ernst Lohoff, Peter Samol und Norbert Trenkle

Eine Veröffentlichung von krisis – Kritik der Warengesellschaft

Download als PDF Bestellen als Book on Demand (möglich ab Mitte Januar 2022) bei krisisweb ÄT yahoo.de

Direktlink zu Lothar Galow-Bergemann, Du sollst (k)einen anderen Gott haben neben mir. Thesen zum Verhältnis von Religion und Moderne

Vorwort der Krisis-Redaktion:

In seinem Faust lässt Goethe Gretchen ihren Verehrer fragen: „Nun sag, wie hast du’s mit der Religion?“ 200 Jahre später ist die berühmte Gretchenfrage immer noch – oder wieder einmal – von hoher gesellschaftlicher Aktualität. Als Krisensymptom ebenso wie als Teil der treibenden Kräfte weltgesellschaftlicher Desintegration spielen evangelikale, islamistische und sonstige Fundamentalismen sowie esoterische Strömungen eine fatale Rolle. Wer eine emanzipative Gegenperspektive formulieren will, kommt deshalb nicht umhin, diese Entwicklung kritisch einzuordnen und sich zu ihr zu positionieren. Die Auseinandersetzung mit den neoreligiösen Tendenzen führen wir schon seit längerer Zeit. Bereits im Jahr 2008 erschien eine Ausgabe der Krisis (Nummer 32, damals noch im klassischen Buchformat) zum Schwerpunkt Kreuzzug und Jihad, die sich mit dem „Religionismus“ (Ernst Lohoff) im Allgemeinen und dem Islamismus im Besonderen sowie mit dem Kulturkampf der „westlichen Werte“ beschäftigte. Es folgte eine ganze Reihe von weiteren Texten zu diesen Themen, die allesamt auf unserer Webseite zu finden sind. Diese Publikationen gingen und gehen teilweise einher mit theoretischen Kontroversen über den Charakter der Neoreligiosität. Während die einen darin ein (post)modernes Phänomen erkennen und den Bruch gegenüber traditionellen religiösen Vorstellungen betonen, sehen andere eher Kontinuitäten gegenüber der Vormoderne.

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Grüne in der Falle: Die Ampel steht auf Gelb

Einleitendes zur Online-Diskussion von krisis-Kritik der Warengesellschaft Die Grünen in der Falle – Warum die Ampel auf Gelb steht vom 29. November 2021

von Lothar Galow-Bergemann

[zuerst erschienen bei Disposable Times]

  • Die Vorträge der Veranstaltung sind mittlerweile HIER zu sehen

Die Ampelregierung wird voraussichtlich einige wichtige Verbesserungen einführen, so die längst überfällige Abschaffung des Transsexuellengesetzes und des Informationsverbots für Ärzt*innen über Schwangerschaftsabbrüche (§219a StGB). Ebenso sind Liberalisierungen im Familien-, Abstammungs- und Staatsbürgerschaftsrecht zu erwarten. Dies alles ist bedeutsam und sicher haben die Grünen wichtigen Anteil daran. Es ist also überhaupt nicht egal, wer regiert und in welche Richtung die Spielräume, die Politik hat, genutzt werden.

Bei existentiellen Zukunftsfragen sind die Spielräume allerdings deutlich geringer. Denn wir sind Gefangene einer Wirtschaftsweise, deren Lebenselixier ewiges Wachstum, steigende Aktienkurse und permanente Geldvermehrung ist. Sie bringt multiple Krisen hervor, die mit ihren eigenen Mitteln nicht gelöst werden können. Klima, Corona, Wohnen, Renten, Migration, wo soll man aufhören aufzuzählen?

Fast alle Parteien versprechen mittlerweile einen grünen Kapitalismus, sie nennen das vorzugsweise „ökologische Marktwirtschaft“. Das ist schon lange kein Alleinstellungsmerkmal der Grünen mehr. Trotzdem werden sie weitaus mehr als jede andere politische Kraft mit diesem Versprechen identifiziert. Das ist ein ganz besonderes Pech für die Partei. Denn wenn die Illusionen über den grünen Kapitalismus platzen – und das werden sie – bleibt das an niemandem so sehr hängen wie an den Grünen.

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Die modernen Wanderarbeiter*innen. Arbeitsmigrant*innen im Kampf um ihre Rechte.

Buchvorstellung und Diskussion mit Stefan Dietl und Kathrin Birner

Donnerstag, 10. Februar 2022, 19.30 Uhr, Online

Eine Kooperation von Laboratorium und Emanzipation und Frieden

  • Der Vortrag ist mittlerweile HIER nachzuhören

Sie arbeiten in Schlachthöfen, in der Pflege, auf dem Bau, in der Logistikbranche oder der Landwirtschaft, aber auch im industriellen Sektor und ihre Ausbeutung bildet zunehmend die Grundlage des deutschen Exportmodells. Zeitlich befristete Arbeitsmigrant*innen, die regelmäßig für einige Wochen oder Monate ihre Heimat verlassen, um in Deutschland zu arbeiten.

Obwohl sie überall präsent sind und ohne sie die Produktion in zahlreichen Wirtschaftszweigen zum Erliegen kommen würde, bleiben sie doch meist gesellschaftlich unsichtbar. Gekennzeichnet ist die Arbeit dieser modernen Wanderarbeiter*innen durch lebensgefährliche Arbeitsbedingungen, systematischen Lohnraub und die Umgehung arbeitsrechtlicher Normen.

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Die Überkrise: Geld ist tot

Die ökologische Marktwirtschaft ist eine hoffnungslose Hoffnung: Mit mehr Wachstum führt kein Weg aus der Klima- und Wirtschaftskrise

Von Minh Schredle

Zuerst erschienen in KONTEXT:Wochenzeitung Ausgabe 550 vom 13.10.2021

Die triviale Erkenntnis ist so alt wie Steueroasen in der Karibik: Wachstum hat Grenzen. Diese Binse zu ignorieren, ist leider weit verbreitet – und es bedeutet, den Planeten zu verheizen, damit Fantastillionen zu Fantastilliarden werden.

Sinkende Kindersterblichkeit und steigende Lebenserwartungen, eine Impfstoff-Entwicklung in Rekordgeschwindigkeit, tanzende Roboter und Flachbildfernseher zu Spottpreisen: Es wäre töricht, der Gegenwart ihre Erfolge abzusprechen. Doch mit Blick auf die jüngere Geschichte fallen einige Themenkomplexe auf, bei denen sich gravierende Krisensymptome häufen, und bei denen politische Absichtserklärungen, die Probleme an der Wurzel angehen zu wollen, konsequent scheitern: Der Heimatverlust für Millionen von Menschen, die strukturelle Massenarbeitslosigkeit in immer größeren Teilen der Welt, die Verarmung breiter Bevölkerungsschichten sogar in den Wohlstandszentren, die globale Verschuldungsdynamik und, am dramatischsten: die eskalierende Klimakatastrophe, die bereits vor über drei Jahrzehnten in den Fokus internationaler Abkommen gerückt ist. Eine Bilanz der Bemühungen: Die weltweiten Emissionen von Treibhausgasen haben sich seitdem verdoppelt und auch die eindringlichsten Warnungen der vereinten Wissenschaft konnten bislang kein grundlegendes Umsteuern herbeiführen.

„Das, was politisch akzeptabel scheint, ist eine ökologische Katastrophe, während das ökologisch Notwendige politisch unmöglich ist.“ So formulierten es Mathis Wackernagel und William Rees, die Erfinder des ökologischen Fußabdrucks – und es zeugt vom Ausmaß der Misere, dass das Zitat von 1998 stammt. Nicht nur wird immer mehr CO2 freigesetzt. Es wird auch immer schneller freigesetzt.

Wo unzählige Alarmsignale auf einen Wettlauf mit der Zeit hindeuten, die existenzielle Bedrohung für die menschliche Zivilisation im politisch-medialen Diskurs durchaus wahrgenommen und reflektiert wird, aber (überlebens-)notwendige Handlungen über Dekaden hinweg ausbleiben – da liegt der Schluss einer systemischen Dysfunktionalität nahe. Doch im deutschen Parteienspektrum führt diese Analyse in die Einsamkeit: Im Bundestag setzt derzeit eine ganz große Koalition auf die hoffnungslosen Hoffnungen namens grünes Wachstum und ökologische Marktwirtschaft. Und damit eben nicht auf einen Systemwechsel.

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Gemeinwohlökonomie – Ein Weg aus der Krise?

Diskussion mit Albrecht Binder und Lothar Galow-Bergemann

Donnerstag, 11. November 2021, 19.00 – 21.00 Uhr, Bielefeld

Ravensberger Park 1, Volkshochschule, Historischer Saal

Eine Veranstaltung der Volkshochschule Bielefeld

Das Wirtschaftsmodell der Gemeinwohlökonomie, bei dem Unternehmen nach sozialen und ökologischen Kriterien beurteilt und ihre Auswirkungen auf das Gemeinwesen geprüft werden, hat in den letzten Jahren viel Zuspruch erfahren. Welche Annahmen stecken hinter dem Modell und kann es einen Beitrag zur Bewältigung der derzeitigen weltweiten Mehrfachkrise leisten? Oder greift es zu kurz und doktert nur an der Oberfläche herum, ohne die realen Machtverhältnisse zu reflektieren? Es diskutieren Lothar Galow-Bergemann vom Förderverein Emanzipation und Frieden e.V. und Gemeinwohlökonomie-Kritiker und Albrecht Binder von der Gruppe Gemeinwohlökonomie Lippe, der das Konzept in seinem Betrieb umgesetzt hat.

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Audio: Die ausrastenden Insassen des Krisenkapitalismus

Zur Einordnung der „Querdenkerproteste“

von Lothar Galow-Bergemann

gelesen von Eva Welsch

Langfassung: Audio: Ausrastende Insassen – Coronakrise, Kapitalismus und Konformistische Rebellion

Warum gibt es fast keine vernünftigen, aber so viele absurde Proteste gegen die staatliche Coronapolitik? Warum glauben immer mehr Menschen haarsträubenden Unfug? Warum schützen auch Bildung und Intelligenz nicht davor? Und warum finden da Leute zusammen, denen man doch eigentlich nicht viel Gemeinsamkeit zutraut? Alternative Esoterik- und wirtschaftsliberale Kapitalismus-Fans, Nazis und Hippies, Linke und Reichsbürger, Gutbürgerliche und Antiautoritäre…

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Audio: Medizin unter dem Diktat der Ökonomie

Wie kapitalistische „Sachzwänge“ das Gesundheitssystem in die Krise treiben

Vortrag von Kai Uwe Helmers

gehalten am 23. September 2021

Lange her sind die Zeiten, wo die Krankenhäuser maßgeblich von der öffentlichen Hand organisiert wurden und die ambulante Medizin kleinunternehmerisch organisiert war. In den letzten 40 Jahren wurde das Gesundheitssystem immer mehr umgebaut – allerdings nicht zum Besseren. Die Krankenhausfinanzierung mittels Fallpauschalen führte und führt zur Schließung von Krankenhäusern, Bettenabbau und Personalmangel, besonders in der Pflege. Die Mehrzahl der Krankenhäuser befindet sich mittlerweile in privaten Händen. Im ambulanten Bereich wurden Kopfpauschalen, Budgets und Deckelungen eingeführt und gleichzeitig ermöglicht, Kapital in diesem Bereich gewinnbringend einzusetzen. Die Qualität ist nicht besser geworden, während gleichzeitig Krankenkassenbeiträge und Kostenselbstbeteiligung der gesetzlich Versicherten stiegen. Die Medizin hat sich tendenziell zu einem (Dienstleistungs-) Markt entwickelt, in dem die Patient*innen als Kund*innen behandelt werden. Zur politischen Begründung dieser Entwicklung mussten immer angebliche „Sachzwänge“ herhalten. Bei genauerer Betrachtung erweisen sich diese aber keineswegs als naturgegeben, sondern als Folge der kapitalistischen Logik, die auch das Gesundheitswesen ihrem Diktat von Wachstumszwang und Profitinteresse unterwirft.

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