Ökologische und soziale Frage zusammendenken! Und wie sieht die Zukunft der Arbeit aus? 

Podiumsdiskussion mit Lothar Galow-Bergemann (Gruppe Krisis), Johanna Schellhagen (labournetTV), Maximilian Wedekind (Aktivist der Letzten Generation) und N.N. (Sand im Getriebe) Moderation: Peter Nowak (Journalist), Anne Seeck (Teilhabe e.V.)

Donnerstag, 11. Mai 2023, 19.00 bis 21.00 Uhr, Berlin

Mehringhof, Versammlungsraum, Gneisenaustr.2a (U-Bhf. Mehringdamm)

Eine Veranstaltung von Teilhabe e.V.

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  • Die Antworten von Lothar Galow-Bergemann sind HIER nachzulesen

Die Erde steht vor dem Kollaps: Dürren, Waldbrände, Überflutungen bedrohen immer mehr Menschen. Der Klimawandel geht uns deshalb alle an. Aber die Energiekrise kann zu einem klimapolitischen Rollback führen. So wird der Kohleabbau fortgesetzt, wie die Räumung von Lützerath zeigt. Auch setzen Nachbarländer Deutschlands weiterhin auf Atomkraftwerke. Aber auch hierzulande wird offen eine mögliche Renaissance der Atomkraft beschworen. Während viele Arme am meisten vom Klimawandel betroffen sind und global schon klimaneutral leben, richten die Reichen die größten Klimaschäden an. Offensichtlich darf die Ressourcenverschwendung so nicht weitergehen. Und doch herrschen bei vielen Menschen Blockaden und Ängste in Bezug auf einen ökologischen Wandel vor. Es bilden sich politische Lager, zumal ökologische Themen immer mit der sozialen Frage verwoben sind.

In der Podiumsdiskussion diskutieren wir in folgenden Blöcken:

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Kapitalismus, Arbeit und Antisemitismus

Vortrag und Diskussion mit Lothar Galow-Bergemann

Dienstag, 18. April 2023, 18.30 Uhr, Halle (Saale)

Hochschullernwerkstatt Erziehungswissenschaften der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, Haus 31, Franckeplatz 1, 06110 Halle (Saale)

Ein Vortrag im Rahmen der Veranstaltungsreihe „Cash Rules Everything Around Me“ der GEW-Hochschulgruppe an der MLU

Lebenslänglich arbeiten-müssen-um-Geld-zu-verdienen-damit-wir-leben-können ist das höchste Gesetz der bürgerlichen Gesellschaft. Wer das für „natürlich“ hält, kann sich nicht vorstellen, dass daraus gesellschaftliche Krisen erwachsen. Näherliegender erscheint das Wirken dunkler Mächte. Krise und Verschwörungsglaube sind Geschwister. Das Gefühl, „die Gierigen“ bedrohten „uns ehrlich Arbeitende“, entlädt sich schlimmstenfalls im antisemitischen Vernichtungswahn. Die Nazis setzten „die Gierigen“ mit „den Juden“ gleich. Doch auch wer das nicht tut, kann sich in einer gefährlichen Nähe zum Antisemitismus befinden, ohne sich darüber im Klaren zu sein.

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Das Elend der Arbeit

Wie das Prinzip Gelderwerb Menschen erniedrigt, Natur zerstört und Autoritarismus befeuert

Vortrag und Diskussion mit Lothar Galow-Bergemann

Montag, 8. Mai 2023, 19.00 Uhr Karlsruhe

Cafe Noir, Schauenburgstr. 5, 76135 Karlsruhe

Eine Veranstaltung von Beat The System | Solidarität statt Konkurrenz im Rahmen der Veranstaltungsreihe Für das Ende der Lohnabeit

Dass wir Arbeiten-müssen-um-Geld-zu-verdienen-damit-wir-leben-können ist das ungeschriebene, aber höchste Gesetz unserer Gesellschaft. Arbeit sei so etwas wie Natur, lautet der allgemeine Konsens. Doch wir arbeiten viel zu viel Unnützes und wir tun viel zu wenig Sinnvolles.

Arbeit und nützliches/sinnvolles/lustvolles Tätigsein sind zwei Paar Stiefel. Unser Lebensunterhalt hängt von einer Megamaschine ab, die wir bedienen müssen und deren Zweck es ist, aus Geld immer mehr Geld zu machen. Unendliches Wachstum, maximaler Profit und steigende Aktienkurse bedeuten ihr alles, das Leben künftiger Generationen nichts. Wo wir hinschauen ist Krise: Die Erde erwärmt sich unaufhörlich, die Ozeane werden vermüllt. Hunger und Armut wachsen, selbst in den reicheren Weltregionen. Pandemien häufen sich. Kriege und Kriegsgefahr werden immer bedrohlicher. Noch nie waren so viele Menschen auf der Flucht.

Es liegt auf der Hand, dass es so nicht mehr weitergehen kann. Doch viele klammern sich an das, was keine Perspektive mehr hat. In ihren Köpfen spuken Verschwörungsphantasien: „Man will mir meine Arbeit und mein Auto nehmen“, „Mir wird verboten, zu sagen, was ich denke“. Hass und Hetze gegen Klimaaktivist*innen und „Woke“ wirken bis in die „Mitte der Gesellschaft“. Ein neu-alter Autoritarismus breitet sich aus. In ihm gärt rohe Gewalt.

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Audio: Was ist Kapital-ismus und warum müssen wir da raus?

Eine kurze Kritik der Megamaschine, mit der wir auf die Wand zurasen (9min)

Von Lothar Galow-Bergemann

Ausschnitt aus einem Statement, gehalten auf einer Diskussionsveranstaltung der Volkshochschule Bielefeld

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Extrem sind immer die anderen

Über Haftstrafen nach Klimaprotesten und den Ungehorsam der Bundesregierung

von Minh Schredle

(zuerst erschienen in Kontext: Wochenzeitung Ausgabe 624 am 15. März 2023)

Das Amtsgericht Heilbronn verhängt Haftstrafen fürs Festkleben auf einer Straße, keine Bewährung. Die anhaltende Hetze gegen die Letzte Generation dürfte ein Klima begünstigen, das härteste Strafen als geboten erscheinen lässt.

Wer sich der Umwelt zuliebe an Blockade-Aktionen beteiligt, sollte aufpassen, nicht vor dem Amtsgericht Heilbronn zu landen. Dort verhängte Richterin Julia Schmitt am 6. März erstmals Haftstrafen wegen einer Aktion der Letzten Generation. Genau einen Monat zuvor hatten fünf Aktivist:innen eine Straße in Heilbronn für zwei Stunden blockiert, zwei der Beschuldigten klebten sich dabei fest – und sollen nun für zwei beziehungsweise drei Monate hinter Gitter. Ohne Bewährung. Ihr Kollege Michael Reißer, am Gericht zuständig für die Pressearbeit, kommentiert dazu in der „Bild“-Zeitung: „Die jüngeren Angeklagten hatten schon mehrfach Straßen blockiert. Zudem wollten sie es wieder tun. Deshalb hielt die Richterin eine Haftstrafe für angemessen.“

Harte Strafen gegen Umwelt-Aktivist:innen verhängt das Amtsgericht Heilbronn nicht zum ersten Mal. Ein Skandal war der Umgang mit der rheumakranken Rollstuhlfahrerin Cécile Lecomte. Weiterlesen

Wer vom Kapitalismus nicht reden will, sollte von Nachhaltigkeit schweigen

Vortrag und Diskussion mit Lothar Galow-Bergemann

Samstag, 25. März 2023, 15.00 Uhr Wien

Büro für Selbstorganisierung: Dornerplatz 4, 1170 Wien

Eine Veranstaltung im Rahmen der Power to the People Konferenz – Gegenkonferenz zur European Gas Conference

Immer weniger Menschen glauben an den Kapitalismus und immer mehr wissen, dass es „nicht so weitergehen“ kann. Aber der Ausstieg ist schwer. Solange unser Lebensunterhalt vom Verkauf unserer Arbeitskraft abhängt, sitzen wir in der Falle: Geht es nämlich nicht „so weiter“, ist unser Einkommen gefährdet, von dem wir leben. Wollen wir die Wirtschaftsweise überwinden, die uns in diese Sackgasse geführt hat, müssen wir verstehen, was Kapital-Ismus ist und aus gescheiterten Versuchen lernen.

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Linke Fesselspiele

Eine Auseinandersetzung mit Ingar Soltys Argumentation zum „Linken Bellizismus“

von Justus Cider

zuerst erschienen bei Disposable Times

Die Haltung zum Ukraine-Krieg prägt die linke politische Debatte nun seit mehr als einem Jahr. Die einen halten den Krieg für eine imperialistische Konfrontation zwischen Russland und der NATO, die anderen für den Angriffskrieg einer neoautoritären, chauvinistischen Diktatur. Und viele stehen irgendwo in der Mitte zwischen den beiden Positionen. Um Letztere ging es wohl, als Ingar Solty in der Jungen Welt einen vielbeachteten Text zum „linken Bellizismus“ veröffentlicht hat, der die Argumentation linker Befürwortung von Waffenlieferungen dekonstruieren will. 

Solty ist Referent für Friedens- und Sicherheitspolitik bei der Rosa-Luxemburg-Stiftung. Er ist seit vielen Jahren in den entsprechenden sozialen Bewegungen aktiv und kann wohl als einer derer gelten, von denen wir in dieser Frage eine fundierte Expertise erwarten dürfen. 

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Das Phänomen Palmer

Der Tragödie dritter Teil: Die Wiederwahl von Boris Palmer zum OB

von Lucius Teidelbaum, Tübingen

Am 23. Oktober 2022 wurde in Tübingen Boris Palmer zum dritten Mal und im ersten Wahlgang mit 52,4% der Stimmen erneut zum Tübinger Oberbürgermeister gewählt, diesmal als unabhängiger Kandidat. Bei einer Wahlbeteiligung von immerhin 62,6% – der Durchschnitt liegt bei derartigen Wahlen bei 44%.

Die reibungslose Wiederwahl Palmers lässt auch die lokale Linke ratlos zurück. Denn Palmer wurde trotz zahlreicher rassistischer, transfeindlicher und homophober Äußerungen in einer Stadt wieder gewählt, die gemeinhin als linksliberale Stadt gilt. Allerdings war der Wiedereinzug Palmers ins Rathaus für Kenner*innen der Tübinger Verhältnisse nur wenig überraschend. Gleichzeitig offenbarte sein Wahlsieg eine Schwäche der Linken, weil er veranschaulichte, dass auch in einer westdeutschen Universitätsstadt ein reaktionärer Politiker wie Palmer Mehrheiten erringen kann.

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Die ökologische Krise: Wie radikal ist realistisch?

Vortrag und Diskussion mit Bernd Ulrich, Stellvertretender Chefredakteur der Wochenzeitung Die Zeit

Donnerstag, 23. März 2023, 19.00 Uhr Stuttgart

Haus der Katholischen Kirche, Eugen-Bolz-Saal, Königstraße 7

In den achtziger Jahren stand die damalige ökologische Avantgarde in den westlichen Gesellschaften vor einem gravierenden demokratischen Problem: Wie kann man die Menschen davon überzeugen, jetzt ihr Verhalten zu ändern wegen Problemen, die erst in dreißig Jahren auftreten? Letztlich haben die Ökologen von damals dieses Problem nicht lösen können. Zwar haben sie viel Umdenken bewirkt, doch ging zugleich die Schere zwischen ökologisch Gebotenem und ökologischem Tun immer weiter auseinander. Nun aber sind diese dreißig Jahre vorbei, der Klimawandel hat eingesetzt, die Meere befinden sich in einem äußerst kritischen Zustand, das Artensterben galoppiert. Der Menschheit wird hier und heute der ökologische Kragen eng, sie hat zu lange zu wenig getan und muss sich jetzt sputen, wenn die Erde, wie wir sie kennen, noch leidlich gerettet werden soll.

Die Normalität, die diese Krise vorantreibt, ist weitgehend ungebrochen. Doch alle Versuche, sich diesem „Extremismus der Normalität“ durch eine „realistische Radikalität“ entgegenzustellen, können – bislang – einigermaßen erfolgreich als radikal im Sinne von extremistisch, randständig oder gar undemokratisch gebrandmarkt werden. Warum ist das so und wird das so bleiben? Der Journalist Bernd Ulrich plädiert in dieser Diskussion für ein „neues Rendezvous mit der Wirklichkeit“ und eine „besonnene Radikalität aus der Sache heraus.“

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Russland zwischen Bandenherrschaft und Geopolitik

Putins Racket-Staat im Krieg gegen die Ukraine

Vortrag und Diskussion mit Thorsten Fuchshuber

Donnerstag, 4. Mai 2023, 19.30 Uhr, Stuttgart

Stiftung Geißstraße 7, 70173 Stuttgart

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„Wenn Demokratie Staatszerfall bedeutet“, sagte Wladimir Putin im Jahr 2003 im Gespräch mit Journalisten, „dann brauchen wir keine solche Demokratie“. Seitdem hat er eine Politik vorangetrieben, die als „System Putin“ bekannt geworden ist. Doch was ist das für ein Staatswesen, als dessen Garant der russische Staatspräsident gelten möchte? Insbesondere seit dem eskalierten Krieg gegen die Ukraine mit der Invasion des Landes am 24. Februar 2022 wird Putins Machtanspruch häufig als imperial oder neoimperial bezeichnet; er habe zum Ziel, ein neues russisches Großreich zu errichten.

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„Das Recht, Rechte zu haben“ (Hannah Arendt)

Anmerkungen zum Verhältnis von Menschenrechten und Widerstandsakten

Vortrag und Diskussion mit Claus Baumann

Donnerstag, 20. April 2023, 19.30 Uhr Stuttgart

Stiftung Geißstraße 7, 70173 Stuttgart

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Vom Zeitalter der Aufklärung bis zur Gegenwart sind die Menschenrechte in den öffentlichen Debatten präsent. Sie gelten als eine der größten Errungenschaften der Menschheitsgeschichte. Die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte, die am 10. Dezember 1948 verkündet wurde, feiert dieses Jahr ihr 75. Jubiläum.
Wie in den historischen Vorläufern, dem Virginia Bill of Rights von 1776 oder der Französischen Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte von 1789, werden auch in der Erklärung von 1948 bestimmte Grundsätze für die Gestaltung des Verhältnisses von Individuum, Staat und Gesellschaft formuliert, so beispielsweise das Recht auf Leben, auf Freiheit und Sicherheit der Person, auf körperliche Unversehrtheit, auf Meinungs- und Pressefreiheit, auf Freizügigkeit, auf freie Berufswahl und auf Bildung. In geschichtlicher Hinsicht reagierte die Erklärung von 1948 auf die Gräuel des Zweiten Weltkriegs und auf die präzedenzlose deutsche Barbarei mit ihrem Zivilisationsbruch der Shoah. Diese historische Bezugnahme markiert inhaltlich eine neue Qualität der Allgemeinen Erklärung von 1948 gegenüber ihren historischen Vorläufern, die insbesondere im Verständnis der Menschenwürde zum Ausdruck kommt, die vor den „Akten der Barbarei“ zu schützen sei (siehe Präambel von 1948).
Gemeinsam ist aber all den verschiedenen historischen Fassungen der Menschenrechtserklärung ihre naturrechtliche Begründung mit der Behauptung, Menschen hätten Rechte, schon allein aufgrund der Tatsache, weil sie Menschen seien. Hannah Arendt kritisiert diese Annahme anhand ihrer Überlegung, dass das „Recht, Rechte zu haben“ nicht qua Geburt gegeben, sondern wie alle Rechte an ein menschliches Mit-Gemeinsames gebunden sei.
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Warum wir den Kapitalismus kritisieren müssen, wenn wir die ökologischen Krisen meistern wollen

Vortrag und Diskussion mit Julian Bierwirth

Freitag, 17. Februar 2023, 19.00 Uhr, Stuttgart

Altes Feuerwehrhaus, Möhringer Str. 56, am Erwin-Schöttle-Platz

Eigentum ist eines der zentralen Prinzipien im Kapitalismus. Gerade haben wir in Lützerath gesehen, welche Auswirkungen Eigentum auf die ökologischen Aspekte unserer Welt hat: Das Dorf wurde geräumt, weil das dazugehörige Land im Eigentum der Firma RWE ist. Sie kann nun damit (mehr oder weniger) machen, was sie will. Sie darf das Land zerstören – und dem Rest der Welt damit einen enormen Schaden zufügen.

Tatsächlich bestimmt das Prinzip Eigentum einige der wichtigsten Aspekte moderner Gesellschaften. Es erzeugt ein ganz bestimmtes Verständnis von Menschen und Dingen zur Welt. Es ist eng mit den Funktionsmechanismen der modernen, kapitalistischen Gesellschaft verbunden. Der Wachstumszwang dieser Wirtschafts- und Lebensweise verweist auf das Eigentum als rechtliche Instanz.

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Extraschrille Alarmglocken

Gemessen am Ausmaß der Mietmisere erscheint es handzahm, den großen Immobilienkonzernen nur ihren Wohnungsbestand wegnehmen zu wollen.

von Minh Schredle

(zuerst erschienen in Jungle World 4/2023 vom 26. Januar 2023)

»So laut wie jetzt haben die Alarmglocken des Wohnungsmangels lange nicht mehr geschrillt«, sagte Lukas Siebenkotten, der Präsident des Deutschen Mieterbunds, kürzlich den Zeitungen der Funke-Mediengruppe und warnte vor einem »ungeahnten Desaster«. Der Begriff »ungeahnt« wirkt deplatziert – denn die weitere Zuspitzung der Misere am Wohnungsmarkt kündigt sich schon lange an.

Nach einer Auswertung des Statistischen Bundesamts, die sich noch auf Daten aus dem Jahr 2021 bezieht, war jede achte Person, die in einer deutschen Mietwohnung lebt, mit ihren Wohnkosten überlastet. Eine Überlastung liegt demzufolge vor, wenn 40 Prozent des verfügbaren Haushaltseinkommens für Miete und Nebenkosten, inklusive Strom, verbraucht werden müssen. Und diese Zahlen beziehen sich auf 2021 – im darauffolgenden Jahr sind die Energiepreise bekanntlich regelrecht explodiert.

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Voll auf die Presse

Durchsuchungen bei „Radio Dreyeckland“

von Minh Schredle

(zuerst erschienen in Kontext: Wochenzeitung Ausgabe 617 am 25. Januar 2023)

Ein halbes Jahr nach Veröffentlichung eines Textes hat die Berichterstattung ein Nachspiel: Gleich drei Hausdurchsuchungen gab es in Freiburg. Die Staatsanwaltschaft Karlsruhe hatte eine Verlinkung in einem Artikel von „Radio Dreyeckland“ als Werbung für eine verbotene Vereinigung interpretiert.

Zuerst habe er gedacht, da wären Einbrecher in seiner Wohnung, sagt der Journalist Fabian Kienert – und lässt wissen, dass es schönere Dinge gibt, als morgens um 6:45 Uhr von der Polizei geweckt zu werden. Die Staatsmacht ist in seine Wohnung eingedrungen, um zu klären, ob er der Autor eines Textes ist, der drei Hausdurchsuchungen am 17. Januar dieses Jahres rechtfertigen soll.

Verstehen lässt sich der Vorgang nur, wenn man die inzwischen fünf Jahre alte Vorgeschichte kennt. Denn auf vielen Umwegen handelt es sich um eine Spätfolge der Ausschreitungen beim G20-Gipfel 2017 in Hamburg.

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Entzogene Lebensgrundlagen

Über den Zusammenhang von Umweltzerstörung, strukturellem Elend und massenhaften Fluchtbewegungen

Vortrag und Diskussion mit Minh Schredle

Montag 30. Januar 2023, 19.00 Uhr (Online)

bei krisis-Kritik der Warengesellschaft

Zoom-Meeting: https://us02web.zoom.us/j/87886449547?pwd=RGdSK0ZxSHphYnFTT21LY01wQTY4UT09
Meeting-ID: 878 8644 9547
Kenncode: 265918

Es ist das Zeitalter der großen Rekorde: Jahr für Jahr erreicht der weltweite Ressourcenverbrauch historische Höchststände, ebenso übertrumpfen sich bei der globalen Verschuldung immer neue Spitzenwerte, und nie waren seit der Gründung der Vereinten Nationen mehr Menschen auf der Flucht. Wo Erdregionen unbewohnbar werden, tendieren legitimationsideologische Erklärungsmodelle dazu, den Opfer dieser Entwicklungen die Verantwortung für ihr Leid anzudichten und sie ihrem Schicksal zu überlassen. In Leitmedien wie dem „Spiegel“ plädieren Autor:innen inzwischen in offenherzigem Zynismus dafür, die „klimarobusten“ Wohlstandszentren abzuschotten, denn ohne Triage werde es nicht gehen und darauf gelte es sich nun, ganz pragmatisch, vorzubereiten.

Wo Jahrzehnte lang Ignoranz gegenüber schrillenden Alarmsignalen vorherrschte, hat sich also herumgesprochen, dass seit geraumer Zeit lodernde Krisenherde nun komplett eskalieren – und da verschiedene Katastrophen mitunter als nicht mehr abwendbar empfunden werden, greift in Teilen der Gesellschaft eine Rette-sich-wer-kann-Mentalität um sich. Eine andere populäre Bewältigungsstrategie, die insbesondere im parteipolitischen Spektrum überwältigende Mehrheiten hinter sich vereint, ist die hoffnungslose Hoffnung auf „grünes Wachstum“, die sich sogar bei selektiver Blindheit gegenüber der vorliegenden empirischen Evidenz immer schlechter schönlügen lässt.

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Lenins Sozialismus

von Nikolaus Gietinger

zuerst erschienen bei Disposable Times

Lenin ist wieder en vogue. Theoretiker wie Andreas Malm graben den Anführer der russischen Revolution von 1917 wieder aus. In ihren Augen kann uns Lenin helfen, den Kapitalismus abzuschaffen und den Klimawandel zu bekämpfen. Es bleibt jedoch fraglich, ob Lenin uns heute noch etwas zu sagen hat. Im Gegenteil, mit seinem Arbeitsfetisch und seinem Lob der preußischen Disziplin stand Lenin fest auf dem Boden der kapitalistischen Produktionsweise und der Naturzerstörung.

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Entzogene Lebensgrundlagen

Der Zusammenhang von Umweltzerstörung, strukturellem Elend und massenhaften Fluchtbewegungen

Vortrag und Diskussion mit Minh Schredle

Donnerstag, 2. März 2023, 19.30 Uhr Stuttgart

Laboratorium, Wagenburgstr.147

Ein Rekord jagt den nächsten: Der Ressourcenverbrauch erreicht Jahr für Jahr historische Höchstwerte, ebenso überbieten sich bei der globalen Verschuldung permanent Spitzenwerte und nie waren seit der Gründung der Vereinten Nationen mehr Menschen auf der Flucht. Wo Erdregionen unbewohnbar werden, tendieren legitimationsideologische Erklärungsmodelle dazu, die Opfer dieser Entwicklungen für ihr Leid selbst verantwortlich zu machen und ihrem Schicksal zu überlassen.

Inzwischen hat sich allgemein herumgesprochen, dass diverse Krisenherde eskalieren und auch in den Wohlstandszentren der Welt machen sich die Konsequenzen immer deutlicher bemerkbar. Die politischen Diskurse dominiert allerdings noch die Tendenz, die ausufernde Umweltzerstörung und sich häufende Wirtschaftskrisen als von einander getrennte Problembereiche zu behandeln. In diesem Vortrag soll hingegen der Versuch unternommen werden, die gegenwärtig auftretenden ökologischen und ökonomischen Verwüstungen als Folge eines historischen Prozesses zu beleuchten, in dessen Verlauf der blinde Wachstumszwang endloser Kapitalakkumulation an die Schranken seiner Entwicklungsfähigkeit stößt und dabei immer mehr Menschen die Lebensgrundlagen entzieht.

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Auf Sand gebaut

Die globale Arbeitsökonomie und die WM in Katar

von Nikolaus Gietinger

Versão em português

zuerst erscheinen in Jungle World 46/2022 vom 17.November 2022

In den Golfstaaten arbeiten Millionen von Wanderarbeiter:innen, allerdings nicht im Hauptgeschäft mit Öl oder Gas. Sie schuften für die sinnlosen Prestigebauten der futuristischen Wüstenstädte.

Die Liste der Skandale bei der Ausrichtung der Fifa-Fußballweltmeisterschaft der Männer im islamischen Wüstenstaat Katar ist lang: Das Emirat ist bekannt für diverse Menschenrechtsverletzungen, der Bericht »Freedom in the World 2021« der US-amerikanischen NGO Freedom House bewertet das Land mit nur 25 von 100 Punkten als »nicht frei«. Homosexualität steht ­unter Strafe, das auf der Sharia beruhende Gesetzbuch in Katar sieht dafür sieben Jahre Haft vor. Homosexuellen Muslimen droht sogar die Todesstrafe, auch wenn sie hierfür noch nie vollstreckt wurde. Gütigerweise hat ­Katar aber angekündigt, dass Regenbogenflaggen während der WM erlaubt sein werden.

Neben den Korruptionsvorwürfen, die sich um die Vergabe der WM an Katar ranken, ist auch die Situation der Wanderarbeiter:innen, die dort am Bau der Infrastruktur für die WM beteiligt sind, ein vieldiskutiertes Thema. Eine Dokumentation über die menschen­unwürdigen Arbeits- und Unterbringungsbedingungen folgt auf die nächste und alle halbe Jahre muss bilanziert werden, dass sich daran trotz anderslautender Versprechungen nichts gebessert hat. Die UN und verschiedene NGOs fordern völlig zu Recht, dass die sklavereiähnlichen Zustände abgeschafft werden müssen. Was allerdings häufig auf der Strecke bleibt, ist eine Analyse der Gründe für das Gastarbeitersystem, welches nicht nur in Katar besteht, sondern in allen Staaten des Gulf Cooperation Council (GCC), dem Bahrain, Kuwait, Oman, Katar, Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate angehören.

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Construindo sobre areia

A economia global do trabalho e a Copa do Mundo no Catar

por Nikolaus Gietinger

Deutsche Version

Publicado pela primeira vez por krisis Kritik der Warengesellschaft

Milhões de migrantes trabalham nos Estados do Golfo, mas não no negócio principal de petróleo ou gás. Eles trabalham arduamente nos prédios de ostentação sem sentido das cidades futuristas do deserto.

A lista de escândalos em torno da realização da Copa do Mundo masculina da Fifa no país desértico e islâmico do Catar é longa: o emirado é conhecido por inúmeras violações de direitos humanos e relatório “Freedom in the World 2021”, da ONG norte-americana Freedom House, classifica o país como “não livre”. A homossexualidade é punida com sete anos de prisão segundo a lei do Catar, baseada na Sharia. Muçulmanos homossexuais enfrentam até a pena de morte, ainda que nunca tenha sido realizada para esse fim. O Catar anunciou amigavelmente que as bandeiras do arco-íris serão permitidas durante a Copa do Mundo.

Além das denúncias de corrupção em torno da escolha do Catar para a Copa do Mundo, a situação dos migrantes envolvidos na construção da infraestrutura para o torneio também é um tema muito discutido. A ONU e várias ONGs exigem, com razão, a abolição de condições análogas à escravidão. No entanto, o que muitas vezes fica no esquecimento é uma análise das razões do sistema de trabalho dos imigrantes, que existe não apenas no Catar, mas em todos os países do Conselho de Cooperação do Golfo (GCC), que inclui Bahrein, Kuwait, Omã, Catar, Arábia Saudita e os Emirados Árabes Unidos.

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